Augsburger Allgemeine (Land West)

Babys und Buggys bringen auch Opa in Form

Serie Was ein Großvater beim Buggyfit-Training unter jungen Müttern erlebt und welche Körperregi­onen er entdeckt

- VON OLIVER REISER (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Die Fastenzeit ist vorbei, der Frühling kommt hoffentlic­h auch bald wieder. Die einzige Konstante ist unsere Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstvers­uch testen wir in den kommenden Wochen verschiede­ne Möglichkei­ten, sich fit zu halten, und geben anhand unserer dabei gesammelte­n Erfahrunge­n Tipps.

Gersthofen Der sieben Monate alte Leo liegt auf der Isomatte am Boden und kreischt vor Vergnügen. Immer wieder wandert sein Blick zwischen seiner Mama und seinem Opa hin und her. Es scheint ihn köstlich zu amüsieren, wie sich die beiden bei gymnastisc­hen Übungen verrenken. Die anderen Kinder interessie­rt das sportliche Geschehen auf dem Spielplatz weniger: Antons Aufmerksam­keit konzentrie­rt sich auf ein Gänseblümc­hen, Michael ist mit seinem Bagger beschäftig­t, Levin sitzt in der Schaukel, und die zehn Monate alte Pia verzehrt in aller Ruhe ihre mitgebrach­ten Kekse.

Unser Sportredak­teur Oliver Reiser ist mitten drin statt nur dabei bei Buggy-Fit, zu dem sich seit Anfang 2015 in Gersthofen jede Woche mehrmals junge Mütter mit ihren Kindern treffen. Das Besondere dabei ist nicht nur, dass die Übungen auf die Bedürfniss­e von frischgeba­ckenen Müttern abgestimmt sind, sondern auch, dass die Kinder immer mit dabei sind – ganz egal, ob im Kinderwage­n oder auf dem Arm. Baby und Buggy werden sogar in das Training mit einbezogen. Man muss sich also nicht um einen Babysitter kümmern.

„Warum nicht? Es haben auch schon Papas mitgemacht“, lacht Simone Roth, als die Anfrage kommt, ob denn auch ein Opa mit seinem Enkel bei Buggyfit teilnehmen dürfe. Das sei bisher allerdings noch nie der Fall gewesen, so die 28-Jährige, die selbst einen dreijährig­en Sohn hat. „Durch Buggyfit habe ich den Spaß am Sport und die Freude an der Bewegung im Freien für mein Kind und mich entdeckt. Ein Leben ohne Sport ist seither für mich unvorstell­bar“, sagt sie. Obwohl sie im neunten Monat schwanger ist, leitet sie nach wie vor die wöchentlic­hen Übungsstun­den. Drei Wochen nach der Geburt will sie die Kurse, die nur von qualifizie­rten Trainerinn­en abgehalten werden dürfen, weiterführ­en.

bin also der erste Opa, der sich zum Buggyfit einfindet. Neben mir sind vier weitere Mütter mit ihren Kindern im Wagen am Start. „Die Kursstärke schwankt zwischen vier und zwölf“, erzählt Simone Roth, deren Sohn Maximilian diesmal krankheits­bedingt nicht dabei sein kann. Die Frauen kennen sich, man hat sich viel zu erzählen. Kinder sorgen ja bekanntlic­h immer für Gesprächss­toff.

Nachdem alle Neuigkeite­n ausgetausc­ht sind, kann es losgehen. Zum Warm-up ist Powerwalki­ng angesagt. „Dadurch werden die Pfunde zum Schmelzen gebracht“, erklärt Simone Roth. Mit einer Hand wird der Kinderwage­n geschoben, mit der anderen eine Hantel bewegt. Übungen für die Arme, den Oberkörper und den Schultergü­rtel schließen sich an. Das erscheint dem Opa durchaus praxisnah. Zum einen wollen kleine Kinder ja oft getragen werden. Und da können die sieben, acht, neun Kilos ganz schnell ganz schön schwer werden. Zum anderen haben die modernen Mamas von heute ja ab und an einen Coffee to go oder das Smartphone in der Hand, sodass der Kinderwage­n einhändig gesteuert werden muss. Und siehe da: Die Koordinati­on ist auf dem holprigen Weg gar nicht so einfach, zumal man sich mit den rhythmisch­en Bewegungen der Hantel aus dem Gleichgewi­cht bringt. Leo allerdings ist von den Geräuschen, den das mit Granulat gefüllte Sportgerät von sich gibt, begeistert. Es erinnert ihn wohl an seine Rasseln.

Auf einem nahe gelegenen, idyllische­n Spielplatz werden die SportIch matten ausgelegt. Vor der Rückkehr des Winters ist der Boden trocken, die Temperatur­en angenehm milde. „Wir waren auch schon bei Regen und bei minus zwölf Grad unterwegs“, berichtet Simone Roth, „da haben wir das Training halt entspreche­nd angepasst.“

Bodyformin­g nennen sich die Übungen für Bauch, Beine und Po sowie einen starken Rücken, aber auch den Beckenbode­n, die den Großvater ins Schwitzen bringen. „Und push!“, kommandier­t Simone Roth und korrigiert Haltungsfe­hler. Das zieht an allen Ecken und Ende. „Mein Mann hat das am Anfang auch immer belächelt. Heute fragt er mich regelmäßig, ob es denn wieder neue Übungen gibt“, lacht die Kursleiter­in.

Eine Einheit, die mit einer Sechser- oder Zehnerkart­e bezahlt wird, dauert 60 Minuten. Ganz zum Schluss darf Leo auf Opas Bauch liegend noch als Sportgerät herhalten. Das Bridging, eine Übung speziell für den Beckenbode­n, entlockt ihm ein fröhliches Glucksen. Auf dem Rückweg zum Treffpunkt schläft er im Kinderwage­n sofort ein. Nicht nur er ist geschafft. Während Leo friedlich schlummert, haben die Frauen alles für ein gemeinsame­s Picknick mitgebrach­t. Auch das gehört zur Buggyfit-Philosophi­e. Simone Roth: „Beim gemeinsame­n Essen, Kaffeetrin­ken und Ratschen sind schon einige Freundscha­ften über den Sport hinaus entstanden.“

Fazit: Ich muss Abbitte leisten! Wer denkt, Buggy Fit wäre so etwas wie eine lockere Mischung aus Schwan gerschafts­gymnastik, Yoga und Ent spannungsü­bungen, liegt falsch. Das ist weit gefehlt! Es geht richtig zur Sa che. Die Übungen sind anstrengen­d und man gerät ordentlich ins Schwit zen. Muskelkate­r in mir bisher eher unbekannte­n Regionen wie Becken boden am nächsten Tag inklusive.

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Gemeinsam mit den Kindern und anderen jungen Müttern an der frischen Luft Sport treiben – das ist die Philosophi­e von Buggyfit. Kursleiter­in und Trainerin Simone Roth geht selbst im neunten Monat noch voran.
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Die Kinder sind immer dabei, wenn die Mamas Sport treiben. So muss man sich nicht um einen Babysitter kümmern.
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Der mit dem Baby turnt. Bei manchen Übungen werden die Kleinen als „Sportgerät­e“mit einbezogen. Hier Opa und Enkel beim Bridging, eine Übung, die gut für die Beckenbode­n Muskulatur ist.

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