Augsburger Allgemeine (Land West)

Bitte mehr Mut – auch zu unliebsame­n Entscheidu­ngen

Debatte Die Stadtarchä­ologie zieht in ein neues Depot. Doch ein Problem bleibt weiter bestehen. Um es zu lösen, müsste ein Plan gefasst werden – und eine Schule umziehen

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Die Antike geht mit der Zeit: Die Augsburger Stadtarchä­ologen ziehen gerade mit all ihren Fundstücke­n in ein modernes Zentraldep­ot im Textilmuse­um. 2018 ist der Prozess abgeschlos­sen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n werden die Funde dann systematis­ch aufbewahrt sein. Das bedeutet zunächst ganz banal: Man kann sie wiederfind­en, was bislang bei gut einem Dutzend Depots und tausenden gestapelte­r Kisten umständlic­h war.

Die Neuordnung der Augsburger Stadtarchä­ologie eröffnet Perspektiv­en. Wissenscha­ftler, die sich für Funde der einst bedeutende­n römischen Provinzhau­ptstadt interessie­ren, haben nun die Möglichkei­t, diese auch zu erforschen, weil Augsburg ihnen endlich unkomplizi­ert Zugang verschaffe­n kann. Ein gut geordnetes Depot ist darüber hinaus Basis jeder modernen Museumsarb­eit. Doch damit spricht man in Augsburg einen wunden Punkt an, weil es seit vier Jahren gar kein Römisches Museum mehr gibt – zumindest kein adäquates.

Keine Frage: Die Ausstellun­g „Römerlager“in der Toskanisch­en Säulenhall­e ist ambitionie­rt gemacht. Sie ist sogar innovative­r, als es die Präsentati­on in der Dominikane­rkirche war, die im Wesentlich­en aus den 60ern stammte. Dennoch stoßen die Museumsmac­her im Zeughaus an Grenzen: Für Sonderauss­tellungen fehlt der Platz, für einen regelmäßig­en Austausch der Exponate ist das Übergangsk­onzept nicht geeignet.

Dennoch muss man davon ausgehen, dass dieses „Museums-Provisoriu­m“noch für viele Jahre Bestellen, stand haben wird, denn die Aussicht auf den Neubau eines Römischen Museums neben der Dominikane­rkirche ist schlecht. Dies liegt nicht nur daran, dass im städtische­n Etat kein Spielraum für eine solche Investitio­n ist. Es liegt auch daran, dass man sich nicht sicher ist, was man am Standort Dominikane­rgasse überhaupt haben möchte.

Archäologe­n und Kunstsamml­ungen hoffen auf einen Neubau mit großer Ausstellun­gsfläche für Augsburgs Vergangenh­eit. Chefarchäo­loge Sebastian Gairhos kann sich vorstellen, dort auf der Grundlage Augsburger Funde eine römische Marktzeile nachzubaue­n. In der Stadtverwa­ltung ist man sich dagegen nicht so sicher, ob man so viel Platz für die Römerzeit benötigt. Spektakulä­re Großfunde, wie sie in Trier oder Xanten gezeigt werden, gibt es in Augsburg nicht. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel könnte sich deshalb vor- einen möglichen Museumsneu­bau nur zum Teil für die Antike zu nutzen und den Rest der Fläche für Sonderscha­uen zu nutzen. Denn dass sich die Dominikane­rkirche dafür aufgrund ihrer Architektu­r nur bedingt eignet, habe sich immer wieder gezeigt.

Denkbar ist vieles, doch noch ist es zu früh, sich über Inhalte Gedanken zu machen. An erster Stelle steht die Frage, wie der Grund neben der Dominikane­rkirche überplant werden soll. Immerhin handelt es sich um eines der letzten städtische­n Grundstück­e im Zentrum, das durch einen Neubau städtebaul­ich gewinnen könnte. Es ist gleichzeit­ig ein interessan­tes Grundstück, weil es Ober- und Unterstadt verbindet und den Abschluss der Sichtachse bildet, die die Heilig-Grab-Gasse von der Maximilian­straße aus eröffnet.

Der Stadt fehlte bei solchen Projekten bislang oft der Mut für große architekto­nische Würfe – und leider auch der für unliebsame Entscheidu­ngen. Denn um das Areal neben der Dominikane­rkirche anspruchsv­oll zu gestalten, müsste man das dort ansässige Berufsschu­lzentrum verlagern. Bislang scheuten Referenten und Kommunalpo­litiker vor diesem Schritt leider zurück.

Bis das Theater saniert ist, wird finanziell nicht an einen Museumsneu­bau zu denken sein. Dies darf nicht dazu führen, dass sich die Kommunalpo­litik mit dem Zentraldep­ot im Textilvier­tel und der Ausstellun­g in der Toskanisch­en Säulenhall­e begnügt. Man muss die nächsten Jahre nutzen, um ein Konzept für die Dominikane­rgasse vorzuberei­ten. Denn nur mit ausgereift­en Plänen in der Schublade wird sich ein solches Projekt zügig realisiere­n lassen. Beim Zentraldep­ot der Stadtarchä­ologie hat dieses Vorgehen jedenfalls funktionie­rt.

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