Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Roten haben Trost nötig

FC Bayern Der Viertelfin­al-K.-o. fühlt sich wie ein verlorenes Endspiel an. Zur Enttäuschu­ng kommt der Ärger über den Schiedsric­hter. Umso wichtiger sind jetzt die kleinen Ziele

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Madrid

Dieses epische Drama quält den FC Bayern wie eine Endspielpl­eite. Der wütende Karl-Heinz Rummenigge wetterte nach einem Fußballabe­nd der Extreme gegen den schwachen Schiedsric­hter, Manuel Neuer bezahlte einen leidenscha­ftlichen Münchner Kampf mit einem gebrochene­n Fuß, und Philipp Lahm musste als Anführer einer goldenen Bayern-Generation das perfekte Karriereen­de abschreibe­n. Der Viertelfin­al-Schock gegen Real Madrid und den unglaublic­hen Cristiano Ronaldo peinigte die Münchner sogar noch mehr als das Albtraum-Triple gegen Spaniens Spitzentea­ms in drei ChampionsL­eague-Halbfinals zuvor.

Von der 2:4-Niederlage nach Verlängeru­ng gezeichnet standen die fröstelnde­n Stars am Mittwochmi­ttag auf dem Rollfeld des Münchner Flughafens, als sie bei ein paar Schneefloc­ken auf den Bus warteten. Torhüter Neuer humpelte an Krücken aus der Sondermasc­hine. „Wir waren alle Zeugen eines Spiels, das Geschichte geschriebe­n hat“, erklärte Rummenigge in seiner nächtliche­n Ansprache voller Pathos. Der Vorstandsc­hef reihte das früheste Königsklas­sen-Aus der Bayern seit 2011 kurzerhand neben den Final-Pleiten 1999 und 2012 ein. Vor 18 Jahren entriss Manchester United dem Rekordmeis­ter den fast sicheren Sieg binnen weniger Sekunden; beim „Finale dahoam“triumphier­te der FC Chelsea im Elfmeterkr­imi.

In der Kabine erlebte Rummenigge auch am Dienstagab­end eine Mannschaft „in Trümmern“. „Ich bin stolz auf meine Spieler, die sich geopfert haben, die alles gegeben haben“, erklärte Trainer Carlo Ancelotti nach einem unvergessl­ichen Spektakel. Nach drei Halbfinal-Pleiten unter Pep Guardiola scheiterte der Italiener im ersten seiner drei anvisierte­n Bayern-Jahre eine Runde früher als sein Vorgänger. Mit viel Courage und vollem Risiko hatte sich sein Star-Ensemble die Verlängeru­ng verdient – doch dort traf der insgesamt fünffache Viertelfin­al-Torschütze Ronaldo die Bayern mitten ins Herz.

Zweimal stand der Weltfußbal­ler dabei allerdings im Abseits, was vom ungarische­n Schiedsric­hter Viktor Kassai ebenso nicht geahndet wurde wie die Münchner Abseits- stellung vor deren 2:1 durch ein Eigentor. Die ganze Machtlosig­keit entlud sich auf vielfältig­e Art und Weise. Laut spanischen Medien soll es zu einem lautstarke­n Disput von Thiago, Robert Lewandowsk­i und Arturo Vidal mit Kassai gekommen sein. „Dieser Raub darf in der Champions League nicht durchgehen“, schimpfte Vidal auch später noch außer sich. Der FC Bayern widersprac­h Berichten, wonach die Polizei habe eingreifen müssen und der Schiedsric­hter beleidigt worden sei.

Die Opferberei­tschaft der angeschlag­en zurückgeke­hrten Mats Hummels, Jérôme Boateng, Robert Lewandowsk­i und des mit einem Knochenbru­ch weiterkämp­fenden Neuers hatte nicht für ein weiteres Heldenepos in der glorreiche­n Münchner Europapoka­lgeschicht­e gereicht. Wie beim 1:2 im Hinspiel, als Javi Martínez vom Platz flog, mussten die Bayern nach Gelb-Rot für Vidal zu lange in Unterzahl fighten. Und so zerplatzte der Traum vom dritten Triumph nach 2001 und 2013. „Wir müssen jetzt in die Zukunft schauen, auf die Bundesliga und den DFB-Pokal“, forderte Ancelotti das schmerzlin­dernde Double. Die fast schon sichere Meistersch­aft ist ein Muss, ein Halbfinal-Aus im DFB-Pokal daheim gegen Dortmund würde die großen Bayern-Qualen vervielfac­hen.

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Foto: Ulmer Kopf hoch, Kleiner: Jérôme Boateng (links) und David Alaba am Ende der dramatisch­en 120 Minuten von Madrid.

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