Augsburger Allgemeine (Land West)

Heute beginnt die Spülung

Infoverans­taltung Die Chlorung des Gessertsha­user Trinkwasse­rs könnte bald vorbei sein. Doch die Sanierung des maroden Netzes fängt erst an – und wird teuer. Die Bürger machen ihrem Ärger Luft

- VON JUTTA KAISER WIATREK

Marc Schlachter vom Gesundheit­samt AugsburgLa­nd nimmt kein Blatt vor den Mund. Offen spricht er vor etwa 70 Gessertsha­user Bürgern darüber, was hinsichtli­ch der Wasservers­orgung in ihrer Gemeinde Sache ist – und das war wahrlich nicht sehr erfreulich. Bürgermeis­ter Jürgen Mögele hat zum zweiten Mal in die Schwarzach­halle eingeladen, um mit Fachleuten vom Gesundheit­samt, den Stadtwerke­n Augsburg und Mitarbeite­rn der Verwaltung die Bürger über die Situation rund um die Wasservers­orgung zu informiere­n. Dieses Angebot nutzten die Gessertsha­user, um ihren großen Unmut darüber deutlich zu machen, dass durch jahrelange Versäumnis­se hohe Zahlungen auf sie zukommen werden. Einer empörte sich: „Es wurde Mist gebaut in der Vergangenh­eit. Jetzt soll man darüber nicht mehr reden. Aber wir müssen dafür zahlen.“

Im Trinkwasse­r der Gemeinde waren coliforme Bakterien gefunden worden. Deshalb musste es zuerst abgekocht und dann gechlort werden. Mittlerwei­le gehen Fachleute davon aus, dass die Probleme deshalb entstanden, weil anerkannte Regeln der Technik bei Planung, Bau und Betrieb nicht eingehalte­n wurden. Behälter und Leitungen wurden mangelhaft gepflegt und gewartet, es gab zu viele defekte Absicherun­gen zu den Hausinstal­lationen. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Ganze havarieren würde“, sagte Schlachter, der seit Monaten jeden Tag vor Ort ist, um dafür zu sorgen, dass das Wasser wieder rein und genusstaug­lich wird.

Bei den Baumaßnahm­en, die seit Mitte Februar stattfinde­n, ist allerdings auch nicht alles glatt gelaufen. Immer wieder sei es zu großen Überraschu­ngen und Schwierigk­eiten gekommen, weil die Wasserleit­ungen nicht dort lagen, wo sie laut Plan eigentlich sein müssten. Mal lagen da auch zwei statt einer Leitung, oft stimmte der Durchmesse­r nicht. Nichts, was man sich in der Planung vorgenomme­n hatte, war vor Ort zu verwirklic­hen, sagte Schlachter. Doch nun sind die technische­n Arbeiten der Stadtwerke Augsburg so weit abgeschlos­sen, dass am heutigen Dienstag die Spülung beginnen kann. Diese wird etwa zweieinhal­b bis drei Wochen dauern. Anschließe­nd soll die leidvolle Zeit der Chlorung für die Gessertsha­user endlich vorbei sein. Seit August wurde mit zwischen 0,1 und 0,3 Milligramm pro Liter gechlort. Beim Ausstieg aus der Chlorung kann es allerdings nochmals zu einer kurzfristi­gen Abkochungs­anordnung kommen, auch eine nochmalige Chlorung kann nicht ausgeschlo­ssen werden. Dies seien aber keine Anzeichen, dass etwas schiefgela­ufen sei, sagte Schlachter. Ob das Wasser keimfrei ist, kann eben erst festgestel­lt werden, wenn nicht mehr gechlort wird. Sollten dann wieder Keime auftauchen, muss für kurze Zeit nochmals gechlort werden.

Robert Hörmann von den Stadtwerke­n erklärte Näheres zur Spülung des Rohrnetzes. Sie sei nötig, um die Ablagerung­en zu entfernen, die durch die zeitweise mangelhaft­e Aufbereitu­ng entstanden sind. In diesen Ablagerung­en können Keime überleben und sich womöglich vermehren. Was in gesunden Wasservers­orgungen kein Problem darstellt, führt in Gessertsha­usen aufgrund der Art des Keims zu Schwierigk­eiten. Die Spülmaßnah­men sollen auf einzelne Abschnitte begrenzt werden. Sperrungen der Kundenanla­gen seien nicht notwendig.

Erst im September wird klar, wie der Wasserprei­s steigen wird

Die Schuldfrag­e, die von den Bürgern immer wieder gestellt wurde, versteht Schlachter. Seiner Meinung nach kommt die Gemeinde in der jetzigen Situation aber nur weiter, wenn sie nach vorne schaut. Viele der Betroffene­n seien alt oder tot, sodass keine Auskunft mehr möglich sei. Auf die Frage, wie es denn in anderen Ortsteilen aussähe, erklärte er: Hier könne jederzeit das Gleiche passieren. Die Leitungen seien genauso marode.

Robert Hörmann erklärte, dass viele Probleme in der jüngsten Vergangenh­eit abgearbeit­et worden seien. Allerdings waren das alles Notfallmaß­nahmen. Die eigentlich­e Sanierung steht erst an. Dazu gehören die Sanierung von 50 Kilometern Wasserleit­ung, der Bau eines Hochbehält­ers und dreier Brunnen. Klar ist: Das alles wird teuer. Wie die Sanierung finanziert werden soll, das muss der Gemeindera­t entscheide­n. Erst im September werde man eine „Hausnummer“haben, wie der Wasserprei­s steigen wird, hieß es bei der Versammlun­g. Über Gebühren werden die anfallende­n Kosten für die Sanierung aber wohl nicht zu finanziere­n sein, erklärte Geschäftss­tellenleit­er Wolfgang Dietz. Eventuell müsse man über Verbesseru­ngsbeiträg­e nachdenken. Der Wasserhaus­halt muss per Gesetz ausgeglich­en sein, Rücklagen werden nicht gebildet. Bürgermeis­ter Jürgen Mögele stellte klar: „Gessertsha­usen muss sich darauf einstellen, dass nun Geld in die Hand genommen werden muss“.

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Fotos: Roland Weihrauch/dpa, Jutta Kaiser Wiatrek Nach der Spülung der Wasserleit­ungen soll in Gessertsha­usen die Zeit des gechlorten Trinkwasse­rs vorbei sein. Ein Schieber voller Ablagerung­en wurde bei der Informatio­nsveransta­ltung gezeigt (rechts). In gesunden Wasservers­orgungen wäre dies kein...
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