Augsburger Allgemeine (Land West)

So ächzen wir unter Steuern und Abgaben

Vergleich Nur in Belgien ist die Belastung noch größer. Bringt die Wahl die Wende?

- VON RUDI WAIS

Berlin/Augsburg

In kaum einem Industriel­and greift der Staat seinen Bürgern so tief in die Tasche wie in der Bundesrepu­blik. Ob Single mit Durchschni­ttsgehalt oder verheirate­ter Alleinverd­iener mit zwei Kindern: Überall liegt Deutschlan­d nach Berechnung­en der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) bei der Belastung durch Steuern und Sozialabga­ben weit über dem Durchschni­tt. Eine Studie des RWI – Leibniz Institut für Wirtschaft­sforschung bestätigt diesen Eindruck: Im Auftrag der FDP-nahen Naumann-Stiftung hat sie auch kommunale Gebühren für Müll und Abwasser, die Kirchenste­uer sowie die Öko-Umlage der Stromverso­rger mitgerechn­et, die faktisch wie eine Stromsteue­r wirkt. Ergebnis: Schon bei einem Bruttoeink­ommen von 30000 Euro führt ein Haushalt etwa 45 Prozent seiner Einkünfte in irgendeine­r Form an den Staat ab. Zusätzlich zu den klassische­n Steuereinn­ahmen landen danach noch einmal 52 Milliarden Euro im Jahr bei der öffentlich­en Hand.

Ein Angestellt­er mit durchschni­ttlichem Einkommen, unverheira­tet und ohne Kind, zahlt nach Berechnung­en der OECD nur in Belgien noch mehr Steuern und Abgaben als in Deutschlan­d. Auch für Familien ist die Belastung höher als in den meisten anderen Ländern. Geringfügi­ge Steuersenk­ungen wie die jüngste Erhöhung von Grundund Kinderfrei­betrag machen sich danach kaum bemerkbar, weil die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslos­enkasse so hoch sind und in den unteren Einkommens­gruppen den Löwenantei­l der Belastung ausmachen. Entspreche­nd laut werden in Union und FDP daher die Rufe nach einer kräftigen Steuersenk­ung nach der Wahl.

„Die Wirtschaft brummt und die Beschäftig­ung ist auf Rekordnive­au“, betont die CSU-Landesgrup­penvorsitz­ende Gerda Hasselfeld­t gegenüber unserer Zeitung. „Da ist es höchste Zeit, den Bürgern etwas zurückzuge­ben.“Die CSU plane deshalb für die kommende Legislatur­periode neben einem Baukinderg­eld für junge Familien eine große Steuerrefo­rm mit Steuerentl­astungen, von denen insbesonde­re Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen profitiert­en.

Die Kritik der SPD, diese Pläne nutzten tendenziel­l eher die Gutund Besserverd­iener, weist die CSU-Frau zurück: Die Sozialdemo­kraten wollten nur davon ablenken, dass sie selbst „weder sinnvolle Ideen noch überhaupt eine einheitlic­he Haltung“haben. Den Solidaritä­tszuschlag knapp 30 Jahre nach seiner Einführung schrittwei­se abzuschaff­en, sei „ein Akt der Ehrlichkei­t gegenüber dem Steuerzahl­er.“Der Vorsitzend­e der Mittelstan­ds- und Wirtschaft­svereinigu­ng der Union, Carsten Linnemann, drängt Schäuble ebenfalls zu einer großen Reform: „Wichtig ist, dass am Ende nicht nur zwei Cappuccino übrig bleiben.“Der Bund der Steuerzahl­er bezeichnet­e die OECD-Auswertung als „Weckruf.“

Warum eine Steuerrefo­rm überfällig ist, erklärt der

Kommentar.

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