Augsburger Allgemeine (Land West)

Feuer entfacht Sturm der Entrüstung

Brauchtum Beim Jaudusfeue­r in Thierhaupt­en hängt eine Strohpuppe auf dem Holzturm, die einen Helm mit der Aufschrift „Behindert“trägt. Der Bürgermeis­ter fürchtet, dass der Brauch in Verruf gerät

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Thierhaupt­en/Langenneuf­nach

Es ist ein Brauch in Bayern, am Abend vor Ostern ein großes Feuer zu entzünden und eine Stroh- oder Holzpuppe zu verbrennen. Auch in Thierhaupt­en im Landkreis Augsburg sollte eine Puppe beim Jaudusfeue­r lodern. Was für Entrüstung sorgt: Sie hatte einen gelben Bauarbeite­rhelm auf dem Kopf, auf dem das Wort „Behindert“stand. Der frühere Kreisheima­tpfleger und Historiker Walter Pötzl schüttelt den Kopf: „Das ist völlig daneben. Das ist nicht brauchtums­gemäß.“

Wer der Puppe den Helm aufgesetzt hatte, lässt sich im Nachhinein wohl nicht mehr klären. Einer der beiden jungen Männer, die die Organisati­on des Jaudusfeue­rs in die Hand genommen hatten, will nicht dabei gewesen sein, als die Puppe auf dem 15 Meter hohen Turm festgemach­t wurde. Thierhaupt­ens Bürgermeis­ter Anton Brugger, der seit seiner Kindheit das Feuer auf dem Kreuzberg kennt und begleitet, bedauert den Vorfall. „Das ist unschön. Der traditione­lle Brauch gerät damit in Verruf.“Die Verunglimp­fung führe dazu, das noch mehr Verbote ausgesproc­hen werden müssten. Mit dem Feuer und seiner Symbolik werde im Ort ein ganz anderes Ziel verfolgt: Es soll die Gemeinscha­ft unter den Jugendlich­en fördern und dann ein „schönes Ereignis“für Thierhaupt­en sein. Brugger lobt die Jugendlich­en im Ort: „Sie fallen durch ihren Gemeinscha­ftssinn und ihren Zusammenha­lt auf.“Warum der Strohpuppe der Helm mit der Aufschrift aufgesetzt wurde, kann er sich nicht erklären. Ein Verantwort­licher der Feuerwehr, die am Abend und während der Nacht für Sicherheit gesorgt hatte, zieht die Konsequenz: In Zukunft müsse noch genauer hingeschau­t werden.

Mehr als 70 Stunden hatten die Burschen in die Vorbereitu­ng inves- tiert. Seit Februar war die 15-köpfige Truppe jeden Samstag in den Wald aufgebroch­en, um dort mit der Axt dünnes Stangenhol­z und Totholz zu schlagen. Damit stapelten die Jugendlich­en einen 15 Meter hohen Turm. Außerdem stopften sie eine Puppe mit Stroh aus. Nach dem Brauch müssen sich junge Männer aus dem Ort um das Jaudusfeue­r kümmern, die in diesem Jahr ihren 18. Geburtstag feiern. Weil sich zunächst niemand für die Aufgabe fand, stand das Jaudusfeue­r auf der Kippe. Erst im Januar erklärten sich zwei Burschen mit ihren Freunden bereit, den Brauch fortzusetz­en. Die jungen Thierhaupt­ener wollten unbedingt verhindern, dass das Feuer ausfällt. Und damit vielleicht keine Zukunft mehr hat.

Kritik am Funken-Brauchtum gibt es immer wieder. Vor einem Monat äußerten Leser ihren Unmut über das Scheibenfe­uer in Langenneuf­nach. Das Feuer werde zu einem Spektakel, bei dem sichtbar eine Strohpuppe brennt, die an Hexen auf Scheiterha­ufen erinnert. Langenneuf­nachs Bürgermeis­ter Josef Böck erklärte: „Brauchtum muss bleiben. Die Gemeinde findet Brauchtum gut und wünscht sich, dass er aufrechter­halten bleibt.“Böck hielt die Reaktionen für übertriebe­n. „Man sollte die Kirche doch bitte im Dorf lassen. Wenn bald jedes Brauchtum infrage gestellt wird, dann gute Nacht.“

Die Hexe, die in Langenneuf­nach beim Scheibenfe­uer verbrannt wird, symbolisie­re den Winter. Und mit dem soll Schluss gemacht werden. Böck: „Nur das allein steht im Vordergrun­d. Dass es in der Geschichte auch düstere Kapitel gab, steht außer Frage.“

Nach dem Mittelalte­r herrschten im Augsburger Land raue Sitten: Wer der Hexerei bezichtigt war, wurde gequält und auf einem Scheiterha­ufen verbrannt. Am meisten Menschen litten in Schwabmünc­hen, dort wurden von 63 Verdächtig­ten 32 verurteilt.

Mehr als 70 Stunden hatten die Burschen in die Vorbereitu­ng gesteckt

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Foto: Andreas Lode Nach etwa 20 Minuten sackte beim Thierhaupt­ener Jaudusfeue­r der Turm aus Stangen und Gestrüpp zusammen. Unter dem Holz lag die Strohpuppe mit dem gelben Helm.

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