Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Resultat ist ein Erfolg für den Front National
Macron sie mit seiner Bewegung „En marche!“(„In Bewegung“) noch abfangen konnte, beim Auftritt vor Anhängern des Front National (FN) kaum verhehlen. Dennoch hat Le Pen einen großen Erfolg eingefahren: 2012 hatte sie noch 17,9 Prozent erreicht, jetzt steht sie mit 21,4 Prozent in der Stichwahl. Dort stand ihr Vater Jean-Marie bereits 2002, als er mit 17 Prozent in das Duell gegen den Konservativen Jacques Chirac einzog, um dann mit 18 zu 82 Prozent unterzugehen.
Das wird sich nicht wiederholen. Auch wenn ein Sieg nicht in Reichweite scheint, wird Le Pen um jeden Prozentpunkt kämpfen. Demonstrativ lässt sie den FN-Vorsitz vorübergehend ruhen, um sich auf den Endspurt zu konzentrieren. Nach einer Umfrage vom Dienstag liegt Macron bei 61 Prozent, Le Pen bei 39 Prozent. Längst – so zeigen Wähleranalysen – sind auch Konservative, ja sogar Anhänger der extremen Linken bereit, Le Pen zu wählen.
Dennoch: Alles spricht dafür, dass Frankreich eine Präsidentin erspart bleibt, die auf ein überholtes, auf Abschottung basierendes Wirtschaftsprogramm setzt und aggressiv nationalistische, ja mitunter auch rechtsextreme und antisemitische Töne anschlägt. So äußerte Marine Le Pen jüngst, dass die unter französischer Regie 1942 einsetzenden Massenverhaftungen von Juden, die Nazis überstellt wurden, mit Frankreich nichts zu tun gehabt hätten. Da wurden Erinnerungen an ihren Vater wach, der im Übrigen den Wahlkampf seiner Tochter als „zu lasch“kritisierte. Marine Le Pen ließ ihn 2015 aus der Partei ausschließen, nachdem er erneut den Holocaust verharmlost hatte. Beunruhigend nur, dass all dies den unverminderten Aufstieg des FN nicht bremsen konnte.
Warum ist das so? Mit dieser Frage hat sich die Journalistin Tanja Kuchenbecker, die in Frankreich als Korrespondentin arbeitet, ausführlich befasst. In ihrer Biografie („Marine Le Pen – Tochter des Teufels“) beschreibt sie, wie die FN-Chefin aus den Strukturproblemen Frankreichs Kapital schlägt: Da gibt es ein verkrustetes Bildungs- und Ausbildungssystem mit seinen Elite-Kaderschmieden, die gescheiterte Integration eines Teils der Migranten, die in verwahrlosten Ghettos am Rande der großen Vorstädte leben, oder das überregulierte Wirtschaftssystem. Missstände, die seit vielen Jahren bekannt sind und bis zur Erschöpfung diskutiert werden.
Doch wirkliche Reformen scheitern meist. An überforderten Politikern, wie zuletzt François Hollande und vor ihm Nicolas Sarkozy, aber auch an Teilen der desillusionierten Bevölkerung. Reformen werden zwar grundsätzlich unterstützt. Alden