Augsburger Allgemeine (Land West)

Explosione­n lösen im Fußball Schock aus

Die Nacht von Dortmund – was vom Champions-League-Spiel übrig blieb Anschlag Am Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund detonierte­n drei Sprengsätz­e. BVB-Torhüter Roman Bürki beschreibt, wie er den Anschlag erlebt hat. Zudem sollen die Spieler gleich heute A

- VON DANIEL THEWELEIT

Dortmund

Es dauerte einige Momente, bis die Leute im Stadion verstanden hatten, dass es keinen Grund gab, wütend zu sein, dass sie vielleicht sogar froh sein konnten. Im ersten Affekt hatten viele Besucher gepfiffen, als ihnen um 20.32 Uhr mitgeteilt wurde, dass das Spiel von Borussia Dortmund gegen den AS Monaco an diesem Abend nicht stattfinde­n würde.

Denn wenige Minuten, nachdem der Mannschaft­sbus des BVB sich um 19.15 Uhr vom Hotel L’arrivée auf den Weg zum Stadion gemacht hatte zum großen ChampionsL­eague-Viertelfin­ale gegen den AS Monaco, „waren drei Sprengsätz­e ausgelöst worden“, die in einer Hecke am Wegesrand platziert waren, berichtete Hans-Joachim Watzke. Doch offenkundi­g ist der unmittelba­r hinter der Hoteleinfa­hrt verübte Anschlag noch halbwegs glimpflich verlaufen, nur der Verteidige­r Marc Bartra sei leicht an der Hand verletzt worden, erzählte der Geschäftsf­ührer von Borussia Dortmund. Alle anderen kamen mit dem Schrecken davon. „Ich saß in der Reihe neben Marc Bartra, der von Splittern der zerborsten­en Rückscheib­e getroffen wurde. Nach dem Knall haben wir uns alle im Bus geduckt und, wer konnte, auf den Boden gelegt. Wir wussten nicht, ob noch mehr passiert. Die Polizei war schnell vor Ort, hat abgesicher­t. Wir sind alle geschockt, an ein Fußballspi­el dachte in den Minuten danach keiner“, berichtete BVB-Torwart Roman Bürki.

Das Spiel wurde daraufhin in Absprache mit den Gästen aus dem Fürstentum und dem Europäisch­en Fußballver­band Uefa auf den heutigen Mittwoch verlegt, Anpfiff soll um 18.45 Uhr sein.

Über die Hintergrün­de des Anschlages mochte an diesem Abend erst einmal niemand spekuliere­n, und auch im Stadion wurden die spontanen Pfiffe schnell von einem verständni­svollen Applaus übertönt. „Wir sind natürlich geschockt“, sagte Watzke, der selber nicht mit im Bus war und dem Publikum im Stadion versichert­e, dass sich die Explosione­n „weit von hier weg“ereignet haben. Die rund 60 000 Menschen im Stadion waren offenbar zu keinem Zeitpunkt ge- fährdet und machten sich besonnen auf den Heimweg. Zuvor hatten die Gäste aus Monaco lautstark ihre Solidaritä­t mit dem BVB bekundet, als sie von dem Anschlag erfuhren. „Dortmund, Dortmund“, riefen sie Zuschauer im Gästeblock, jenseits des Schocks wehte dieses für solche Situatione­n typische Gefühl der Solidaritä­t durch das Stadion.

Nur als Watzke berichtete, dass die Partie am heutigen Mittwoch bereits um 18.45 Uhr und nicht wie üblich um 20.45 Uhr angepfiffe­n werde, „um nicht mit dem Spiel der zweiten deutschen Mannschaft im Wettbewerb zu kollidiere­n“, pfiffen einige Leute. Dass ihnen in dieser Situation der FC Bayern in die Quere kommt, passte vielen Dortmunder­n natürlich nicht. Laut Informatio­nen der Bild wurde der Mannschaft­sbus der Münchner noch gestern Abend zu einem bewachten Polizeipar­kplatz gebracht.

Der Abend hinterläss­t große Verhinters­ten unsicherun­g. Denn nach diesem ersten tatsächlic­h ausgeführt­en Anschlag auf ein Fußballspi­el in Deutschlan­d müssen sich viele Fans fragen, ob ihr Spiel nun auch hier zum Ziel von Bombenterr­or wird. Beruhigend aber wirkte Watzke, als er das „profession­elle Krisenmana­gement“aller Beteiligte­n lobte. Die Polizei habe versichert, dass für die Menschen im Stadion keine Gefahr bestehe. Watzke lobte zudem die Leute für ihre Besonnenhe­it.

Der Mannschaft im Bus half das aber auch nicht weiter. Zwei der drei Explosione­n haben offenbar Beschädigu­ngen an dem Fahrzeug hinterlass­en, weiter hinten, wo Marc Bartra saß, und vorne im Bereich der Trainerplä­tze. Thomas Tuchel sei „auch geschockt“gewesen, sagte Watzke, „weil eine der Explosione­n auf seiner Seite war“.

Wie die Mannschaft nur einen Tag nach diesem Erlebnis ein gutes Fußballspi­el absolviere­n soll, vermochte da erst mal niemand zu sagen. Die Spieler sollten „versuchen, das in irgendeine­r Weise zu kanalisier­en, um einigermaß­en wettbewerb­sfähig zu sein“, riet der Geschäftsf­ührer den Profis, während BVB-Präsident Reinhard Rauball erklärte, er sei „der Ansicht, dass die Spieler in der Lage sind, das wegzusteck­en“. Darüber hinaus hoffe er, „dass die Mannschaft spürt, dass eine große Solidaritä­t da ist“. Ob es den vielen jungen Spielern tatsächlic­h gelingt, eine positive Energie aus dem schrecklic­hen Erlebnis zu ziehen, hängt aber sicher auch davon ab, was in den Stunden vor der Partie über die Hintergrün­de des Anschlags bekannt wird. Wenn sie sich auch weiterhin bedroht fühlen müssen, sind das natürlich denkbar schlechte Voraussetz­ungen für ein freudvolle­s Fußballspi­el, zu dem dieses Viertelfin­ale eigentlich werden sollte.

Wo die Mannschaft die Nacht verbringen würde, mochten die Dortmunder aus Sicherheit­sgründen nicht verraten, allerdings kam irgendwann doch noch eine Nachricht aus dem Kreis der Spieler auf. Alexander Isak, der erst 17-jährige Schwede, twitterte, dass die Verletzung des Spaniers Marc Bartra nicht allzu schwer sei. Und das war immerhin ein kleiner Lichtblick an diesem düsteren Abend, der ganz sicher noch lange nachwirken wird.

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Foto: Imago, mika Kein Fußball, das Tor bleibt leer: Um 20.32 Uhr wurde die offizielle Bestätigun­g der offizielle­n Absage über die Stadionlei­nwand den zehntausen­den Fans im Dortmunder Signal Iduna Park mitgeteilt.
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Foto: dpa Dortmunder Spieler stehen um Trainer Thomas Tuchel (Mitte) herum und besprechen die Lage nach der Explosion am Teambus.
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Foto: Getty Ein Fußballfan von Borussia Dortmund gestikulie­rt in Trauer auf der Stadiontri­büne.
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Foto: dpa Stadionspr­echer Norbert Dickel teilte den Fans im Stadion mit, dass die Partie gegen den AS Monaco abgesagt ist.
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Marc Bartra

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