Augsburger Allgemeine (Land West)
Polizei steht im Wettbewerb mit der Wirtschaft
Interview Thomas Fichtner ist der neue Chef der Königsbrunner Bereitschaftspolizei. Im Gespräch mit unserer Zeitung redet er über die Ziele, die bevorstehenden Bauarbeiten und die Probleme, neue Nachwuchskräfte zu finden
Königsbrunn Die Uniform sitzt schon perfekt bei Thomas Fichtner, dem neuen Chef der Bereitschaftpolizei in Königsbrunn. Seit Kurzem steht ein großer Container auf dem Gelände der Einheit, der die neue blaue Dienstkleidung der bayerischen Ordnungshüter enthält. Die Umstellung auf die neue Uniform stellt eine der kleineren Herausforderungen dar, die auf Fichtner und die Einheit an der Guldenstraße zukommen.
Herr Fichtner, Sie sind seit dem 1. Februar offiziell Chef der Bereitschaftspolizei. Fehlt Ihnen Ihr früherer Posten bei der Kriminalpolizei?
Thomas Fichtner: Ich habe das Dezernat für Kfz-Diebstahl und Einbruchskriminalität in München geleitet und war somit zuständig für Bereiche, die den Menschen besonders am Herzen liegen. Das hatte sicherlich seinen Reiz, mit allen ermittlungstechnischen Möglichkeiten, die diese Ermittlungen mit sich bringen. Hier bei der Bereitschaftspolizei hat man dafür eine ganz andere Breite an Aufgaben. Man bildet junge Polizisten für die Aufgaben im Alltag aus, gleichzeitig muss man die Abteilung am Laufen halten mit der Küche, den Werkstätten, den Unterkunftsgebäuden und dem Personal. Das ist nicht zu unterschätzen. Dazu Repräsentationsaufgaben, die ich so in München gar nicht hatte. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich war mit Leib und Seele Kriminalpolizist, aber es fehlt mir nicht.
Sie sprechen die Repräsentationspflichten an: Haben Sie Ziele für die Zusammenarbeit mit der Stadt Königsbrunn?
Fichtner: Der Kontakt zur Stadt ist sehr offen und eng. Wir dürfen zum Beispiel die Sportstätten nutzen,. Wenn das Gymnasiumbad wieder geöffnet ist, wird uns das die Schwimmausbildung deutlich erleichtern. Dazu gibt es viele Gespräche mit dem Bürgermeister wegen der Planungen zur Straßenbahn, bei der ja Bahnkörper und der Radweg daneben direkt an unserem Zaun vorbeiführen werden. Die Zusamkommen menarbeit ist sehr gut, das soll auch so bleiben. Darüber hinaus gibt es keinen Fahrplan, was wir erreichen möchten.
Große Bauarbeiten kommen auch innerhalb des Zaunes auf Sie zu. Welche?
Fichtner: Ja, bei der Zentralstelle für den Digitalfunk steht der Rohbau, und der Innenausbau läuft. Hier sind aber das Landeskriminalamt und das Staatliche Bauamt die Planer, die Sicherheit des Gebäudes fällt in unsere Zuständigkeit. Selbst mitgeplant haben wir beim Bau des 41. Seminars im südlichen Bereich, wo ab 2019 150 weitere Auszubildende einziehen sollen. Dann wächst die Bereitschaftspolizei Königsbrunn auf mehr als 1000 Mitarbeiter an. Wir wollen eine zeitgemäße Ausbildung anbieten – dazu gehören unter anderem Beamer in den Lehrsälen, Computerarbeitsplätze, aber auch Zwei-Bett-Zimmer mit eigener Nasszelle. Andere Seminargebäude, die noch Stand 1975 sind, werden schrittweise saniert.
Geplant ist auch eine neue Schießanlage. Wie soll diese aussehen?
Fichtner: Die Raumschießanlage wird gebaut und wird auch für Rollentrainings verwendet. Dabei geht es auch darum, das Nichtschießen zu lernen. Die Auszubildenden sollen unter Stress bestimmte Situationen durchüben, die per Film vorgeführt werden. Sie sollen lernen, wie man die Lage entschärft, aber auch, wie man im Ernstfall schießt und Hindernisse als Deckung nutzt.
Wie stellen Sie sich die Arbeit innerhalb der Abteilung vor?
Fichtner: Wichtig ist mir ein vernünftiger, erwachsenengerechter, kollegialer Umgang mit allen, egal ob Stammpersonal, Auszubildende oder Angestellte. Da kommt mir als Chef auch eine Vorbildfunktion zu, die sich dann weiter fortsetzen soll. Früher war die Bereitschaftspolizei noch deutlich militärischer, wie eine Grundausbildung mit Drill. Heute versucht man die Auszubildenden, zielgerichteter vorzubereiten, den Teamgedanken und die Zusammenarbeit zu fördern.
Sie bauen neue Unterkünfte für 150 zusätzliche Auszubildende. Gleichzeitig steht der Polizei ein Generationswechsel bevor. Wie gehen Sie diese Herausforderung an?
Fichtner: Wir haben in den nächsten Jahren einen massiven Schwund, weil die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Diese hohen Abgangszahlen treffen auf geburtenschwache Jahrgänge bei möglichen Neuzugängen. Alle, die in den Ruhestand gehen, eins zu eins qualitativ gleichwertig zu ersetzen, wird also schwierig sein. Wir stehen im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft, die Absolventen teils schon anspricht, zwei Semester bevor sie mit dem Studium fertig sind. Die Polizei tut das auch, man bietet den Schülern Gelegenheiten, die Arbeit kennenzulernen – über Praktika, Aktionen wie den Girls’ Day oder Schülerpraktika. Auf der Homepage www.mit-sicherheit-anders.de werben wir zudem gezielt für unseren Beruf.
Die Herausforderungen im Dienst sind ja nicht kleiner geworden. Wie lassen sich die Nachwuchskräfte ansprechen?
Fichtner: Die Polizei hat weiterhin eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft. Das Zusammenleben der Bürger wird immer schwieriger. Dabei spielt ein exzessiveres Freizeitverhalten eine Rolle, ein erhöhter Ausländeranteil, aber auch ein immer mehr verbreiteter Egoismus. Es wird sicherlich kaum einen Kollegen geben, der im Dienst noch keine Beleidigungen oder sogar Angriffe erlebt hat. Auf der anderen Seite haben wir einen abwechslungsreichen Beruf, mit vielseitigen Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten.
Die Fragen stellte Adrian Bauer