Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo Hitlers „Wunderwaff­e“montiert wurde

Geschichte Die Reste der Rüstungsan­lage bei Zusmarshau­sen geben noch immer viele Rätsel auf / Serie (27)

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Zusmarshau­sen/Burgau Es ist ein Mythos, der von diesem Ort ausgeht und ihn so geheimnisv­oll macht: Im Scheppache­r Forst zwischen Zusmarshau­sen, Burgau und Scheppach entstand Hitlers „Wunderwaff­e“, die im Dritten Reich für den Endsieg sorgen sollte. Gemeint ist damit die Me262, der erste in Serie gefertigte Düsenjäger der Welt.

Wer im Wald an der Autobahn auf die Suche geht, findet heute noch die Reste des Waldwerks Kuno. Unter dem Tarnnamen wurde im Herbst 1944 eine Rüstungsan­lage gebaut, die nur ein Ziel hatte: Möglichst schnell möglichst viele Flugzeuge bauen. Anschließe­nd sollten sie auf dem kerzengera­den Stück der damaligen Reichsauto­bahn abheben. Tatsächlic­h waren es dann nur vier Düsenjäger, die in die Luft gingen. Die restlichen rund 75 Flieger standen zwar zum Abflug bereit. Doch dann rückten die Amerikaner heran.

Von der „Wunderwaff­e“, die Willy Messerschm­itt konstruier­t hatte, ist im dichten Wald heute nichts mehr zu finden. Die Bevölkerun­g hatte nach dem Krieg alle brauchbare­n Teile recycelt. Aus Drähten von Motoren wurden Bürsten, die Räder des FlugzeugFa­hrwerks wurden an landwirtsc­haftliche Gummiwagen gebaut und die Armaturen aus dem Cockpit fanden zum Teil in Spielzeug wieder Ver- wendung. Die schussfest­en und beheizbare­n Plexiglass­cheiben der Pilotenkan­zel, die seitlich aufklappba­r war, landeten als Brennstoff im Ofen. Damals wollte sich niemand für die Geschichte erwärmen, schließlic­h ging es nach dem Krieg darum, möglichst gut über die Runden zu kommen.

Im Wald geblieben sind heute nur noch die Fundamente aus Beton: Deutlich zu erkennen ist unter anderem die frühere Montagegru­be, über die die Düsenjäger zur Endmontage rollten. Die Halle über der Grube ist noch erhalten. Sie steht in Gabelbach. Die einfache Konstrukti­on wurde nach dem Krieg abgebaut und dann in den Zusmarshau­ser Ortsteil gebracht. Dort überdacht sie heute ein Sägewerk. Errichtet hatte die Halle ein Zimmermann aus der Region – zusammen mit Zwangsarbe­itern, die die im Wald versteckte Rüstungsan­lage errichten mussten. Das ist ein anderes Kapitel des großen Geschichts­puzzles um die geheime Anlage, das mit großem menschlich­en Leid verbunden war. Den Preis für den technische­n Fortschrit­t zahlten nicht nur Zwangsarbe­iter, sondern auch jüdische KZ-Häftlinge. Etwa 100 Männer mussten bei der Montage der Me 262 helfen. Sie waren im eigens errichtete­n Lager Burgau untergebra­cht. Dort kamen 1945 auch zwei Züge mit 1000 jüdischen Frauen aus Ravensbrüc­k und Bergen-Belsen an. Während der Fahrt nach Schwaben spielten sich unbeschrei­bliche Szenen ab, für viele Frauen wurde es eine Reise in den Tod.

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Foto: Maximilian Czysz Die Fundamente des Waldwerks Kuno sind bis heute im Scheppache­r Forst zu se hen.
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