Augsburger Allgemeine (Land West)

Von wo aus führte Jakob Fugger sein Imperium?

Geschichte Der Bankier und Kaufmann residierte in einer „Goldenen Schreibstu­be“. Was davon übrig ist / Serie (28)

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg

Von wo aus führt ein erfolgreic­her Kaufmann und Bankier seine Geschäfte? Wie mag wohl ein Büro aussehen, über das Handel getrieben wird mit Ländern in ganz Europa? Für die heutige Zeit kann man sich ein solches Büro noch recht gut vorstellen: groß, hell, vielleicht ein Kunstwerk an der Wand. Aber im 15. und 16. Jahrhunder­t? Nun, auch Jakob Fugger residierte – davon kann man ausgehen – feudal. Nicht umsonst wird sein früheres Büro bis heute die „Goldene Schreibstu­be“genannt. Wie sie ausgesehen hat, ist dank eines Gemäldes überliefer­t: Es zeigt Fugger mit seinem Buchhalter Matthäus Schwartz, der vor dicken Büchern an einem hölzernen Tisch sitzt. Dahinter ein Schrank mit Schubladen, auf der Front jeder steht der Name einer anderen Handelsver­tretung: Venedig, Rom, Innsbruck...

Von Luxus ist auf diesem Bildaussch­nitt wenig zu sehen, wenngleich die Bauweise und die Ausstattun­g wohl von hoher Qualität waren. Sicher weiß man aber über die Lage jener Goldenen Schreibstu­be Bescheid: Sie befand sich im heutigen Mettlochgä­ßchen, einem schmalen Durchgang zwischen Philippine-Welserund Annastraße mitten in der Augsburger Innenstadt. Golden allerdings ist dort nichts mehr: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schreibstu­be als Erker wiederherg­estellt – eine bloße Erinnerung an einer Häuserfass­ade. Der Raum dahinter hat mit Fugger nichts mehr zu tun.

Ab 1512 baute die Familie Fugger die Gebäude am Weinmarkt (heute Maximilian­straße 36) um. Wie Jakob Fugger diese Räume nutzte, wo also welches Zimmer lag, ist nur teilweise überliefer­t. Franz Karg, Leiter des Fugger’schen Familienun­d Stiftungsa­rchivs, geht aber davon aus, dass Fuggers Büro nicht weit davon gelegen haben dürfte – nämlich im Innenberei­ch von Hausnummer 36. Der heute als „Fuggerhäus­er“bekannte Komplex an der Augsburger Maximilian­straße entstand dagegen erst nach dem Tod Jakob Fuggers. Sein Nachfolger Anton Fugger gab in den Jahren 1533 bis 1539 außerdem viel Geld für den Bau einer Schreibstu­be hin zum heutigen Apothekerg­äßchen aus. Die Büroräume seines Onkels Jakob Fugger übernahm er nicht.

Über die Jahre gab es, abgesehen von der berühmten Goldenen Schreibstu­be am Rindermark­t, wohl mehrere „Büros“. Archivar Franz Karg nennt die „Gemeine Fuggersche Schreibstu­be“, die sich im zweiten Stock des Hauses in der Maximilian­straße 36 befand – mit Blick zum Zeughaus. Im Nachbarhau­s gab es ebenfalls ein „Schreibstü­blin“. Aber es verwundert ja auch nicht: Wer ein weltweit agierendes Unternehme­n führt, kommt nicht nur mit einem Büro aus.

So bleibt heute nur, über die Geschäftst­üchtigkeit der Familie Fugger zu staunen – auch wenn die Details über ihre Schreibstu­ben für immer ein Geheimnis bleiben werden.

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Foto: Sabrina Schatz Über die Goldene Schreibstu­be erfahren die Besucher im Fugger und Welser Mu seum im Augsburger Domviertel.
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55 rätselhaft­e Orte

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