Augsburger Allgemeine (Land West)

Von der Kaffeemühl­e zur Kaffeekaps­el

Sonderauss­tellung Das Schwäbisch­e Volkskunde­museum widmet sich bis September dem Thema „Sparen, Verschwend­en, Wiederverw­enden“. Es zeigt darin, dass Recycling früher sogar mehr gepflegt wurde als heute

- VON GERALD LINDNER

Oberschöne­nfeld

Recycling ist ein relativ neues Wort. Dabei war es bis vor nicht allzu langer Zeit üblich, Dinge zu reparieren oder in anderer Funktion wiederzuve­rwenden. Die neue Sonderauss­tellung „Sparen, Verschwend­en, Wiederverw­enden. Vom Wert der Dinge“im Schwäbisch­en Volkskunde­museum Oberschöne­nfeld widmet sich diesem Thema. Bis zum 10. September wird dort anschaulic­h gezeigt, wie sich die Lebensweis­e der Menschen von der jahrhunder­telang gepflegten Sparsamkei­t zur Wegwerfges­ellschaft entwickelt hat. Bei diesem umfassende­n Themenkomp­lex hat sich Ausstellun­gsmacherin Dorothee Pesch mit ihren Kollegen vor al- lem auf die letzten Jahrzehnte konzentrie­rt, in denen die Umwälzunge­n besonders gravierend waren. „Heute leben wir in einer Überflussg­esellschaf­t, in der Haushalte in immer kürzeren Zeitabstän­den Hausrat und Kleidung verbrauche­n und Lebensmitt­el oft achtlos entsorgen“, so Dorothee Pesch.

Sie zeigt in der Ausstellun­g Beispiele, wie in früheren Zeiten Gegenständ­e wiederverw­endet wurden. So landeten beim Abriss eines Hauses gerettete und gesäuberte Ziegel oftmals wieder in den Mauern von Neubauten. Vielen noch bekannt sind die Fleckerlte­ppiche, die aus Stoffreste­n gefertigt wurden. Ein Webstuhl mit begonnenem Teppich ist zentral aufgestell­t. In Zeiten sparsam vorhandene­r Mittel war der Einfallsre­ichtum umso größer: Zu sehen sind etwa Küchensieb­e, die erst bei ganz genauem Hinsehen verraten, dass es sich bei ihnen um umfunktion­ierte Stahlhelme aus Armeebestä­nden handelt.

Auch wenn das „Wirtschaft­swunder“begann, war bis weit in die 50er-Jahre hinein noch Sparsamkei­t angesagt. Heute kaum noch zu sehen sind geflickte Kleidungss­tücke – wenn, dann sind dies meist moderne Jeans, die aus Modegründe­n künstlich zerschliss­en und geflickt werden. Nicht zuletzt durch die stetig wachsende Verbreitun­g von Kunststoff­en in allen Lebensbere­ichen änderte sich das. Beispiele aus der Region sind etwa Kleidungss­tücke der einstigen Firma Trevira sowie Blusen aus Nylon oder Perlon. Beliebtes Material für Telefonapp­arate oder Radios und Stromschal­ter war der Kunststoff Bakelit.

Anderersei­ts wird gut erhaltene Kleidung aus Altkleider­containern weiterverk­auft, der Rest wird zu Putzlumpen oder Dämmmateri­al verarbeite­t. Weil uns heutzutage Dinge aus einem riesigen Angebot scheinbar grenzenlos und auch grenzenlos günstig zur Verfügung stehen, hat die Wertschätz­ung abgenommen, die diesen Gebrauchsg­ütern oder Lebensmitt­eln entgegenge­bracht wird. So landen inzwischen viele Lebensmitt­el im Müll, die eigentlich gebrauchsf­ähig wären. Hatte ein Supermarkt um 1950 noch circa 1400 Produkte zur Auswahl, sind es heute je nach Marktgröße mehr als 20 000. Die Folge: Es entsteht immer mehr Müll, der entsorgt werden muss und der die Umwelt belastet. Anschaulic­h haben Studenten zusammenge­stellt, wie viel Müll eine durchschni­ttliche Familie produziert. Dem gegenüber gestellt wird die deutlich geringere Abfallmeng­e, die bei einem bewussten Verzicht auf aufwendig verpackte Waren zurückblei­bt. Anschaulic­h verdeutlic­ht wird das mithilfe der Kombinatio­n einer alten KurbelKaff­eemühle mit Kaffeekaps­eln moderner Automaten. O bis zum 10. September je weils Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10 bis 17 Uhr.

Öffnungsze­iten

 ??  ?? Plastiktüt­en, Umverpacku­ngen, Zigaretten­filter – heute fällt viel mehr Verpackung­s müll an als früher – mit Folgen für die Umwelt.
Plastiktüt­en, Umverpacku­ngen, Zigaretten­filter – heute fällt viel mehr Verpackung­s müll an als früher – mit Folgen für die Umwelt.
 ??  ?? Obst und Gemüse gab’s früher nicht das ganze Jahr über im Supermarkt. Durch Ein kochen oder „Einwecken“wurde es haltbar gemacht und schmeckte noch im Winter.
Obst und Gemüse gab’s früher nicht das ganze Jahr über im Supermarkt. Durch Ein kochen oder „Einwecken“wurde es haltbar gemacht und schmeckte noch im Winter.
 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Wenn Luxusartik­el, wie Kaffee, sehr teuer oder rar waren, schuf man sich Ersatz: Aus Augsburg beispielsw­eise kam Quieta „Muckefuck“.
Fotos: Marcus Merk Wenn Luxusartik­el, wie Kaffee, sehr teuer oder rar waren, schuf man sich Ersatz: Aus Augsburg beispielsw­eise kam Quieta „Muckefuck“.
 ??  ?? Als man mit begrenzten Mitteln noch „haushalten“musste, entstanden Hilfsmitte­l, die den Hausfrauen die Arbeit erleichter­n sollten.
Als man mit begrenzten Mitteln noch „haushalten“musste, entstanden Hilfsmitte­l, die den Hausfrauen die Arbeit erleichter­n sollten.
 ??  ?? Mit der Erfindung des Kunststoff­s Bakelit wurden Elektroger­äte, wie dieses Telefon, massenprod­uktionstau­glich.
Mit der Erfindung des Kunststoff­s Bakelit wurden Elektroger­äte, wie dieses Telefon, massenprod­uktionstau­glich.
 ??  ?? Aufwendige Verpackung­en wie Kaffeekaps­eln produziere­n eine Menge Müll, der wie derentsorg­t werden muss und die Umwelt belastet.
Aufwendige Verpackung­en wie Kaffeekaps­eln produziere­n eine Menge Müll, der wie derentsorg­t werden muss und die Umwelt belastet.
 ??  ?? Im historisch­en Gebäudekom­plex des ehemaligen Oberschöne­nfelder Klostergut­s (Gebäudekom­plex rechts) geht es um ein höchst modernes Thema.
Im historisch­en Gebäudekom­plex des ehemaligen Oberschöne­nfelder Klostergut­s (Gebäudekom­plex rechts) geht es um ein höchst modernes Thema.
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