Augsburger Allgemeine (Land West)
Kleine Klaviermaler ganz groß
Kunstprojekt An zehn öffentlichen Orten in Augsburg werden im Mai Pianos stehen. Egal, ob dann jemand darauf spielt oder nicht: Zu bestaunen gibt es auf jeden Fall etwas
Wer wie Brigitte Heintze mehr als 30 Jahre im Künstlergeschäft ist, den überrascht kaum mehr etwas. Doch die Stadt Augsburg schaffte genau das. Bemalt hat die 67-jährige Stadtbergerin schon viele Gegenstände. Ein Klavier aber war nicht dabei. Auf diese Idee wäre die Künstlerin auch gar nicht gekommen. Doch dann hörte sie von dem neuesten Augsburger Kunstprojekt. Wenig später stand ein schlichtes, braunes Piano in ihrem Atelier.
Zehn Klaviere will Augsburg im Mai an öffentlichen Plätzen quer über die Stadt aufstellen. Wer will, kann sich dann hinsetzen, spielen oder einfach nur über die von Künstlern aufwendig verzierten Instrumente staunen. Eines davon wurde von elf Stadtberger Flüchtlingskindern und -eltern bemalt – unter Brigitte Heintzes Anleitung.
Mit jungen Migranten zusammenarbeiten wollte die Künstlerin schon lange. Das Klavierprojekt kam ihr also gerade recht. Heintze bewarb sich und erhielt den Zuschlag. Den Anfang machte die Künstlerin selbst. Sie schliff die Ränder des Klaviers ab und bestrich die Oberfläche mit Mintfarbe. Dann lud sie die Kinder zu sich ins Atelier ein. Ideen hatten diese viele. „Da war es gar nicht so einfach, ein Kunstwerk aus einem Guss zu schaffen“, sagt Heintze. Jetzt ist das Piano fertig. Sein Titel: „Das bunte Frühlingsklavier aus Stadtbergen.“Dementsprechend sprießen grüne Stängel quer über das Instrument, entfalten Blüten ihre ganze Pracht. Auf der Rückseite hat die Trickfilmfigur SpongeBob Platz gefunden, auf der Frontseite mehren sich grüne und rote Herzen.
Weniger bunt kommt das Klavier des Bürgertreffs Hochzoll im Holzerbau daher. Eine eindeutige Botschaft hat es aber allemal: „Tanz mit mir“lautet der Schriftzug über der Tastatur, der wie auch die Rückseite des Klaviers in harmonischen Farbtönen als Mosaik gestaltet ist. Auf dem Klavier schwofen bereits einige drahtige Figuren.
Gestaltet haben das Kunstobjekt Volkshochschuldozentin Inge Lemmerz, Bildhauer Ulrich Sobeck, Künstler Christian Botez und Holzerbau-Chef Gregor Lang. Nach eineinhalb Stunden waren sie sich über den Entwurf im Klaren. Etwas schwieriger war jedoch die Verwirklichung, denn das ins Projekt mit eingebundene Pianohaus gab Folgendes zu bedenken: „Bitte beachten Sie bei der Gestaltung, dass der vordere Teil des Klaviers mit Deckel, Tastenklappe und der Unterrahmen weiterhin entfernbar bleiben müssen, um das Instrument öffnen und stimmen zu können.“Mit einer das berücksichtigenden Bewerbung erhielt Inge Lemmerz bei der Stadt den Zuschlag.
Seine Idee bezeichnet das Künstlerquartett selbst als „witzig, sommerlich, erfrischend“. Man habe auch schon „eine Portion Anfragen von Interessenten, die darauf spielen wollen“. Als erstes war Inge Lemmerz eigener Erzählung nach jedoch mit der Frage konfrontiert, ob die Mosaiksteine dem Piano nicht den Klang nehmen. Sie sagt: Nein. Die Kreativen aus Hochzoll seien froh, wenn sie das Klavier im Holzerbau behalten könnten.
Erst am Tag des Einsendeschlusses setzte Simon Balzat seinen ersten Klavierentwurf auf. Der 17-jährige Schüler des St. Stephan-GymnasiSchwammkopf ums hat gerade auch viel um die Ohren. Bis Ende April muss er sein Klavier verziert haben. Eine Woche darauf beginnen für ihn die Abiturprüfungen.
Balzat will mit seinem Klavier, das er in seiner Garage geparkt hat, eine eindeutige Botschaft senden: Der Klimawandel ist echt und uns läuft langsam die Zeit davon. Sein in schwarzer und blauer Farbe gestrichenes Instrument soll deshalb unter anderem ein Eisbär und eine Uhr zieren.
Bisher hat Balzat vor allem für sich selbst und für seine mehr als 10 000 Abonnenten auf der Internetplattform Instagram gemalt. Bald sehen die Augsburger seine Kunst auch mitten in der Stadt. Einige seiner Mitschüler finden das ganz praktisch. Sie möchten dann auch mal gerne auf dem von ihm gestalteten Klavier spielen, haben sie Balzat schon gesagt.