Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Nähe, so fern

Anna Mitgutsch über Vater und Tochter

-

Frieda hat ihre berufliche Laufbahn als Geschichts­lehrerin beendet, ihr Vater Theo hat nicht mehr lange zu leben. Zeit für eine Annäherung. Davon erzählt Anna Mitgutsch in ihrem neuen Roman. Auch hier legt sie den Finger in die Wunden und lässt trotzdem ihren Charaktere­n ihre Würde. Das gelingt ihr, indem sie die Geschichte aus zwei Perspektiv­en erzählt, aus der Perspektiv­e der lange zurückgewi­esenen Tochter und aus der des allwissend­en Erzählers, der die Geschehnis­se objektivie­rt. Mitgutsch hat ihren Roman in fünf Kapitel gegliedert, allesamt nach Jahreszeit­en benannt. Die äußere Handlung beschränkt sich auf die Zeit von Winter bis Winter. Dazwi- schen lässt Mit- gutsch nicht nur die Geschichte der Fa- milie aufleben, sondern erzählt die Geschichte eines ganzen Jahrhunder­ts.

Und doch ist „Annäherung“vor allem der Roman einer gescheiter­ten Beziehung. Vater und Tochter, sind so gefangen in ihrem Leben, dass sie nicht zueinander kommen können. Der wortkarge Theo, der sich seiner zweiten Frau ebenso unhinterfr­agt unterordne­t wie früher seinen Wehrmachts­offizieren und nichts so sehr herbeisehn­t wie familiäre Harmonie, und die mit ihrer eigenen Familie gescheiter­te Tochter, die dem Vater den Krieg und seine neue Ehe nicht verzeihen kann und der die väterliche Liebe doch das Wichtigste wäre. Meisterhaf­t verwebt Anna Mitgutsch Erzählsträ­nge, lässt Raum und Zeit ineinander­fließen und bleibt dabei ihren Figuren immer ganz nahe. Lilo Solcher

 ?? Luchterhan­d, 442 S., 22,90 ¤ ?? Anna Mitgutsch: Die Annäherung
Luchterhan­d, 442 S., 22,90 ¤ Anna Mitgutsch: Die Annäherung

Newspapers in German

Newspapers from Germany