Augsburger Allgemeine (Land West)
Wohin fährt der Börsen Zug?
Finanzen Schon wieder erklimmt der Dax einen Rekord. Und Anleger fragen sich: Einsteigen, drinbleiben oder aussteigen?
Augsburg
Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt bei null Prozent und so wird es wohl auch noch einige Zeit bleiben. Für Sparer heißt das: Es gibt fast keine Zinsen mehr, weder auf das Sparbuch noch auf Rentenpapiere noch aufs Tagesgeld. Wer Alternativen sucht, um die eigenen Ersparnisse gewinnbringend anzulegen, landet schnell beim Aktiengeschäft. Denn die Börse boomt. Der Dax kletterte gestern den zweiten Tag in Folge auf ein neues Rekordhoch. 12 481 Punkte erreichte er am Morgen. Dann fiel der Kurs zwar wieder leicht ab, aber der Leitindex ging mit 12467,04 Zählern aus dem Handel. Lohnt es sich bei diesem Niveau noch, in Aktien zu investieren? Oder ist der Aktienzug schon abgefahren?
Nur jeder siebte Deutsche besitzt überhaupt Aktien oder Fonds, das zeigen Zahlen des Deutschen Aktieninstituts. Dabei raten Experten seit langem, dass Geldanlagen eine ausgewogene Mischung aus Aktien und festverzinslichen Wertpapieren sein sollten. Beim Blick auf das Allzeithoch des Deutschen Leitindex kann man sich nun fragen: Einsteigen (für den Fall, dass man noch keine Aktien hat), drinbleiben oder aussteigen (für den Fall, dass das Ersparte bereits in Wertpapiere investiert ist)? Andreas Wex, Leiter der Anlagestrategie für Privatkunden bei der Commerzbank, empfiehlt, einzusteigen und drinzubleiben. „Ich kenne die Frage, ob man jetzt noch in Aktien investieren soll“, sagt er. „Aber das ist eher ein psychologisches Problem.“Deshalb rät er, mit einem kleinen Teil einzusteigen, abzuwarten, ob die Aktienkurse irgendwann wieder nach unten gehen, und dann den Rest des Geldes nachziehen. Matthias Butzlaff vom Bankhaus Metzler sagt: „Die ist falsch gestellt.“Denn Kursgewinne seien für Anleger erst einmal völlig irrelevant. „Wir empfehlen immer, langfristig zu denken. Jeden Monat einen gewissen Betrag in Aktien zu investieren und das Ganze über einen langen Zeitraum.“Der Meinung ist auch Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.
Dennoch glauben die Experten nicht, dass der Dax in naher Zukunft sinken wird. Die Vorzeichen sind zu positiv. „Wir haben eine steigende Gewinnentwicklung bei allen Unternehmen, die Konjunktur wächst besser als erwartet und die politischen Risiken lassen nach der Wahl in Frankreich nach“, urteilt Wex von der Commerzbank. So sieht es auch Robert Halver: „Und vor der Bundestagswahl muss man keine Angst haben, denn die beiden Kandidaten, Angela Merkel und Martin Schulz, sind europafreundlich.“Wobei Halver schon damit rechnet, dass es irgendwann zu einer Konsolidierung des Kurses kommt. „Man kann aber nicht sagen: Die Kurse gingen neun Jahre lang nach oben, jetzt droht bald der nächste Crash“, sagt Halver.
Wex und seine Kollegen haben außerdem noch eine andere BeobFrage achtung gemacht. „Vor einiger Zeit haben vor allem US-amerikanische Investoren ihr Geld aus dem europäischen Aktienmarkt abgezogen, weil ihnen die politische Lage zu unsicher war“, erzählt er. Seit etwa zwei Monaten kämen sie wieder an den europäischen Markt zurück.
Und der drohende Brexit? Oder Donald Trump, der sich möglicherweise in einen Konflikt mit Nordkorea verwickelt? Das spiele keine Rolle, sagt Wex. Und selbst wenn, seien die Risiken nicht so hoch, dass sie zu massiven Kurseinbrüchen führen würden.
Und warum sollte man dann nicht die günstige Gelegenheit nutzen, seine Aktien zu verkaufen und Gewinne einzustreichen? Weil es gerade kein Risiko gebe, sagt Wex. Weil eine Anlage in Aktien immer ein langfristiges Investitionsmodell sei, sagt Butzlaff. Weil man vorher wissen sollte, in was man das Geld sonst investieren möchte, fügt Halver hinzu. Denn Zinsen zu bekommen, ist seiner Meinung nach ausgeschlossen. Und vor dem Aktienverkauf sollte man sich fragen: „Wann gehe ich wieder rein?“, sagt Halver. „Anleger haben meistens eher Schwierigkeiten, Aktien zu kaufen, als sie zu verkaufen“, meint Wex.