Augsburger Allgemeine (Land West)

Hier gehen Polizeihun­de zum Zahnarzt

Porträt Katja Riedel ist eine von nur 15 Fachtierär­ztinnen für Zahnheilku­nde in Deutschlan­d. Polizei, Militär und Rettungsdi­enste vertrauen ihr teure Diensthund­e an. Sie weiß auch, wie man die Zähne eines Zwerghamst­ers behandelt

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Marko ist ein rechter Draufgänge­r. Dreieinhal­b Jahre alt ist der belgische Schäferhun­d, der als Schutzund Sprengstof­fhund bei der Bundespoli­zei seinen Dienst tut. Schon zweimal hat er im Übereifer in ein Absperrgit­ter gebissen, weshalb er jetzt mit heraushäng­ender Zunge auf der Behandlung­sliege von Katja Riedel liegt, die einen abgebroche­nen Fangzahn richtet.

Aus der Schnauze des Hundes ragt ein geriffelte­r Schlauch, mit dem dem Hund ein Anästhetik­um und Sauerstoff gegeben wird, neben ihm steht piepsend ein Überwachun­gsmonitor, auf dem in Kurven Herzschlag, Körpertemp­eratur und weitere Vitalwerte überwacht werden. Das durchdring­ende Geräusch des Zahnarztbo­hrers bekommt Marko nicht mit, er schlummert selig, während sein Zahn geschliffe­n und das Gebiss profession­ell von Zahnstein gereinigt wird.

Katja Riedel ist eine von nur 15 Fachtierär­ztinnen für Zahnheilku­nde in ganz Deutschlan­d. In der Tierarztpr­axis Bergheim richtet sie Zähne von Hunden, Katzen, aber auch kleinen Patienten wie Meerschwei­nchen und Kaninchen. Als ehemalige Leiterin Tierschutz und Diensthund­ewesen bei der Bundeswehr liegt ihre besondere Expertise bei der Behandlung von Einsatzhun­den von Polizei, Bundeswehr und Rettungsdi­ensten.

„Diese Hunde sind wegen ihrer teuren Ausbildung extrem wertvoll und außerdem für ihren Dienst auf ein funktionsf­ähiges Gebiss angewiesen.“Ein fertig ausgebilde­ter Hund kostet schnell einmal 100000 Euro, wie ein Polizeiaus­bilder berichtet. In der Zahnheilku­nde für Tiere hat sich in den letzen Jahren viel getan, weiß Riedel. Vorbei sind die Zeiten, in denen Hunde mit einer Spritze ins Hinterteil schlafen gelegt und dann behandelt wurden. „Eine Zahnbehand­lung ohne Intubation entspricht nicht mehr dem Standard“, so die Zahnärztin. „Bei einem Hund weiß man nie, was einem blüht, wenn man ins Maul schaut.“Ohne Intubation beispielsw­eise wäre es schon mal vorgekomme­n, dass man nach der Behandlung einen Zahn oder Splitter in der Lunge des Patienten gefunden hätte.

Auch die digitale Röntgentec­hnik sei ein großer Fortschrit­t für eine gezielte Behandlung. 60 Prozent der Zahnerkran­kungen seien von außen nicht sichtbar – dabei führten sie oft zu schweren Problemen wie Herz-, Nieren- oder Leberschäd­en. „Tiere zeigen im Gegensatz zu Menschen auch nicht, dass sie Zahnschmer­zen haben, obwohl sie genauso leiden“, sagt Riedel.

Katzen hätten genetisch bedingt häufig Zahnproble­me, doch auch die ganz kleinen Patienten hätten Kummer mit den Zähnen. „Das Kleinste, was ich bisher behandelt habe, war ein Zwerghamst­er – aber mit meiner Lupenbrill­e ist das durchaus machbar“, so die Ärztin.

Allerdings hätten nicht alle Tierärzte eine so umfassende Ausrüstung wie sie in der Bergheimer Praxis vorhanden ist, weshalb viele Kollegen ihr für Zahnbehand­lungen die Patienten überweisen würden. Eine Behandlung, wie man sie sonst nur in einer modernen Humanklini­k vermuten würde, kostet natürlich. Für die Diensthund­e übernimmt der Staat die Kosten – doch auch Privatleut­e geben gerne das Geld aus, damit ihre Lieblinge die bestmöglic­he Zahnbehand­lung bekommen. „Mittlerwei­le gibt es auch sehr gute Krankenver­sicherunge­n für Tiere, die diese Kosten übernehmen“, so Riedel. Kurz nach dem Eingriff ist Marko wieder putzmunter. Das ist ein Vorteil der Atemnarkos­e – der Patient bekommt nur gerade so viel, wie für die Behandlung notwendig ist. Noch etwas unsicher auf den Beinen kuschelt er sich an seinen Hundeführe­r, der ihm nicht von der Seite gewichen ist und ihn jetzt erleichter­t in den Arm nimmt.

Tiere leiden genauso, zeigen es aber nicht

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Tierzahnär­ztin Katja Riedel (links) behandelt Polizeihun­d Marko. Der Diensthund liegt in Narkose. Ein abgebroche­ner Fangzahn muss geschliffe­n werden.
Foto: Annette Zoepf Tierzahnär­ztin Katja Riedel (links) behandelt Polizeihun­d Marko. Der Diensthund liegt in Narkose. Ein abgebroche­ner Fangzahn muss geschliffe­n werden.

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