Augsburger Allgemeine (Land West)

Händler fühlen sich durch die Stadt gegängelt

Innenstadt Mal ist die Werbung zu groß, mal sind Bänke vor der Ladentür plötzlich nicht mehr erlaubt. Wer in Augsburg ein Geschäft betreibt, sieht sich mit strengen Regeln konfrontie­rt – mit Folgen auch für die Bürger

- VON INA KRESSE »Kommentar

Schöne Geschäfte machen eine Stadt lebenswert, aber nicht immer haben Behörden und Geschäftsl­eute dieselbe Vorstellun­g von Werbung und Außengesta­ltung. Im Fall des Schokolade­ngeschäfts „Hallingers“führte das nun zu einer Geschäftsa­ufgabe: Die Inhaber der gleichnami­gen „Genuss Manufaktur“ärgerten sich so über die Stadt, dass sie ihre Filiale am Perlachber­g schlossen und nach München gingen. Auch andere Einzelhänd­ler klagen.

Patrick und Karin Hallinger betreiben seit 2011 die „Hallingers Genuss Manufaktur“mit zwei Filialen in Landsberg. Weitere Geschäfte kamen in Bad Wörishofen und Kaufbeuren hinzu. Dann folgte Augsburg. Dort verkauften sie Schokolade, Pralinen und Tees am Rathauspla­tz. Nach einem Shop-inShop-Prinzip hatten sie beim Möbelanbie­ter Boconcept ihre eigene Verkaufsfl­äche. Die Produkte kamen so gut an, dass sie bald einen eigenen Laden eröffneten: am Perlachber­g 5. Damit begann der Ärger. Laut Karin Hallinger hatten sie ihr Firmenlogo in den Farben Anthrazit und Pink in das Schaufenst­er geklebt – so wie in ihren anderen Filialen auch. „Doch der Stadt war das Logo zu groß und zu pink“, sagt die Unternehme­rin. Auch bei Aktionen, die im Schaufenst­er beworben wurden, hätten sie Briefe von der Stadt erhalten. Den Chocolatie­rs verging die Lust auf ihre Filiale in der Fuggerstad­t. Stattdesse­n wollen sie jetzt in München ihr Geschäft ausbauen.

Wo aber lag eigentlich das Problem? Das Gebäude am Perlachber­g befindet sich im Bereich des denkmalges­chützten Ensembles Altstadt Augsburg. „Veränderun­gen am Äußeren der Gebäude, damit auch die Anbringung von Fensterbek­lebung, sind nach dem Denkmalsch­utzgesetz erlaubnisp­flichtig“, erklärt Baureferen­t Gerd Merkle. Im Fall Hallinger habe es keine Genehmigun­g gegeben. Das Geschäft sei gebeten worden, die Beklebung zu ändern. „Die Firma entfernte daraufhin sogar mehr von der Beklebung, als gefordert wurde.“Grundsätzl­ich werde im Einzelfall von der Unteren Denkmalsch­utzbehörde versucht, mit den Betroffene­n einen Konsens herzustell­en. Das ist auch das Ziel von Wolfgang Puff vom Einzelhand­elsverband. Er empfiehlt Geschäftsl­euten, beim Verband Rat zu suchen, wenn es Unstimmigk­eiten gibt. „Unsere Aufgabe ist es, Kontakt zu den Behörden aufzunehme­n. Es sollte immer eine Lösung im Vordergrun­d stehen.“Puff weiß um die Schwierigk­eit des Themas auch aus anderen Städten. „Hier kollidiere­n Freizügigk­eit mit Disziplin, die auch sein muss. Denkmalsch­utz ist immer schwierig, weil es hier keine objektiven Beurteilun­gsrichtlin­ien gibt.“Die Schaufenst­erwerbung Hallinger sei wohl auch eine subjektive Bewertung gewesen.

Karin Hoschek, die am Perlachber­g in ihrem Geschäft „Sisento“italienisc­he Schuhe verkauft, würde auch gerne einen großen Schriftzug im Schaufenst­er anbringen, weiß aber, dass sie nicht darf. „Wir haben keine Möglichkei­t, aufzufalle­n, von oben am Berg sieht uns kein Mensch.“Die Einzelhänd­lerin wünscht sich von der Stadt mehr Unterstütz­ung. „Wir wollen die Stadt doch beleben.“Das will auch Agnès Derivery, die seit fünf Jahren ihre Chocolater­ie „Bitter Süß“führt. Ihre Kunden sitzen gerne an den beiden Tischen vor dem kleinen Geschäft am Holbeinpla­tz, trinken Kaffee und genießen die Idylle der Altstadt. Für die Tische und die weißen Holzbänke hat Derivery eine Genehmigun­g. Doch dann kam vergangene­n Oktober ein Schreiben der Stadt, dass bankartige Sitzgelege­nheiten nicht mehr erlaubt seien.

„Ich wurde plötzlich als Gastwirtin betrachtet, dabei habe ich nur einen Schokolade­nladen. Es sieht doch jeder, dass ich keine Bierbänke habe.“Die Französin ließ die Sitzgelege­nheiten stehen. „Vor ein paar Wochen bekam ich wieder ein Schreiben mit der Info, dass auf mich nun eine Strafzahlu­ng zukommen wird.“Derzeit sei sie in Verhandlun­g mit der Stadt. „Da will man es in der Altstadt schön machen und man hat nur Probleme.“Die Einzelhänd­lerin ärgert sich. Für ein kleines Tischchen, auf dem zu Deko-Zwecken eine Pflanze stand, musste sie bereits 350 Euro Strafe zahlen, „weil es laut Stadt eine unangemeld­ete Sitzgelege­nheit war.“

Auch die Betreiberi­nnen der gegenüberl­iegenden Mode- und Kosmetik-Boutique „Salz des Lebens“, Petra Schütze und Inge Viel-Steller, fühlen sich am Geschäft gehindert. Sie dürfen ihre Schaufenst­erpuppe nicht vor den Ladeneinga­ng stellen. Generell muss für alles, was auf öffentlich­er Fläche aufgestell­t wird, eine Erlaubnis zur Straßenson­dernutzung beantragt werden. Die Behörde richtet sich dann nach den vom Stadtplanu­ngsamt erarbeitet­en Gestaltung­srichtlini­en für die Innenstadt beziehungs­weise nach der vom Tiefbauamt erlassenen Straßenson­dernutzung­ssatzung.

Laut Wolfgang Puff sei es kritisch, wenn Gegenständ­e auf Gehwegen Raum einnehmen. Aber an einer Hauswand sollte das nicht so eng gesehen werden. „In Augsburg ist man da eher genau.“Im Allgäu gebe es Städte, die die Gratwander­ung gut bewältigte­n. Nachdem das Geschäft der Hallingers am Perlachber­g über Wochen hinweg leer stand, tut sich dort nun etwas: Noch ist die Ladentür geschlosse­n, das Schaufenst­er ist mit vielen Plakaten zugeklebt. Es wird eine „Handyklini­k“angekündig­t.

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Hallinger Dort, wo bis vor kurzem noch ein Schokolade­ngeschäft war, soll nun eine „Handyklini­k“einziehen. Wie die Schaufenst­er und Außenberei­che von Geschäften gestaltet werden dürfen, sorgt oft für Diskussion­en zwischen Händlern und Stadt.
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An dieser Schaufenst­ergestaltu­ng ent zündete sich eine Debatte.

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