Augsburger Allgemeine (Land West)
Bitte mehr Mut – auch zu unliebsamen Entscheidungen
Debatte Die Stadtarchäologie zieht in ein neues Depot. Doch ein Problem bleibt weiter bestehen. Um es zu lösen, müsste ein Plan gefasst werden – und eine Schule umziehen
Die Antike geht mit der Zeit: Die Augsburger Stadtarchäologen ziehen gerade mit all ihren Fundstücken in ein modernes Zentraldepot im Textilmuseum. 2018 ist der Prozess abgeschlossen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten werden die Funde dann systematisch aufbewahrt sein. Das bedeutet zunächst ganz banal: Man kann sie wiederfinden, was bislang bei gut einem Dutzend Depots und tausenden gestapelter Kisten umständlich war.
Die Neuordnung der Augsburger Stadtarchäologie eröffnet Perspektiven. Wissenschaftler, die sich für Funde der einst bedeutenden römischen Provinzhauptstadt interessieren, haben nun die Möglichkeit, diese auch zu erforschen, weil Augsburg ihnen endlich unkompliziert Zugang verschaffen kann. Ein gut geordnetes Depot ist darüber hinaus Basis jeder modernen Museumsarbeit. Doch damit spricht man in Augsburg einen wunden Punkt an, weil es seit vier Jahren gar kein Römisches Museum mehr gibt – zumindest kein adäquates.
Keine Frage: Die Ausstellung „Römerlager“in der Toskanischen Säulenhalle ist ambitioniert gemacht. Sie ist sogar innovativer, als es die Präsentation in der Dominikanerkirche war, die im Wesentlichen aus den 60ern stammte. Dennoch stoßen die Museumsmacher im Zeughaus an Grenzen: Für Sonderausstellungen fehlt der Platz, für einen regelmäßigen Austausch der Exponate ist das Übergangskonzept nicht geeignet.
Dennoch muss man davon ausgehen, dass dieses „Museums-Provisorium“noch für viele Jahre Bestellen, stand haben wird, denn die Aussicht auf den Neubau eines Römischen Museums neben der Dominikanerkirche ist schlecht. Dies liegt nicht nur daran, dass im städtischen Etat kein Spielraum für eine solche Investition ist. Es liegt auch daran, dass man sich nicht sicher ist, was man am Standort Dominikanergasse überhaupt haben möchte.
Archäologen und Kunstsammlungen hoffen auf einen Neubau mit großer Ausstellungsfläche für Augsburgs Vergangenheit. Chefarchäologe Sebastian Gairhos kann sich vorstellen, dort auf der Grundlage Augsburger Funde eine römische Marktzeile nachzubauen. In der Stadtverwaltung ist man sich dagegen nicht so sicher, ob man so viel Platz für die Römerzeit benötigt. Spektakuläre Großfunde, wie sie in Trier oder Xanten gezeigt werden, gibt es in Augsburg nicht. Kulturreferent Thomas Weitzel könnte sich deshalb vor- einen möglichen Museumsneubau nur zum Teil für die Antike zu nutzen und den Rest der Fläche für Sonderschauen zu nutzen. Denn dass sich die Dominikanerkirche dafür aufgrund ihrer Architektur nur bedingt eignet, habe sich immer wieder gezeigt.
Denkbar ist vieles, doch noch ist es zu früh, sich über Inhalte Gedanken zu machen. An erster Stelle steht die Frage, wie der Grund neben der Dominikanerkirche überplant werden soll. Immerhin handelt es sich um eines der letzten städtischen Grundstücke im Zentrum, das durch einen Neubau städtebaulich gewinnen könnte. Es ist gleichzeitig ein interessantes Grundstück, weil es Ober- und Unterstadt verbindet und den Abschluss der Sichtachse bildet, die die Heilig-Grab-Gasse von der Maximilianstraße aus eröffnet.
Der Stadt fehlte bei solchen Projekten bislang oft der Mut für große architektonische Würfe – und leider auch der für unliebsame Entscheidungen. Denn um das Areal neben der Dominikanerkirche anspruchsvoll zu gestalten, müsste man das dort ansässige Berufsschulzentrum verlagern. Bislang scheuten Referenten und Kommunalpolitiker vor diesem Schritt leider zurück.
Bis das Theater saniert ist, wird finanziell nicht an einen Museumsneubau zu denken sein. Dies darf nicht dazu führen, dass sich die Kommunalpolitik mit dem Zentraldepot im Textilviertel und der Ausstellung in der Toskanischen Säulenhalle begnügt. Man muss die nächsten Jahre nutzen, um ein Konzept für die Dominikanergasse vorzubereiten. Denn nur mit ausgereiften Plänen in der Schublade wird sich ein solches Projekt zügig realisieren lassen. Beim Zentraldepot der Stadtarchäologie hat dieses Vorgehen jedenfalls funktioniert.