Augsburger Allgemeine (Land West)
Feuer entfacht Sturm der Entrüstung
Brauchtum Beim Jaudusfeuer in Thierhaupten hängt eine Strohpuppe auf dem Holzturm, die einen Helm mit der Aufschrift „Behindert“trägt. Der Bürgermeister fürchtet, dass der Brauch in Verruf gerät
Thierhaupten/Langenneufnach
Es ist ein Brauch in Bayern, am Abend vor Ostern ein großes Feuer zu entzünden und eine Stroh- oder Holzpuppe zu verbrennen. Auch in Thierhaupten im Landkreis Augsburg sollte eine Puppe beim Jaudusfeuer lodern. Was für Entrüstung sorgt: Sie hatte einen gelben Bauarbeiterhelm auf dem Kopf, auf dem das Wort „Behindert“stand. Der frühere Kreisheimatpfleger und Historiker Walter Pötzl schüttelt den Kopf: „Das ist völlig daneben. Das ist nicht brauchtumsgemäß.“
Wer der Puppe den Helm aufgesetzt hatte, lässt sich im Nachhinein wohl nicht mehr klären. Einer der beiden jungen Männer, die die Organisation des Jaudusfeuers in die Hand genommen hatten, will nicht dabei gewesen sein, als die Puppe auf dem 15 Meter hohen Turm festgemacht wurde. Thierhauptens Bürgermeister Anton Brugger, der seit seiner Kindheit das Feuer auf dem Kreuzberg kennt und begleitet, bedauert den Vorfall. „Das ist unschön. Der traditionelle Brauch gerät damit in Verruf.“Die Verunglimpfung führe dazu, das noch mehr Verbote ausgesprochen werden müssten. Mit dem Feuer und seiner Symbolik werde im Ort ein ganz anderes Ziel verfolgt: Es soll die Gemeinschaft unter den Jugendlichen fördern und dann ein „schönes Ereignis“für Thierhaupten sein. Brugger lobt die Jugendlichen im Ort: „Sie fallen durch ihren Gemeinschaftssinn und ihren Zusammenhalt auf.“Warum der Strohpuppe der Helm mit der Aufschrift aufgesetzt wurde, kann er sich nicht erklären. Ein Verantwortlicher der Feuerwehr, die am Abend und während der Nacht für Sicherheit gesorgt hatte, zieht die Konsequenz: In Zukunft müsse noch genauer hingeschaut werden.
Mehr als 70 Stunden hatten die Burschen in die Vorbereitung inves- tiert. Seit Februar war die 15-köpfige Truppe jeden Samstag in den Wald aufgebrochen, um dort mit der Axt dünnes Stangenholz und Totholz zu schlagen. Damit stapelten die Jugendlichen einen 15 Meter hohen Turm. Außerdem stopften sie eine Puppe mit Stroh aus. Nach dem Brauch müssen sich junge Männer aus dem Ort um das Jaudusfeuer kümmern, die in diesem Jahr ihren 18. Geburtstag feiern. Weil sich zunächst niemand für die Aufgabe fand, stand das Jaudusfeuer auf der Kippe. Erst im Januar erklärten sich zwei Burschen mit ihren Freunden bereit, den Brauch fortzusetzen. Die jungen Thierhauptener wollten unbedingt verhindern, dass das Feuer ausfällt. Und damit vielleicht keine Zukunft mehr hat.
Kritik am Funken-Brauchtum gibt es immer wieder. Vor einem Monat äußerten Leser ihren Unmut über das Scheibenfeuer in Langenneufnach. Das Feuer werde zu einem Spektakel, bei dem sichtbar eine Strohpuppe brennt, die an Hexen auf Scheiterhaufen erinnert. Langenneufnachs Bürgermeister Josef Böck erklärte: „Brauchtum muss bleiben. Die Gemeinde findet Brauchtum gut und wünscht sich, dass er aufrechterhalten bleibt.“Böck hielt die Reaktionen für übertrieben. „Man sollte die Kirche doch bitte im Dorf lassen. Wenn bald jedes Brauchtum infrage gestellt wird, dann gute Nacht.“
Die Hexe, die in Langenneufnach beim Scheibenfeuer verbrannt wird, symbolisiere den Winter. Und mit dem soll Schluss gemacht werden. Böck: „Nur das allein steht im Vordergrund. Dass es in der Geschichte auch düstere Kapitel gab, steht außer Frage.“
Nach dem Mittelalter herrschten im Augsburger Land raue Sitten: Wer der Hexerei bezichtigt war, wurde gequält und auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Am meisten Menschen litten in Schwabmünchen, dort wurden von 63 Verdächtigten 32 verurteilt.
Mehr als 70 Stunden hatten die Burschen in die Vorbereitung gesteckt