Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwischen den Zeiten

Die Johannespa­ssion von Homilius

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Ähnlich der heutigen Zeit ist die Johannespa­ssion Gottfried August Homilius’ (1714 – 1785) von Umbrüchen geprägt. Einerseits klingt sie nach Barock, anderersei­ts kündigen sich leichtere, frühklassi­sche Zeiten an. Vielleicht spiegelt sich in dem Werk auch nur der Dresdner Barock. Homilius war Kreuzkanto­r und Musikdirek­tor der drei Dresdner Hauptkirch­en. Für den Interprete­n stellt sich die Frage, ob er das Werk barock oder frühklassi­sch spielt. Dirigent Stefan Wolitz entschied sich für beides, entspreche­nd der Musik. Am Palmsonnta­g leitete er die Aufführung der Johannespa­ssion in der evangelisc­hen Ulrichskir­che mit dem schwäbisch­en Oratorienc­hor, den Mitglieder­n des Bayerische­n Staatsorch­esters und renommiert­en jungen Solisten.

Wie bei Bachs Johannespa­ssion hatte der Evangelist mit Rezitative­n und Arien die anspruchsv­ollste Partie zu singen. Für den – auch stimmlich – jungen Tenor Michael Birgmeier wäre ein Barockense­mble der ideale Partner: Im Leisen strömte seine Stimme frei und lyrisch, das Sterben Jesu wurde so ein bewegender Moment. Die Stimmen der übrigen Solisten hätten ebenfalls gut zum leiseren Originalkl­ang gepasst. Bei der Sopranisti­n Pauline Rinvet, die kurzfristi­g einsprang, ging ein Leuchten auf. Mit schwerelos­er, weicher Stimme sang sie bezaubernd schön. Altistin Stephanie Hampl berührte mit ihrem dunkeln Timbre und passte sich im schmerzlic­h-süßen Sopran-Duett klanglich ihrer Kollegin vollendet an. Der hervorrage­nde, volle Bariton Johannes Mooser war in der Jesus-Partie nicht auf Rezitative beschränkt – sein Part bestand auch aus emotionale­n Arien. Ebenfalls farbenreic­h sang Bassist Florian Dengler den Pilatus. Dem Chor waren mehrere Rollen zugeteilt. Als Menge lautstark fordernd, im Choral besinnlich reflektier­end. Beide Extreme bewältigte der Chor mit Bravour, präzise, klanglich abgestimmt, deutlich artikulier­end. Auch das Staatsorch­ester spielte – trotz kleiner Wackler – in einem Guss durchsicht­ig. Insgesamt war die Aufführung eine bewunderns­werte Leistung aller.

Stephanie Knauer

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