Augsburger Allgemeine (Land West)
Babys und Buggys bringen auch Opa in Form
Serie Was ein Großvater beim Buggyfit-Training unter jungen Müttern erlebt und welche Körperregionen er entdeckt
Die Fastenzeit ist vorbei, der Frühling kommt hoffentlich auch bald wieder. Die einzige Konstante ist unsere Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstversuch testen wir in den kommenden Wochen verschiedene Möglichkeiten, sich fit zu halten, und geben anhand unserer dabei gesammelten Erfahrungen Tipps.
Gersthofen Der sieben Monate alte Leo liegt auf der Isomatte am Boden und kreischt vor Vergnügen. Immer wieder wandert sein Blick zwischen seiner Mama und seinem Opa hin und her. Es scheint ihn köstlich zu amüsieren, wie sich die beiden bei gymnastischen Übungen verrenken. Die anderen Kinder interessiert das sportliche Geschehen auf dem Spielplatz weniger: Antons Aufmerksamkeit konzentriert sich auf ein Gänseblümchen, Michael ist mit seinem Bagger beschäftigt, Levin sitzt in der Schaukel, und die zehn Monate alte Pia verzehrt in aller Ruhe ihre mitgebrachten Kekse.
Unser Sportredakteur Oliver Reiser ist mitten drin statt nur dabei bei Buggy-Fit, zu dem sich seit Anfang 2015 in Gersthofen jede Woche mehrmals junge Mütter mit ihren Kindern treffen. Das Besondere dabei ist nicht nur, dass die Übungen auf die Bedürfnisse von frischgebackenen Müttern abgestimmt sind, sondern auch, dass die Kinder immer mit dabei sind – ganz egal, ob im Kinderwagen oder auf dem Arm. Baby und Buggy werden sogar in das Training mit einbezogen. Man muss sich also nicht um einen Babysitter kümmern.
„Warum nicht? Es haben auch schon Papas mitgemacht“, lacht Simone Roth, als die Anfrage kommt, ob denn auch ein Opa mit seinem Enkel bei Buggyfit teilnehmen dürfe. Das sei bisher allerdings noch nie der Fall gewesen, so die 28-Jährige, die selbst einen dreijährigen Sohn hat. „Durch Buggyfit habe ich den Spaß am Sport und die Freude an der Bewegung im Freien für mein Kind und mich entdeckt. Ein Leben ohne Sport ist seither für mich unvorstellbar“, sagt sie. Obwohl sie im neunten Monat schwanger ist, leitet sie nach wie vor die wöchentlichen Übungsstunden. Drei Wochen nach der Geburt will sie die Kurse, die nur von qualifizierten Trainerinnen abgehalten werden dürfen, weiterführen.
bin also der erste Opa, der sich zum Buggyfit einfindet. Neben mir sind vier weitere Mütter mit ihren Kindern im Wagen am Start. „Die Kursstärke schwankt zwischen vier und zwölf“, erzählt Simone Roth, deren Sohn Maximilian diesmal krankheitsbedingt nicht dabei sein kann. Die Frauen kennen sich, man hat sich viel zu erzählen. Kinder sorgen ja bekanntlich immer für Gesprächsstoff.
Nachdem alle Neuigkeiten ausgetauscht sind, kann es losgehen. Zum Warm-up ist Powerwalking angesagt. „Dadurch werden die Pfunde zum Schmelzen gebracht“, erklärt Simone Roth. Mit einer Hand wird der Kinderwagen geschoben, mit der anderen eine Hantel bewegt. Übungen für die Arme, den Oberkörper und den Schultergürtel schließen sich an. Das erscheint dem Opa durchaus praxisnah. Zum einen wollen kleine Kinder ja oft getragen werden. Und da können die sieben, acht, neun Kilos ganz schnell ganz schön schwer werden. Zum anderen haben die modernen Mamas von heute ja ab und an einen Coffee to go oder das Smartphone in der Hand, sodass der Kinderwagen einhändig gesteuert werden muss. Und siehe da: Die Koordination ist auf dem holprigen Weg gar nicht so einfach, zumal man sich mit den rhythmischen Bewegungen der Hantel aus dem Gleichgewicht bringt. Leo allerdings ist von den Geräuschen, den das mit Granulat gefüllte Sportgerät von sich gibt, begeistert. Es erinnert ihn wohl an seine Rasseln.
Auf einem nahe gelegenen, idyllischen Spielplatz werden die SportIch matten ausgelegt. Vor der Rückkehr des Winters ist der Boden trocken, die Temperaturen angenehm milde. „Wir waren auch schon bei Regen und bei minus zwölf Grad unterwegs“, berichtet Simone Roth, „da haben wir das Training halt entsprechend angepasst.“
Bodyforming nennen sich die Übungen für Bauch, Beine und Po sowie einen starken Rücken, aber auch den Beckenboden, die den Großvater ins Schwitzen bringen. „Und push!“, kommandiert Simone Roth und korrigiert Haltungsfehler. Das zieht an allen Ecken und Ende. „Mein Mann hat das am Anfang auch immer belächelt. Heute fragt er mich regelmäßig, ob es denn wieder neue Übungen gibt“, lacht die Kursleiterin.
Eine Einheit, die mit einer Sechser- oder Zehnerkarte bezahlt wird, dauert 60 Minuten. Ganz zum Schluss darf Leo auf Opas Bauch liegend noch als Sportgerät herhalten. Das Bridging, eine Übung speziell für den Beckenboden, entlockt ihm ein fröhliches Glucksen. Auf dem Rückweg zum Treffpunkt schläft er im Kinderwagen sofort ein. Nicht nur er ist geschafft. Während Leo friedlich schlummert, haben die Frauen alles für ein gemeinsames Picknick mitgebracht. Auch das gehört zur Buggyfit-Philosophie. Simone Roth: „Beim gemeinsamen Essen, Kaffeetrinken und Ratschen sind schon einige Freundschaften über den Sport hinaus entstanden.“
Fazit: Ich muss Abbitte leisten! Wer denkt, Buggy Fit wäre so etwas wie eine lockere Mischung aus Schwan gerschaftsgymnastik, Yoga und Ent spannungsübungen, liegt falsch. Das ist weit gefehlt! Es geht richtig zur Sa che. Die Übungen sind anstrengend und man gerät ordentlich ins Schwit zen. Muskelkater in mir bisher eher unbekannten Regionen wie Becken boden am nächsten Tag inklusive.