Augsburger Allgemeine (Land West)

Kleine Klaviermal­er ganz groß

Kunstproje­kt An zehn öffentlich­en Orten in Augsburg werden im Mai Pianos stehen. Egal, ob dann jemand darauf spielt oder nicht: Zu bestaunen gibt es auf jeden Fall etwas

- VON ANDREAS BAUMER UND SILVIA KÄMPF

Wer wie Brigitte Heintze mehr als 30 Jahre im Künstlerge­schäft ist, den überrascht kaum mehr etwas. Doch die Stadt Augsburg schaffte genau das. Bemalt hat die 67-jährige Stadtberge­rin schon viele Gegenständ­e. Ein Klavier aber war nicht dabei. Auf diese Idee wäre die Künstlerin auch gar nicht gekommen. Doch dann hörte sie von dem neuesten Augsburger Kunstproje­kt. Wenig später stand ein schlichtes, braunes Piano in ihrem Atelier.

Zehn Klaviere will Augsburg im Mai an öffentlich­en Plätzen quer über die Stadt aufstellen. Wer will, kann sich dann hinsetzen, spielen oder einfach nur über die von Künstlern aufwendig verzierten Instrument­e staunen. Eines davon wurde von elf Stadtberge­r Flüchtling­skindern und -eltern bemalt – unter Brigitte Heintzes Anleitung.

Mit jungen Migranten zusammenar­beiten wollte die Künstlerin schon lange. Das Klavierpro­jekt kam ihr also gerade recht. Heintze bewarb sich und erhielt den Zuschlag. Den Anfang machte die Künstlerin selbst. Sie schliff die Ränder des Klaviers ab und bestrich die Oberfläche mit Mintfarbe. Dann lud sie die Kinder zu sich ins Atelier ein. Ideen hatten diese viele. „Da war es gar nicht so einfach, ein Kunstwerk aus einem Guss zu schaffen“, sagt Heintze. Jetzt ist das Piano fertig. Sein Titel: „Das bunte Frühlingsk­lavier aus Stadtberge­n.“Dementspre­chend sprießen grüne Stängel quer über das Instrument, entfalten Blüten ihre ganze Pracht. Auf der Rückseite hat die Trickfilmf­igur SpongeBob Platz gefunden, auf der Frontseite mehren sich grüne und rote Herzen.

Weniger bunt kommt das Klavier des Bürgertref­fs Hochzoll im Holzerbau daher. Eine eindeutige Botschaft hat es aber allemal: „Tanz mit mir“lautet der Schriftzug über der Tastatur, der wie auch die Rückseite des Klaviers in harmonisch­en Farbtönen als Mosaik gestaltet ist. Auf dem Klavier schwofen bereits einige drahtige Figuren.

Gestaltet haben das Kunstobjek­t Volkshochs­chuldozent­in Inge Lemmerz, Bildhauer Ulrich Sobeck, Künstler Christian Botez und Holzerbau-Chef Gregor Lang. Nach eineinhalb Stunden waren sie sich über den Entwurf im Klaren. Etwas schwierige­r war jedoch die Verwirklic­hung, denn das ins Projekt mit eingebunde­ne Pianohaus gab Folgendes zu bedenken: „Bitte beachten Sie bei der Gestaltung, dass der vordere Teil des Klaviers mit Deckel, Tastenklap­pe und der Unterrahme­n weiterhin entfernbar bleiben müssen, um das Instrument öffnen und stimmen zu können.“Mit einer das berücksich­tigenden Bewerbung erhielt Inge Lemmerz bei der Stadt den Zuschlag.

Seine Idee bezeichnet das Künstlerqu­artett selbst als „witzig, sommerlich, erfrischen­d“. Man habe auch schon „eine Portion Anfragen von Interessen­ten, die darauf spielen wollen“. Als erstes war Inge Lemmerz eigener Erzählung nach jedoch mit der Frage konfrontie­rt, ob die Mosaikstei­ne dem Piano nicht den Klang nehmen. Sie sagt: Nein. Die Kreativen aus Hochzoll seien froh, wenn sie das Klavier im Holzerbau behalten könnten.

Erst am Tag des Einsendesc­hlusses setzte Simon Balzat seinen ersten Klavierent­wurf auf. Der 17-jährige Schüler des St. Stephan-GymnasiSch­wammkopf ums hat gerade auch viel um die Ohren. Bis Ende April muss er sein Klavier verziert haben. Eine Woche darauf beginnen für ihn die Abiturprüf­ungen.

Balzat will mit seinem Klavier, das er in seiner Garage geparkt hat, eine eindeutige Botschaft senden: Der Klimawande­l ist echt und uns läuft langsam die Zeit davon. Sein in schwarzer und blauer Farbe gestrichen­es Instrument soll deshalb unter anderem ein Eisbär und eine Uhr zieren.

Bisher hat Balzat vor allem für sich selbst und für seine mehr als 10 000 Abonnenten auf der Internetpl­attform Instagram gemalt. Bald sehen die Augsburger seine Kunst auch mitten in der Stadt. Einige seiner Mitschüler finden das ganz praktisch. Sie möchten dann auch mal gerne auf dem von ihm gestaltete­n Klavier spielen, haben sie Balzat schon gesagt.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Gregor Lang, Inge Lemmerz und Ulrich Sobeck (von links) präsentier­ten das Holzer bau Klavier mit Sitzbank und Tänzern.
Foto: Michael Hochgemuth Gregor Lang, Inge Lemmerz und Ulrich Sobeck (von links) präsentier­ten das Holzer bau Klavier mit Sitzbank und Tänzern.

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