Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Mann, der Gottschalk narrte
Nachruf Bernd Fritz löste einst einen Skandal aus. Weil er sich in „Wetten, dass..?“schmuggelte und Stifte ableckte
Augsburg
Es ist das Jahr 1988 und „Wetten, dass..?“im ZDF Europas größte Unterhaltungsshow. Wer hier auftritt, hat es geschafft; ist ein Star oder, als Wettkandidat, auf dem Weg zum Kurzzeit-Promi. Wie Thomas Rautenberg, der sich damals als Grafiker vorstellte und vorgab, mit dunkler Skibrille vor den Augen die Farben von Buntstiften am Geschmack unterscheiden zu können. Und wie er das konnte!
Millionen sahen fasziniert zu, das Publikum in der Stuttgarter Schleyer-Halle klatschte begeistert. Moderator Thomas Gottschalk war erst erstaunt und staunte dann nicht schlecht, als ihm sein Wettkandidat auf die Frage antwortete, wie er das denn anstelle: „Ich hab’ keine Ahnung, woran man das erkennen könnte ... Ich kann es nicht. Ich heiße auch gar nicht Rautenberg... Ich heiße Bernd Fritz und bin ein unbescholtener Titanic-Redakteur.“
Die Fernseh-Nation war geschockt, der „ZDF-Farbstiftlutscher“hatte einen Skandal ausgelöst. Er hatte das ZDF vorgeführt und „diese Sendung, in der ständig Werbung gemacht wird“, wie er später sagte. Er selbst warb auch in der Show. Für die nächste Ausgabe des Satire-Magazins, dessen Chefredakteur er von 1987 bis 1990 war. In der verriet er seinen simplen Trick: Die Brille saß schief. Die Titanic verkaufte sich bestens.
Noch Jahre danach erzählte Fritz gerne, wie leicht es ihm das ZDF machte. Die „Wetten, dass..?“-Redakteure hätten ja den Hersteller der Buntstifte, Faber-Castell, anrufen können. „Deren Chemiker hätte ihnen sofort gesagt: Man schmeckt nur das Leinöl, das dem Tonmehl beigemischt wird, und das ist bei allen Farben gleich.“Unsere Zeitung fragte nach der Show bei Faber-Castell an. Der Pressesprecher berichtete, dass die Chemiker der Firma und er inzwischen an Stiften gelutscht hätten. Große Geschmacksunterschiede bei den Farben seien ihnen nicht aufgefallen.
Gottschalk nahm Fritz die Mogelei nie übel. Er müsse „traurig zur Kenntnis nehmen, dass sich auch ein Spaßvogel nicht ewig durchmogeln kann“, sagte er der Bild. Fritz, der aus Bechtheim in Rheinland-Pfalz stammte, arbeitete als Journalist unter anderem für das Frankfurter Allgemeine Magazin, den Spiegel oder den Feinschmecker. Am Ostersonntag nahm er sich im Alter von 71 Jahren das Leben. Er und sein Coup werden unvergessen bleiben.