Augsburger Allgemeine (Land West)
Aus der Katastrophe gelernt
Lawinen 1965 starben an der Zugspitze zehn Menschen durch ein Schneebrett. Seit 50 Jahren gibt es den Warndienst
München Eigentlich sah es schon nach Frühling aus. Doch jetzt ist der Winter zurück. In den höheren Lagen der Alpen ist viel Schnee gefallen. Die Lawinengefahr ist auf Stufe drei („erheblich“) gestiegen. Noch bis Mitte Mai gibt der bayerische Lawinenwarndienst täglich einen aktuellen Lagebericht heraus. Für Skitourengeher und Liftbetreiber ist dessen Lektüre ein Muss. Und das seit 50 Jahren. Denn genau so lange gibt es einen täglichen Lagebericht des Lawinenwarndienstes, der zum Landesamt für Umwelt gehört. Seit es die Lawinenwarnzentrale gibt, habe es im überwachten Raum – also auf Verkehrswegen und Pisten – keinen einzigen Lawinentoten mehr gegeben, berichtet WarndienstChef Hans Konetschny.
Es war der 15. Mai 1965. Gegen Mittag hatte sich an der Zugspitze ein riesiges Schneebrett gelöst und war als gigantische Lawine über das Schneefernerhaus – damals ein Hotel – gedonnert. Auf der Sonnenterrasse starben sieben Hotelgäste, zwei Tote wurden in den Trümmern einer Seilbahn entdeckt, einer der insgesamt 17 Verletzten starb später im Krankenhaus. Nach dem Willen der Staatsregierung sollten aus der Katastrophe auf Deutschlands höchstem Berg Konsequenzen gezogen werden: 1967 wurde die Lawinenwarnzentrale für die bayerischen Alpen gegründet.
Jeden Morgen um 7.30 Uhr gibt es seitdem einen aktuellen Lagebericht. Fachleute beurteilen die Lawinengefahr vom Allgäu bis ins Berchtesgadener Land. Unter anderem geht es um den Schneedeckenaufbau, Neuschneemengen sowie den Einfluss des Windes und der Temperaturen auf die Schneedecke.
Außerdem betreibt die Lawinenwarnzentrale 20 automatisierte Stationen in den Bergen. Im Allgäu gibt es Messstellen auf Hochgrat, Fellhorn, Nebelhorn und auf dem Tegelberg, der bereits zu den Ammergauer Bergen gehört. Neu ist seit diesem Winter eine Messstation nahe der Schwarzenberghütte oberhalb des Hintersteiner Tals (Oberallgäu) auf 1355 Metern Höhe. Die Anlage hat 30 000 Euro gekostet. Die Lawinenwarnzentrale bietet seit diesem Winter einen verbesserten Service für Schneesportler. Zusätzlich zum täglich aktualisierten Lawinenlagebericht am Morgen gibt es jetzt bereits am Vorabend um 17.30 Uhr eine Prognose für die Lawinengefahr am Folgetag. Damit solle Wintersportlern wie Touren- oder Schneeschuhgehern eine Orientierungshilfe bei der Tourenplanung an die Hand gegeben werden, sagt Thomas Feistl, stellvertretender Leiter der bayerischen Lawinenwarnzentrale.
Die Prognose für den Folgetag basiert auf 20 Nachmittagsbeobachtungen im bayerischen Alpenraum. Geliefert werden diese Informationen von fachkundigen Beobachtern, die täglich in den Bergen unterwegs sind. An den amtlichen Schneemessfeldern graben zudem ehrenamtliche Helfer und Mitwirkende der Skiwacht 14-tägig Schneeprofile. Sie dienen dem Vergleich der Schneedeckensituation. Zudem gibt es in vielen alpennahen Orten Lawinenkommissionen. Rund 350 Ehrenamtliche beraten Kommunen, wenn Sperrungen wegen Lawinengefahr erwogen werden.