Augsburger Allgemeine (Land West)
Verdacht: Frau verblutet nach Vergewaltigung
Verbrechen Bei der Zwangsräumung eines Apartments in der Jakobervorstadt entdecken Beamte eine Frauenleiche. Der 56-jährige Mieter behauptet, er habe den Tod der Freundin nicht bemerkt. Was ist in der Wohnung geschehen?
Dass diese Zwangsräumung unangenehm werden könnte, hatte die Gerichtsvollzieherin schon befürchtet. Deshalb hatte sie sich auch Verstärkung von der Polizei geholt, als sie am 15. Februar ein Ein-ZimmerApartment in einem Mietshaus in der Jakobervorstadt aufsuchte. Rainer M.*, 56, ein polizeibekannter Trinker, sollte an diesem Tag aus der Wohnung raus. Doch was die Gerichtsvollzieherin und die Polizeibeamten in dem Apartment im dritten Stock erwartete, das überstieg auch ihre Vorstellungskraft.
Rainer M. war an diesem Vormittag zu Hause. Er öffnete den Besuchern die Tür, als sie gegen neun Uhr klingelten. In der völlig vermüllten Wohnung entdeckten die Gerichtsvollzieherin und die Beamten eine leblose Frau. Sie lag auf einer Matratze am Boden. Offensichtlich tot. Das viele Blut deutete darauf hin, dass sie verblutet sein könnte. Die Polizisten alarmierten sofort den Notarzt. Doch der konnte nichts mehr tun. Er stellte den Tod der Frau fest. Die Beamten nahmen Rainer M. sofort fest.
Die Pressestelle der Polizei meldete den Fall nicht. Es war zunächst offenbar nicht klar, was sich in dem abgespielt hatte. Zunächst gingen die Ermittler demnach von einem Fall von unterlassener Hilfeleistung aus. Die Obduktion der toten Frau in der Rechtsmedizin in München hatte ergeben, dass die 46-Jährige durch Sexpraktiken schwer verletzt worden ist und an den Folgen dieser Verletzungen starb. Doch war der Sex einvernehmlich? Und hatte der Mann überhaupt bemerkt, wie stark die Frau verletzt war? Er war betrunken, bei seiner Festnahme hatte er mehr als 1,6 Promille Alkohol im Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass Rainer M. die Frau in der Wohnung vergewaltigt hat. Sie soll eine Freundin von ihm gewesen sein und ihn hin und wieder besucht haben. Womöglich, so der Verdacht, nutzte er es aus, dass auch die Frau betrunken war.
Die 46-Jährige, eine gebürtige Kenianerin, galt ebenfalls als Trinkerin. Sie lebte in Augsburg bei ihrer Schwester. Sie soll den Ermittlungen zufolge in der Wohnung verblutet sein – in den Stunden, bevor die Gerichtsvollzieherin mit der PoApartment lizei anrückte. Rainer M. sitzt inzwischen wegen des Verdachts der Vergewaltigung mit Todesfolge in einer Zelle des Gablinger Gefängnisses in Untersuchungshaft. Anfangs soll er behauptet haben, die Freundin habe schon seit einiger Zeit Blut gespuckt. Er habe ihr deshalb geraten, zu einem Arzt zu gehen. Zudem soll er angegeben haben, die 46-jährige Frau sei schwanger gewesen und habe eine Fehlgeburt erlitten. Erkenntnisse, dass die Frau tatsächlich schwanger war, haben die Ermittler aber offensichtlich nicht.
Rainer M. war wohl in der Wohnung, als die Frau starb. Das Apartment ist klein. Es gibt neben einem Zimmer nur ein kleines Bad und einen Balkon. Als die Gerichtsvollzieherin und die beiden Polizisten die Wohnung betraten und auf die Tote stießen, lagen viele blutverschmierte Lappen und Papiertücher herum. Das deutet darauf hin, dass dem 56-Jährigen die Verletzungen eigentlich nicht entgangen sein konnten, er aber keine Hilfe holte.
Rainer M. hatte den Beamten zunächst gesagt, er habe noch am Morgen, gegen 7.30 Uhr, mit der Freundin gesprochen. Ihr sei kalt gewesen, deshalb habe er der bis dahin nackten Frau ihre Kleidung angezogen. Danach habe er sich wieder schlafen gelegt. Er habe nicht geBlut. merkt, dass sie gestorben sei. Kommt es wie erwartet zu einem Prozess, dann wird eine Frage sein, ob der 56-jährige Suchtkranke, der unter Betreuung steht, bei der Tat schuldfähig war. Ein Sachverständiger wird dazu seine Einschätzung abgeben. Gilt ein Täter als schuldfähig, so muss er in solchen Fällen mit mindestens zehn Jahren Haft rechnen. Sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe kann bei einer Vergewaltigung mit Todesfolge von den Gerichten verhängt werden.
An der hölzernen Wohnungstür in dem Haus in der Paracelsusstraße