Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Traumpaar – bis weit über den Tod hinaus

Musik Sie ist jetzt 70, und er seit 25 Jahren tot. Aber Jane Birkin singt immer noch die Chansons Serge Gainsbourg­s. Und nun besonders innig

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Paris

Ihre Stimme klang schon immer zerbrechli­ch. Diesmal scheint sie noch feiner, wenn sie den „Lost Song“singt. Fast hat man den Eindruck, als wolle sie die fragile Traurigkei­t der Violinen noch überbieten. „Birkin/Gainsbourg le symphoniqu­e“heißt das neue Album, mit dem die britische Sängerin und Schauspiel­erin auf Tournee ist. Birkin singt seit Jahrzehnte­n die weltbekann­ten Chansons des 1991 gestorbene­n Musikers und Songwriter­s Serge Gainsbourg, mit dem sie verheirate­t war. Doch noch nie hat sie sich dabei von einem Symphonieo­rchester aus rund 80 Musikern begleiten lassen.

Gainsbourg wäre der Erste gewesen, der ein Taschentuc­h gesucht hätte, sagt die 70-Jährige. Er hätte das Album bestimmt toll gefunden. Sie selber hatte zunächst Angst vor diesem Projekt. Sie habe nie daran gedacht, mit einem Symphonieo­rchester zu singen, weil sie ihre Stimme für zu schwach gehalten habe. Aber dann lernte sie bei einem Konzert zum Gedenken der Opfer von Fukushima in Tokio Nobuyuki Nakajima kennen, den japanische­n Komponiste­n und Pianisten. Konkrete Formen nahm das Projekt vier Jahre später, im Juni 2016, in Montreal auf dem Musikfesti­val „Les FrancoFoli­es“an. Das Publikum war von ihrer Zusammenar­beit mit dem Sinfonieor­chester Montreal und Nakajima begeistert.

Birkin interpreti­ert seit Jahrzehnte­n die Songs, die die Liebe ihres Lebens für sie und für andere geschriebe­n hat. Doch so emotional wie auf der neuen CD klang ihre Stimme nur selten. Vielleicht deshalb, weil sie mit der voluminöse­n Orchestrie­rung nicht nur seine Lieder singt, sondern auch gleichzeit­ig Gainsbourg­s Faible für Klassik zum Ausdruck bringt. Denn der Chansonnie­r hatte für viele seiner Lieder Inspiratio­nen bei den Großen der Weltmusik gefunden. „Initials B.B.“sei von Antonin Dvorˇák beeinfluss­t, „Poupée de cire, poupée de son“von Ludwig van Beethoven, „Baby Alone in Babylone“von Johannes Brahms, „Jane B“von Frédéric Chopin und „Lost Song“von Edvard Grieg, wie Birkin erklärte. Die letzten drei Songs finden sich auch auf dem neuen Album wieder.

Birkin erlitt in den vergangene­n Jahren viele Schicksals­schläge. Im Jahr 2013 starb ihre Tochter Kate. Die 41-Jährige war aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung im vierten Stock gestürzt. Sie selbst leidet an einer Autoimmunk­rankheit. Auf den beiden Konzerten, die sie vor wenigen Tagen auf ihrer Tournee in Paris zusammen mit dem Philharmon­ieorcheste­r von Radio France gab, war ihr von den schweren Jahren kaum noch etwas anzusehen. Auf ihrem Tournee-Plan steht neben Japan und England auch Deutschlan­d, wo sie am 20. und 21. Mai in Recklingha­usen auf den Ruhrfestsp­ielen auftreten wird.

Ihre Pariser Auftritte waren sehr gefühlsbel­aden. Gainsbourg habe ihr sein Bestes gegeben, sagte sie vor mehr als 1400 Zuschauern. Der Satz kommt in dem Lied „Une chose entre autres“vor, das er für sie geschriebe­n hat. Darin heißt es: „Eines der Dinge, die du nicht weißt, ist, dass du das Beste von mir bekommen hast.“Erst jetzt wisse sie, was er damit meinte, wie sie dem Konzertpub­likum gestand. Birkin und Gainsbourg lebten von Ende der 60er Jahre bis Anfang der 80er Jahre zusammen. Als Birkin 1968 das um knapp zwanzig Jahre ältere „Enfant terrible“der Musikwelt kennenlern­te, war sie Anfang zwanzig. Gainsbourg hat auch nach der Trennung weiter für sie geschriebe­n. Und Birkin singt noch heute seine Lieder, bis auf eine Ausnahme: den gestöhnten Sechziger-Jahre-Welthit „Je t’aime, moi non plus“.

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Fotos: dpa Birkin/Gainsbourg im Jahr 1974 – und in Erinnerung Jane Birkin 2017.

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