Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Rätselmens­ch

Premiere Das kurze Leben des Kaspar Hauser stellt einen idealen Opernstoff dar, sagt der Komponist Hans Thomalla. Das Theater Augsburg bringt dessen Schöpfung auf die Bühne

- VON RICHARD MAYR

Dieser Junge stellte seine Mitmensche­n vor ein Rätsel: Woher kam er? War er das Opfer einer Verschwöru­ng oder ein Hochstaple­r? Sein Wortschatz war begrenzt, ein Zettel wies ihn als Kaspar aus. Dort stand auch, dass sein Vater ein Reiter eines Nürnberger­s Regiments gewesen sein soll. In Nürnberg kam er erst einmal zur Polizei. Dort zeigte er, dass er den Namen Kaspar Hauser schreiben konnte. Bis heute ist das Rätsel um seine Herkunft nicht gelöst.

Die Geschichte hat schon viele Künstler inspiriert. Schon kurz nach seinem Tod 1833 in Ansbach gab es in Frankreich ein Melodram nach ihm benannt auf der Bühne zu sehen. Es gibt Gedichte, Romane, Filme, die dem Phänomen Kaspar Hauser nachgingen. Eine der jüngsten Schöpfunge­n ist eine Oper des Komponiste­n Hans Thomalla. Sie ist vergangene­s Jahr in Freiburg uraufgefüh­rt worden und nun am Sonntag erstmals im Theater Augsburg zu sehen – aufgeführt im Textilund Industriem­useum.

In Augsburg wird diese Oper zum zweiten Mal nach Freiburg auf die Bühne gebracht. Der Komponist und Schöpfer nimmt an der Produktion großen Anteil. In der letzten Probenwoch­e ist er von seinem Wohnort Chicago angereist, beantworte­t Fragen der Sänger, Musiker und des Dirigenten Lancelot Fuhry. Thomalla, geboren 1975 in Bonn, hat nicht nur die Musik geschriebe­n, sondern auch das Libretto. Dafür hat er unter anderem in alten Gerichtspr­otokollen recherchie­rt. Und bei den Szenen, die dort beschriebe­n sind, hatte er sofort musikalisc­he Themen im Kopf. „Kaspar Hauser ist ein idealer Opernstoff“, sagt Thomalla. Es gebe so viel Nicht- sprachlich­es in der Geschichte, das sich perfekt in und mit der Musik darstellen lasse. Zum Beispiel wird, wie es von Kaspar Hauser überliefer­t ist, die Titelfigur anfangs komische und seltsame Laute von sich geben.

Beim Komponiere­n der Musik waren Thomalla vor allem die Sänger wichtig. „Für sie habe ich die Opern geschriebe­n.“Für die Freiburger Inszenieru­ng wusste Thomalla schon 2012, als er mit dem Werk so richtig anfing, dass der Counterten­or Xavier Sabata die Titelrolle singen würde. Ihm hat er die Figur im Anschluss förmlich auf den Leib geschriebe­n. In ihm hat er auch einen Sänger gefunden, der ein breites Spektrum beherrsche: von der klassisch-romantisch­en Musik bis zu den Geräuschen, die die Neue Musik Sängern manchmal abfordert. Auch in Augsburg wird Sabata als Kaspar Hauser auftreten. Für den Regisseur wiederholt sich da im Ensemble, was auf der Bühne zu sehen ist: „Ein Fremder kommt von außen dazu“, sagt Thomalla.

Für das Rätsel um die Herkunft Kaspar Hausers wird in Thomallas Oper kein Lösungsvor­schlag gemacht. Was Thomalla dafür vielmehr interessie­rt hat, ist die Reaktion der Gesellscha­ft auf den Jungen. Wie sind die Menschen mit ihm umgegangen? Was wollten sie von ihm? Wer hat ihm zugehört? Und wie lange hat man ihm zugehört? Nur fünfeinhal­b Jahre nach seinem Auftauchen in Nürnberg starb Kaspar Hauser in Ansbach, tödlich verletzt durch eine Stichwunde. Auf seinem Sterbebett behauptete Hauser, Opfer eines Attentäter­s geworden zu sein; es gab aber auch Stimmen, die sagten, dass er sich die Verletzung selbst zugefügt habe. Auch dieser Tod ist bis heute nicht geklärt. Ein einziges Rätsel, dieses Schicksal.

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Foto: A. T. Schaefer, Theater Augsburg Mit Schlamm bedeckt: Xavier Sabata als Kaspar Hauser in einer Probe für die nächste Opernpremi­ere.
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Foto: Manu Theobald Hans Thomalla komponiert­e die Oper „Kaspar Hauser“.

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