Augsburger Allgemeine (Land West)
Frisch aus dem Wald und schon geklaut
Brauchtum Landensberg hat seinen Maibaum noch nicht einmal geschnitzt, da stiehlt Steinekirch ihn schon spektakulär. Wieso der Aufwand groß und die Auslöse gering war
Steinekirch/Landensberg Der Schrecken hat die Landensberger beim Frühstück ereilt. „Um sieben in der Früh habe ich über WhatsApp erfahren, dass unser Maibaum geklaut wurde“, erzählt Bürgermeister Sven Tull. Vergangenes Wochenende, in der Nacht auf Samstag, hatten die Steinekircher zugeschlagen – „eine Horde wilder Jungs“, nennt sie Tull amüsiert. Erst am Donnerstag hatten die Landensberger den Baum frisch aus dem Wald geholt.
„Die Jungs waren heuer früh dran. Vielleicht haben sie den Baum ja geklaut, weil sie selbst keinen schönen haben“, sagt Tull und lacht. Wie sie das geschafft haben, sei ihm aber ein Rätsel. Auch der Landwirt, auf dessen Grundstück der Baum lag, sei ganz schön erschrocken, erzählt Stephanie Fritz von der Freiwilligen Feuerwehr Landensberg. „Unser Bauer Egger konnte es gar nicht glauben“, sagt die Vorsitzende. „Er hat sich größte Mühe gegeben, den Baum zu beschützen. Aber er hat nichts gehört.“Das verwundert die Landensberger dann doch sehr angesichts der Größe des Baumes. Selbst die Steinekircher seien von den Maßen geschockt gewesen, erzählt Fritz und lacht: „Zu unserem Bauern haben sie gesagt: ,Wie wollt ihr denn so einen Riesenbaum aufstellen?‘“Wolfgang Spengler, Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr Steinekirch, gibt zu: „Der Baum war so schwer, dass wir ihn kaum aufladen konnten. Der war deutlich dicker als unserer, das war schon anstrengend.“Spengler gesteht, dass seine 24 Mann zwischen 2 und 4 Uhr nachts an der maximalen Belastungsgrenze gearbeitet hätten. „Mit zwei Mann weniger hätten wir das nicht gestemmt.“Gerade noch so haben die Männer im Kreisverkehr die Kurve gekriegt, ohne mit dem riesigen Baumstamm ein Straßenschild niederzureißen. Mit einem Traktor und einem vierrädrigen, selbst gebauten Gefährt manövrierten sie den Baum nach Steinekirch. Zu sehen sind die nächtlichen Szenen in einem Video auf der Facebook-Seite der Tauziehfreunde Steinekirch – und sorgen dort für Begeisterung, Gelächter und die ein oder andere Diskussion. Denn „da ist ja nichts geschnitzt“, wie ein User gleich feststellt. „Da wird die Auslöse nicht so groß ausfallen“, erwidert ein anderer.
Mit genau diesem Argument ist Stephanie Fritz in die Verhandlungen mit Wolfgang Spengler getreten: „Ursprünglich wurden 100 Liter Bier und Brotzeit für 25 Leute gefordert. Aber so viel ist ein Baum ohne Schnitzereien ja nicht wert.“Die beiden einigten sich schließlich auf ein kleines gemeinsames Fest, zu dem die Landensberger ein paar Kisten Bier mitbringen. „Wir werden unseren Baum heute in Stücke geschnitten abholen und den Abend gemütlich mit den Steinekirchern ausklingen lassen“, erklärt Fritz und zeigt sich sportlich: „Irgendwann trifft es jeden. Wir tragen es mit Fassung.“Außerdem sei ja noch genug Zeit, eine Alternative zu finden.