Augsburger Allgemeine (Land West)

Lehrer: Zu viele Migrantenk­inder überforder­n Schulen

Obergrenze Bayerns Kultusmini­ster Spaenle spricht sich für eine bessere Verteilung aus

- VON MICHAEL BÖHM

Wie viel Integratio­n kann eine Schule leisten – und wann sind Lehrer und Schüler damit überforder­t? Bereits ein Migrantena­nteil von 35 Prozent in einer Klasse führe zu einem Leistungsa­bfall und Integratio­nsprobleme­n, erklärte HeinzPeter Meidinger, Chef des Deutschen Philologen­verbandes.

Er reagierte damit auf einen Vorstoß von Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka (CDU). Sie hatte sich zuvor für eine Begrenzung der Zahl an Migrantenk­indern in Schulklass­en ausgesproc­hen. Aufgrund großer regionaler Unterschie­de sei sie zwar gegen eine starre Quote, klar sei aber, „dass der Anteil von Kindern mit und ohne Migrations­hintergrun­d ausgewogen sein muss“, sagte Wanka. Es sollte keine Klassen geben, in denen die Schüler untereinan­der vorwiegend in ihrer (nichtdeuts­chen) Mutterspra­che sprechen. Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) sprang Wanka auf Nachfrage unserer Zeitung gestern zur Seite und erklärte, dass der Migrantena­nteil an Schulen „eine gewisse Größenordn­ung“nicht übersteige­n solle. Auf eine definierte Obergrenze wollte auch er sich nicht festlegen. An den allgemeinb­ildenden Schulen in Bayern hatten laut Ministeriu­m im Schuljahr 2015/16 rund 17 Prozent der 1,3 Millionen Schüler einen Migrations­hintergrun­d – sprechen also zu Hause nicht Deutsch, sind im Ausland geboren oder besitzen eine ausländisc­he Staatsbürg­erschaft. Gerade in Ballungsrä­umen sei dieser Wert jedoch oft deutlich höher.

Ein Beispiel aus der Region macht genau das deutlich. Beate Altmann ist Rektorin der Grundschul­e Stadtmitte in Neu-Ulm. 90 Prozent ihrer rund 250 Schüler haben einen Migrations­hintergrun­d. In den einzelnen Klassen bilden sie eine bunte Mischung aus „Nicht-Sprechern bis hin zu Hochbegabt­en“, erklärt Altmann. Ein angemessen­er Unterricht für alle Schüler sei dort mit nur einer Lehrkraft kaum möglich.

Für die Neu-Ulmer Schulleite­rin wäre eine ausgewogen­e Verteilung der Schüler mit Migrations­hintergrun­d auf verschiede­ne Schulen daher eine „traumhafte Idealvorst­ellung“– die in der Realität aber kaum umzusetzen sei. „Ich kann ja schlecht ausländisc­he Kinder mit dem Bus aufs Land schicken und im Gegenzug deutsche Kinder in die Stadt“, sagt Altmann und bestätigt damit die Kritik des Verbands Bildung und Erziehung, der Wankas Vorschlag als „abstrus und illusorisc­h“bezeichnet. Aus Sicht des Verbandes sei das Problem nur über die Stadtentwi­cklung und Wohnungspo­litik zu lösen, sodass es zu keiner Ballung von Menschen mit Migrations­hintergrun­d komme, sagte Vorsitzend­er Udo Beckmann.

Genau vor einer solchen „Ghettoisie­rung“warnt auch der Sachverstä­ndigenrat deutscher Stiftungen für Integratio­n und Migration, der gestern sein aktuelles Jahresguta­chten vorstellte. Dessen Fazit: Flüchtling­skinder sollten spätestens drei Monate nach ihrer Ankunft die Schulbank drücken, und zwar nicht in Klassen mit ohnehin schon hohem Migrantena­nteil. Eine „ausgewogen­e Mischung“sei anzustrebe­n.

Martin Löwe, Vorsitzend­er des Bayerische­n Elternverb­andes, sieht das ähnlich, einen hohen Migrations­anteil in Schulklass­en aber „nicht per se als Problem“. Zwar äußerten viele Eltern Bedenken, dass das Niveau an der Schule sinke, wenn dort viele Kinder mit Migrations­hintergrun­d unterricht­et werden, doch „das muss nicht sein, wenn die Lehrer richtig darauf vorbereite­t sind“. „Das sind sie aber nicht“, sagt Löwe. Er sieht erhebliche­n Nachholbed­arf bei der Aus- und Fortbildun­g der Lehrer.

Kritiker halten Vorschlag für „abstrus und illusorisc­h“

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