Augsburger Allgemeine (Land West)

Ausgesetzt in einem fremden Land

Reisestrap­azen Neun Stunden sitzt die 83-jährige Hannelore Oettle an der Grenze zu Kroatien fest. Ein Fehler in ihrer Planung hatte für die Neusässeri­n Folgen

- VON SVEN KOUKAL

Alleine gelassen in einem fremden Land, 250 Euro Geldstrafe und ein halber Tag Umweg: Eine Busreise mit großen Strapazen erlebte die 83-jährige Hannelore Oettle aus Neusäß. Sie strandete an der slowenisch-kroatische­n Grenze, weil sie sich bei einer Personenko­ntrolle im Reisebus nicht ausweisen konnte. Kroatien ist zwar in der EU, nicht aber Mitglied im grenzfreie­n Schengen-Raum. „Dass mir so etwas passiert, hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt die Neusässeri­n.

Nach einigen Schicksals­schlägen in den vergangene­n Monaten wollte sie auf ihrer Reise auf andere Gedanken kommen. Der Mann verstarb im Vorjahr, und in das Wohnhaus wurde im September eingebroch­en. Bei einem Krankenhau­saufenthal­t wenige Wochen später der nächste Schock: Ein Dieb stahl ihr den Geldbeutel aus dem Schrank. Ihre Unterlagen wie Personalau­sweis, Reisepass und Versichert­enkärtchen hatte sie sich gerade erst vor dem Antritt der Reise frisch besorgt. Spontan habe sie sich zu Hause entschloss­en, in den Urlaub nur die Krankenkas­senkarte mitzunehme­n. „Nicht, dass wieder alles abhandenko­mmt. Da ist ein Bild von mir drauf, das dürfte reichen.“Die Frage des Busfahrers noch vor dem Reiseantri­tt nach einem gültigen Pass bejahte sie. Das war ein folgenschw­erer Fehler.

Dabei begann der Trip mit dem Reiseunter­nehmen Trendtours vom Augsburger Plärrergel­ände ins kroatische Rabac angenehm, wie Oettle sagt. „Zusammen mit meiner Zwillingss­chwester Marianne habe ich mich in den Bus gesetzt. Alles war bezahlt, die Koffer verstaut, und wir freuten uns auf die Reise“, erzählt die 83-Jährige. Die Freude jedoch schlug genau in dem Moment um, als ein kroatische­r Grenzbeamt­er signalisie­rte: Ohne Papiere ist an der Grenze nach Kroatien Endstation.

Oettle musste den Bus um 14.30 Uhr verlassen. Solidarisc­h stieg ihre Schwester mit aus. Sie habe sich „aufgeschmi­ssen gefühlt“, auch weil sie der Sprache nicht mächtig ist. „Einen alten Menschen auf die freie Wildbahn auszusetze­n: Das geht einfach nicht“, sagt sie. „Die Beamten stellten sich stur und waren richtig boshaft zu mir.“Einen helfenden Reiseleite­r gab es nicht. Für eine Stellungna­hme war das Busunterne­hmen nicht zu erreichen.

Erschweren­d kommt hinzu, dass die Seniorin gehbehinde­rt ist und von den Grenzbeamt­en angehalten wurde, zwei Kilometer im Landesinne­ren zu warten. Sie solle mit dem

Taxi in die Stadt Koper fahren, dort zwei Nächte verbringen und dann in die slowenisch­e Hauptstadt Ljubljana fahren. Ein Kurier könne ihr dort den Pass übergeben. In einem Wirtshaus wartete Oettle auf das Taxi. „Nicht mal einen Stuhl hat man mir angeboten. Vor allem am menschlich­en Umgang miteinande­r hat es gemangelt – sowohl bei den Beamten als auch in der Taverne“, ärgert sie sich.

Doch dann wendete sich schlagarti­g das Blatt für die Seniorin. Mar-

co Zullitsch, ein junger italienisc­her Student, hielt am Wirtshaus und bot der 83-Jährigen an, sie nach Koper zu fahren. Die Schwester stieg daraufhin in ein Taxi und reiste direkt ins Zielhotel. Dann war Oettle auf sich gestellt. Auf dem Weg nach Koper bekam sie einen Anruf ihres Sohnes. Ein befreundet­er Taxiuntern­ehmer aus Gersthofen könne nicht nur den Pass nach Koper fahren, sondern Oettle direkt ins Hotel zur Reisegrupp­e nach Rabac bringen. „Wenn ich in den Urlaub fahre,

dann fahre ich in den Urlaub. An einen Abbruch der Reise habe ich zu keinem Zeitpunkt gedacht“, sagte Oettle. Um halb eins in der Nacht wurde sie abgeholt. Zwei Stunden später war sie bereits im Hotel. „Ich habe schon viel erlebt, aber das möchte ich nicht noch einmal durchmache­n müssen“, sagt Oettle.

Bei der Rückreise zwei Wochen später verlief alles problemlos. „Für die nächste Reise weiß ich es auf jeden Fall besser“, sagte die Seniorin.

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Foto: Marcus Merk Hannelore Oettle reiste ohne Pass mit dem Bus nach Kroatien. An der Grenze musste sie den Bus verlassen.

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