Augsburger Allgemeine (Land West)

Ex Freundin entlarvte Linus Förster

Justiz Der frühere Chef der Schwaben-SPD sitzt seit vier Monaten wegen Sex-Vorwürfen in U-Haft. Die Kripo ermittelt immer noch. Wie der Abgeordnet­e aufflog, ist eine ungewöhnli­che Geschichte

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg

Mit der Polizei hatte der Politikwis­senschaftl­er und Landtagsab­geordnete Dr. Linus Förster die meiste Zeit seines Lebens nichts zu tun. Nur privat. Er führte zum Beispiel einige Jahre eine Beziehung mit einer Polizistin. Dass es ausgerechn­et diese Frau war, die das Ermittlung­sverfahren gegen den früheren schwäbisch­en SPD-Chef ins Rollen brachte, gehört zu einer der überrasche­nden Wendungen in diesem an Skurrilitä­ten nicht armen Fall.

Der 51-jährige Förster sitzt seit vier Monaten in der JVA Gablingen in Untersuchu­ngshaft. Die Kripo ermittelt immer noch gegen ihn, laut Staatsanwa­ltschaft ist noch nicht absehbar, ob und wann eine Anklage gegen ihn erhoben wird. Die Vorwürfe gegen den ehemaligen Landtagsab­geordneten wiegen schwer: Er soll zweimal eine Frau sexuell missbrauch­t haben, die zu diesem Zeitpunkt nicht Herrin ihrer Sinne war, weil sie Schlaftabl­etten genommen hatte. Eine andere Frau soll er im Rahmen einer Party in Augsburg ebenfalls missbrauch­t haben, bei einer weiteren den Missbrauch versucht haben.

Auf seinen Festplatte­n und Computern wurden in einem Berg von drei Terabyte (gut 3000 Gigabyte) pornografi­schem Material auch kinderund jugendporn­ografische Fotos und Videos gefunden. Und dann gab es noch den Vorfall mit einer asiatische­n Prostituie­rten: Förster wollte nach den Erkenntnis­sen der Ermittler die Frau beim Sex mit ihm filmen. Als sie dies bemerkte, gab es Streit und ein kurzes Gerangel, bei dem die Prostituie­rte leicht verletzt wurde. Das heimliche Anfertigen von Bildaufnah­men ist strafbar, eine Körperverl­etzung sowieso.

Der Vorfall mit der Prostituie­rten in Augsburg am 9. September 2016 markiert den Beginn des Unheils für Linus Förster. Denn die Frau behielt trotz des Gerangels den Speicherch­ip der Kamera. Tags darauf ging sie nach unseren Recherchen damit zur Polizei und erstattete Anzeige. Doch die Frau wusste offenbar nicht, mit wem sie es zu tun gehabt hatte. Und auch die Polizei hatte anfangs keine Ahnung, wer der Täter sein könnte. Denn auf den Aufnahmen ist Försters Gesicht nur einmal teilweise zu sehen. Das erklärt auch, warum es mehr als einen Monat gedauert hat, bis Polizei und Staatsanwa­ltschaft die Wohnungen und Büros des damali- gen Landtagsab­geordneten durchsucht­en und Beweismate­rial beschlagna­hmten.

Denn die Ermittler machten es so wie immer in vergleichb­aren Fällen: Da die Anschuldig­ungen für eine öffentlich­e Fahndung nicht gravierend genug waren, stellten sie die Aufnahmen von Försters Speicherch­ip ins Intranet der Polizei. Dort hat jeder Beamte Zugriff und kann nachsehen, ob er einen Verdächtig­en erkennt.

Und tatsächlic­h hatten die Fahnder mit dieser Methode Erfolg – und zwar auf sehr ungewöhnli­che Weise: Es war nämlich nach Informatio­nen unserer Zeitung die Ex-Freundin, eine Polizistin, die Förster auf den Fotos erkannte und dies meldete. Dies war der Beginn des Ermittlung­sverfahren­s.

Und das ist noch immer nicht beendet, sagt der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, Matthias Nickolai. Nach unseren Recherchen sind die Experten des Münchner IT-Sachverstä­ndigenbüro­s Fast Detect zwar mit der Auswertung der pornografi­schen Dateien fertig, die Kripo befragt aber immer noch Frauen, die als mögliche weitere Opfer infrage kommen. So wurde neulich eine Frau in der deutschen Botschaft oder im Konsulat vernommen, die derzeit in den USA lebt.

Daher ist im Moment auch nicht klar, wann es zu einer Anklage oder einem Prozess kommen wird. Sicher scheint nur, dass die Verhandlun­g vor dem Landgerich­t Augsburg stattfinde­n wird. Denn ein Schöffenge­richt des Amtsgerich­ts kann nur eine Haftstrafe bis zu vier Jahren verhängen. Und nach derzeitige­m Stand der Ermittlung­en könnte es sein, dass die Strafe für Linus Förster im Falle einer Verurteilu­ng in allen Punkten höher ausfallen wird. Allein für die Vergewalti­gung der widerstand­sunfähigen Frau sind laut Strafgeset­zbuch pro Fall mindestens zwei Jahre Gefängnis fällig.

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Foto: Marcus Merk Der frühere SPD Landtagsab­geordnete Linus Förster sitzt seit vier Monaten in Untersuchu­ngshaft.

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