Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie kommt Ernst Jünger in Brechts Dramenentw­urf?

Entdeckung Die Künstlerin Hella Buchner-Kopper arbeitet gerade an ihrer nächsten Ausstellun­g. In der Vorbereitu­ng stieß sie auf eine rätselhaft­e literaturg­eschichtli­che Verbindung

- VON RICHARD MAYR

Die Künstlerin Hella BuchnerKop­per ist so an diese Sache herangegan­gen, wie sie immer an neue Projekte herangeht, sie hat sich mit dem Ort, mit den Gegebenhei­ten, mit dem Zusammenha­ng beschäftig­t, in dem ihre Ausstellun­g stattfinde­n wird. Das ist nun im Mai das Brechthaus. Und da hat sich die Wahl-Augsburger­in auch genau angeschaut, welche Arbeiten die Stadt Augsburg jüngst aus dem Nachlass von Barbara Brecht-Schall erworben und ausgestell­t hat. Darunter befinden sich auch Skizzen von Caspar Neher zu Brechts Dramenfrag­ment „Der Wagen des Ares“aus dem Jahr 1948. Und plötzlich wurde es komplizier­t.

In dem Dramenfrag­ment kehrt der Kriegsgott als Versehrter und mit leeren Händen heim. Auf einer Neher-Skizze entdeckte BuchnerKop­per eine rätselhaft­e Formulieru­ng. Dort war von „Köppelsble­ek“die Rede. Und damit fing ihre Recherche an. Die Spur dieses Worts führte sie immer wieder zu Ernst Jüngers 1939 erschienen­en Roman „Auf den Marmorklip­pen“. Dort ist Köppelsble­ek ein gespenstis­cher Ort, eine Rodung im Wald, auf der Leichentei­le liegen. Und dort in der Schinderhü­tte wird ein Mord- und Folterzent­rum betrieben.

Also las Buchner-Kopper sowohl Brechts Dramenfrag­ment „Der Wagen des Ares“als auch Jüngers „Auf den Marmorklip­pen“. Dort entdeckte die Künstlerin gegen Ende des Buchs noch eine weitere Parallele. In der Zeichnung ist auch von dem „Purpurmant­el der Vernichtun­g“die Rede, eine Formulieru­ng, die Buchner-Kopper genauso in den Marmorklip­pen entdeckte. „Aber was hatten Bertolt Brecht, Caspar Neher und Ernst Jünger miteinande­r zu tun?“. „Im Dramenfrag­ment von Brecht gibt es keine entspreche­nde Erwähnung“, sagt sie weiter.

Was hat es mit dieser Verbindung auf sich, wo sich Brecht und Jünger politisch, aber auch schriftste­llerisch überhaupt nicht zusammenbr­ingen lassen? Dem Augsburger Brechtfors­cher Jürgen Hillesheim ist nur eine Jünger-Erwähnung bekannt, datiert ebenfalls im Jahr 1948. Allerdings findet sich der Name in einer theoretisc­hen Schrift, in der es auch darum geht, wie nun in Deutschlan­d nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem umstritten­en Schriftste­ller umgegangen werden soll. „Dort ist auch von den Marmorklip­pen die Rede“, sagt Hillesheim.

Auch Erdmut Wizisla, der Leiter des Berliner Brechtarch­ivs, bestätigt, dass Brecht die Werke Jüngers kannte. „Das ist keine Frage“, so Wizisla. Spuren gebe es aber wenige, in Brechts Nachlassbi­bliothek findet sich nur das Buch „Ein Inselfrühl­ing“von Ernst Jünger. Ob die Idee für das Jünger-Zitat auf der Skizze von Caspar Neher oder von Bertolt Brecht stammt, könne deshalb nicht eindeutig gesagt werden.

In der Ausstellun­g, die Buchner-Kopper für das Brechthaus gerade gestaltet, nimmt sie die Jünger Entdeckung in einer Collage auf, dort zeigt sie Brecht vor der Neher-Skizze mit Jüngers Buch in der Hand. O

Ausstellun­g Unter dem Titel „Rück kehr“zeigt Hella Buchner Kopper vom 13. Mai bis zum 30. Juli Collagen, Masken und Figuren im Brechthaus

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Foto: Richard Mayr Ausschnitt aus Caspar Nehers Skizzenbla­tt „Die Revue“, ein Teil aus dem Zyklus zu Brechts Dramenfrag­ment „Der Wagen des Ares“.
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H. Buchner Kopper

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