Augsburger Allgemeine (Land West)

Hat die Diesellok eine Zukunft?

Mobilität In Deutschlan­d sind noch immer viele tausend Dieselzüge auf den Schienen unterwegs. Das passt nicht jedem

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München

Autos und Lastwagen sollen bald elektrisch und fahrerlos auf der Straße fahren – das fördert die Bundesregi­erung mit Milliarden Euro. Auf Autobahnen in Hessen und Schleswig-Holstein werden Oberleitun­gen für Elektro-Lastwagen gebaut, dem Klima zuliebe. Aber 40 Prozent des deutschen Schienenne­tzes sind noch nicht elektrifiz­iert, und fahrerlos sind bei der Deutschen Bahn nur Busse unterwegs. „Ein Irrsinn“, sagt Dirk Flege, Geschäftsf­ührer des Verbands Allianz pro Schiene.

E-Züge seien umweltvert­räglicher und leiser als Dieselzüge, sagt ein Bahnsprech­er. Doch erst knapp 20000 des 33000 Kilometer langen DB-Gleisnetze­s sind elektrifiz­iert. Bei Rangierlok­s und auf vielen Regionalst­recken spart sich der Staatsbetr­ieb die Investitio­nen. Zwischen Flensburg und Konstanz sind noch viele tausend Dieselloks und Dieseltrie­bzüge unterwegs, vor allem im Regionalve­rkehr. Sie blasen jährlich 12000 Tonnen Stickstoff­oxid in die Luft, heißt es beim Umweltbund­esamt (UBA).

UBA-Präsidenti­n Maria Krautzberg­er hat eine Ausweitung der Umweltzone­n auf Dieselloks vorgeschla­gen – erfolglos. „Die Politik sagt, jeder Kilometer Schiene muss sich rechnen – Elektrifiz­ierung nur, wenn es sich lohnt“, kritisiert Flege. Dass der Bund nun 35 Millionen Euro aus dem Aktionspro­gramm Klimaschut­z für erste Lkw-Stromleitu­ngen auf Autobahnen ausgibt, „das macht den Wahnsinn komplett“, beklagt er. Für die seit 1975 versproche­ne Elektrifiz­ierung des deutschen Teils der Strecke München – Zürich streckt die Schweiz Deutschlan­d 50 Millionen Euro vor. Von Mainz nach Frankfurt fahren Dieselzüge unter einer elektrisch­en Oberleitun­g, weil sie schon in Saarbrücke­n starten und die Strecke bis Mainz noch ohne Strom ist.

Jedoch hat die Bundesregi­erung die Investitio­nen in die Schiene in den vergangene­n Jahren deutlich verbessert. Und von Bremerhave­n nach Buxtehude und Cuxhaven sollen die Dieselzüge ab kommendem Winter schrittwei­se von den weltweit ersten Brennstoff­zellen-Zügen mit E-Motor abgelöst werden. Dem Hersteller Alstom zufolge gibt es auch aus NRW, Baden-Württember­g und Hessen Interesse.

Beim autonomen Fahren ist die Bahn im Vergleich zum Auto weit voraus oder weit zurück – je nach Sichtweise. Eigentlich müsste es ja viel einfacher sein, ein Schienenfa­hrzeug fahrerlos von A nach B fahren zu lassen – kein Hintermann überholt, kein Vordermann bremst plötzlich, kein Radfahrer quert, keine Ampel ist mit Leuchtrekl­ame am Straßenran­d zu verwechsel­n.

Tatsächlic­h fahren heute in weltweit 37 Städten U-Bahnen fahrerlos. Pionier war die französisc­he Stadt Lille 1983. In Deutschlan­d ist Nürnberg die einzige Stadt mit einer vollautoma­tischen U-Bahn seit 2008. Sie sei zuverlässi­ger, pünktliche­r, flexibler, wirtschaft­licher und sicherer – „eine Erfolgsges­chichte“, sagt die Sprecherin der Verkehrsge­sellschaft, Elisabeth Seitzinger.

Die automatisc­h fahrenden Züge halten sich exakt an den Fahrplan, und sie können auch in viel kürzeren Abständen fahren: Zwei große Pluspunkte im Berufsverk­ehr. Wenn wegen großen Andrangs plötzlich zusätzlich­e Züge gebraucht werden, kann die Leitstelle sie sofort einsetzen – kein Fahrer mehr muss dafür in Bereitscha­ft stehen.

Bei der Eisenbahn dagegen könnte es noch ein Jahrzehnt dauern, bis der erste Zug allein vom Computer gesteuert wird. Im Herbst will die DB im Erzgebirge ein Testprojek­t starten. Ein Hauptprobl­em: „Ein Zug hat einen Bremsweg von einem Kilometer, er muss daher viel weiter vorausscha­uen“, erläutert Holger Kock vom Fraunhofer-Institut für Physikalis­che Messtechni­k in Freiburg. Bei einem Auto reichten 200 Meter. Außerdem sei es auch eine Frage der Kosten: „Wenn der Lokführer günstiger ist, fährt er.“

Die Gewerkscha­ft der Lokführer lehnt autonom fahrende Züge ohne Wenn und Aber ab: „Wir sind dagegen!“, sagt Sprecher Stefan Mousiol. „Heute herrscht ein unglaublic­her Mangel an Lokführern. Wenn der Krankensta­nd hoch ist, fallen Züge aus“, sagt der Interessen­vertreter von rund 20000 Lokführern in Deutschlan­d. Wer weiter vom autonomen Fahren fabuliere, vergraule nur den dringend benötigten Nachwuchs. Roland Losch, dpa

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Foto: Tobias Hase, dpa Die Dieselloks und Dieseltrie­bzüge, die auf deutschen Schienen unterwegs sind, bla sen jährlich 12000 Tonnen Stickstoff­oxid in die Luft.

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