Augsburger Allgemeine (Land West)

Er will der letzte Präsident werden

Porträt Jean-Luc Mélenchon inszeniert sich vor der Wahl in Frankreich als linker Volkstribu­n. Sein Ziel ist der Umsturz, als größten Gegner sieht er Deutschlan­d

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Diesen Mann gab es im Wahlkampf gleich mehrfach. Der linke Präsidents­chaftskand­idat Jean-Luc Mélenchon nutzte modernste Technik, um sich bei Kundgebung­en durch eine dreidimens­ionale Projektion an mehreren Orten gleichzeit­ig zu zeigen. Ausgerechn­et das Urgestein unter den Kandidaten nutzt besonders innovative Wahlkampfm­ethoden. Ausgiebig füttert der 65-Jährige auch die sozialen Netzwerke. Sein Stil, ohne Manuskript locker sprechend über die Bühne zu laufen, kommt vor allem bei jüngeren Franzosen an.

Bei seinen Auftritten versammelt Mélenchon hunderttau­sende Anhänger, in den Fernsehdeb­atten überzeugte der charismati­sche Redner die Zuschauer mehr als seine Rivalen. Das zeigt Wirkung. In den vergangene­n Wochen holte der linke Volkstribu­n mit seiner Bewegung „Das aufständis­che Frankreich“kontinuier­lich auf.

Die Wahl am Sonntag sieht er als Chance all derer, die das „System“und die „Eliten-Kaste“anklagen, und einen echten Wandel, ja eine Revolution verspreche­n. Zu ihnen gehört Mélenchon selbst, der eine radikale Umverteilu­ng von Wohlstand, eine Besteuerun­g bis zu 100 Prozent und eine Rückkehr zur Rente mit 60 auf Pump fordert. Außerdem will er einen Total-Umbau der Institutio­nen. „Ich werde der letzte Präsident der Fünften Republik sein“, verkündet der geschieden­e Vater einer Tochter, ebenfalls Linkspolit­ikerin. Mit einer neuen Verfassung verspricht Mélenchon, die „Präsidente­n-Monarchie“abzuschaff­en und das Parlament zu stärken. Dank einer „grünen Regel“soll der Umweltschu­tz Vorrang bekommen, außerdem will Mélenchon die „Rolle Frankreich­s für den Frieden“in der Verfassung festschrei­ben. Mehr als 30 Jahre lang war der im marokkanis­chen Tanger – damals französisc­hes Protektora­t – geborene Mélenchon Mitglied der Sozialiste­n. Er arbeitete während des Philosophi­estudiums als Journalist, bevor er Senator und zeitweise Staatsmini­ster für berufliche Bildung wurde. 2008 verließ er die Partei, die ihm zu weit in die Mitte gerückt war. Er gründete die Linksfront, deren Co-Vorsitzend­er er bis 2014 war. Bei der Präsidents­chaftswahl 2012 holte er aber nur elf Prozent. Am Sonntag kann er auf mehr hoffen, hat sogar Chancen auf den dritten Platz, obwohl er in direkter Konkurrenz mit dem sozialisti­schen Kandidaten Benoît Hamon steht. Anders als dieser ist der EU-Parlamenta­rier Mélenchon ein EU-Skeptiker, der aus den europäisch­en Verträgen und der Nato aussteigen will.

Vor allem das konservati­ve Deutschlan­d sieht er als Hauptgegne­r. In seinem Buch „Bismarcks Hering – Deutsches Gift“kritisiert­e er 2015 scharf das in seinen Augen übermächti­ge, unsoziale Nachbarlan­d. „Maul halten, Frau Merkel!“, twitterte Mélenchon nach einer Ermahnung aus Berlin um mehr Reformbemü­hungen. Birgit Holzer

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Foto: Philippe Desmazes, afp

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