Augsburger Allgemeine (Land West)
Sie wollte eine dauerhaftere Erinnerung
Hobby Sophia Tegel aus Thannhausen präpariert Tiere. Wie die 23-Jährige zu ihrem außergewöhnlichen Hobby kam
Thannhausen
Wir töten keine Tiere. Wir kaufen unser Grillsteak beim Metzger oder plastikverpackt im Supermarkt. Zu verführerisch ist die Vorstellung, es möchte bereits dort, im Kühlregal, irgendwie gewachsen sein. Kein armes Schwein, kein süßes Kälbchen sollte deswegen sein Leben verloren haben. „Wir haben die Beziehung zur Natur, zum Leben und zum Tod verloren“, formuliert es Sophia Tegel aus Thannhausen. Sie schießt das Tier, das bei ihr im Kochtopf oder auf dem Grill landen soll, schon seit sie mit 16 Jahren den Jagdschein gemacht hat.
Als sie irgendwann ihren ersten Rehbock erlegte, wollte sie eine dauerhaftere Erinnerung als den Geschmack des Fleisches auf ihrer Zunge. Sophia Tegel beschloss, den Kopf des Rehbocks präparieren zu lassen. So ging sie zum Weindl Artur, wie man ihn nannte, nach Burgau. Der beherrscht die Kunst des Präparierens. Das war damals kurz nach dem Abitur und Sophia Tegel wartete auf einen Studienplatz für Medizin. „Ich hab dem Artur damals förmlich Löcher in den Bauch gefragt über seine Arbeit“, erzählt die mittlerweile 23-Jährige. „Bis er irgendwann gesagt hat ’ja, wenns dich so interessiert, dann machen wir die Arbeit halt zusammen’. Und so haben wir es dann auch gemacht.“
Und so steht sie nun auch mit etlichen ihrer Präparate im Thannhauser Kulturhaus „Beim Schwung“und versucht, ihre Leidenschaft für ein Metier zu erklären, das bei nicht wenigen Menschen, wenn schon nicht auf offene Ablehnung, so doch auf ein leicht befremdliches Gruseln stößt.
Sophia Tegel allerdings entspricht so gar nicht dem Bild, das sich der Laie von einem Jäger und Tierpräparator macht. Als Artemis, die griechische Jagdgöttin, mit Pfeil und Bogen mag man sich die grazile, dunkelhaarige Schönheit mit den leuchtend blauen Augen noch am ehesten vorstellen. Aber mit einem Gewehr? Und dann noch mit dem blutigen Geschäft des Häutens beschäftigt. „Die Jagd ist das älteste Gewerbe der Welt. Wir Menschen haben schon immer gejagt, um zu essen“, sagt Sophia Tegel. Und Jagdtrophäen als Beweis für eine erfolgreiche
Jagd habe es schon immer gegeben.
Nach ihrem präparierten Rehbockschädel war Sophia Tegels Leidenschaft geweckt und Artur Weindl unterrichtete sie in der Kunst des Präparierens. Will man ein Tier möglichst naturgetreu darstellen, braucht es ein solides Wissen über die tierische Natur. Wie ist der natürliche Lebensraum des Tieres? Wie zeigt es sich in Ausdruck, Mimik, Kopfhaltung und Nüstern? Soll ein wachsam, besorgtes Muttertier dargestellt werden oder ein stolzer Revierherrscher? Ebenso wichtig sind anatomische Kenntnisse. Welche Muskeln werden in welcher Haltung angespannt? Wo treten Sehnen oder Adern sichtbar hervor? Wie ist das Auge in die Knochenhöhle eingebettet?
Mit einer Modelliermasse wird die Knochenhöhle aufgepolstert und sorgsam an den Außenrändern verstrichen. Ein Glasauge wird in die weiche Masse gedrückt, dann stülpt sie die mitgebrachte Tierhaut über den Schädel und schon sieht das Tier, wenn schon nicht lebendig, so doch sehr lebensnah aus. Bei Gesprächen ist Sophia Tegel aber auch kritischen Fragen gegenüber sehr aufgeschlossen.
Die große Fuchsfelldecke, die sie sich gemacht hat zum Beispiel: Die Füchse hat sie doch wohl nicht gegessen? Die hat sie doch „einfach so“geschossen? „Wir Menschen haben doch schon in den Naturkreislauf eingegriffen, indem es für den Fuchs keine natürlichen Feinde mehr gibt. Bär, Wolf oder Luchs kommen bei uns praktisch nicht mehr vor. Der Fuchs vermehrt sich ungehindert, Fuchsräude und Staupe breiten sich aus und ich habe auf der Pirsch schon Füchse fast ganz ohne Fell gesehen. Es ist an uns, den Bestand mit Augenmaß zu regulieren.“