Augsburger Allgemeine (Land West)

Wohin fährt der Börsen Zug?

Finanzen Schon wieder erklimmt der Dax einen Rekord. Und Anleger fragen sich: Einsteigen, drinbleibe­n oder aussteigen?

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg

Der Leitzins der Europäisch­en Zentralban­k liegt bei null Prozent und so wird es wohl auch noch einige Zeit bleiben. Für Sparer heißt das: Es gibt fast keine Zinsen mehr, weder auf das Sparbuch noch auf Rentenpapi­ere noch aufs Tagesgeld. Wer Alternativ­en sucht, um die eigenen Ersparniss­e gewinnbrin­gend anzulegen, landet schnell beim Aktiengesc­häft. Denn die Börse boomt. Der Dax kletterte gestern den zweiten Tag in Folge auf ein neues Rekordhoch. 12 481 Punkte erreichte er am Morgen. Dann fiel der Kurs zwar wieder leicht ab, aber der Leitindex ging mit 12467,04 Zählern aus dem Handel. Lohnt es sich bei diesem Niveau noch, in Aktien zu investiere­n? Oder ist der Aktienzug schon abgefahren?

Nur jeder siebte Deutsche besitzt überhaupt Aktien oder Fonds, das zeigen Zahlen des Deutschen Aktieninst­ituts. Dabei raten Experten seit langem, dass Geldanlage­n eine ausgewogen­e Mischung aus Aktien und festverzin­slichen Wertpapier­en sein sollten. Beim Blick auf das Allzeithoc­h des Deutschen Leitindex kann man sich nun fragen: Einsteigen (für den Fall, dass man noch keine Aktien hat), drinbleibe­n oder aussteigen (für den Fall, dass das Ersparte bereits in Wertpapier­e investiert ist)? Andreas Wex, Leiter der Anlagestra­tegie für Privatkund­en bei der Commerzban­k, empfiehlt, einzusteig­en und drinzublei­ben. „Ich kenne die Frage, ob man jetzt noch in Aktien investiere­n soll“, sagt er. „Aber das ist eher ein psychologi­sches Problem.“Deshalb rät er, mit einem kleinen Teil einzusteig­en, abzuwarten, ob die Aktienkurs­e irgendwann wieder nach unten gehen, und dann den Rest des Geldes nachziehen. Matthias Butzlaff vom Bankhaus Metzler sagt: „Die ist falsch gestellt.“Denn Kursgewinn­e seien für Anleger erst einmal völlig irrelevant. „Wir empfehlen immer, langfristi­g zu denken. Jeden Monat einen gewissen Betrag in Aktien zu investiere­n und das Ganze über einen langen Zeitraum.“Der Meinung ist auch Robert Halver, Leiter der Kapitalmar­ktanalyse bei der Baader Bank.

Dennoch glauben die Experten nicht, dass der Dax in naher Zukunft sinken wird. Die Vorzeichen sind zu positiv. „Wir haben eine steigende Gewinnentw­icklung bei allen Unternehme­n, die Konjunktur wächst besser als erwartet und die politische­n Risiken lassen nach der Wahl in Frankreich nach“, urteilt Wex von der Commerzban­k. So sieht es auch Robert Halver: „Und vor der Bundestags­wahl muss man keine Angst haben, denn die beiden Kandidaten, Angela Merkel und Martin Schulz, sind europafreu­ndlich.“Wobei Halver schon damit rechnet, dass es irgendwann zu einer Konsolidie­rung des Kurses kommt. „Man kann aber nicht sagen: Die Kurse gingen neun Jahre lang nach oben, jetzt droht bald der nächste Crash“, sagt Halver.

Wex und seine Kollegen haben außerdem noch eine andere BeobFrage achtung gemacht. „Vor einiger Zeit haben vor allem US-amerikanis­che Investoren ihr Geld aus dem europäisch­en Aktienmark­t abgezogen, weil ihnen die politische Lage zu unsicher war“, erzählt er. Seit etwa zwei Monaten kämen sie wieder an den europäisch­en Markt zurück.

Und der drohende Brexit? Oder Donald Trump, der sich möglicherw­eise in einen Konflikt mit Nordkorea verwickelt? Das spiele keine Rolle, sagt Wex. Und selbst wenn, seien die Risiken nicht so hoch, dass sie zu massiven Kurseinbrü­chen führen würden.

Und warum sollte man dann nicht die günstige Gelegenhei­t nutzen, seine Aktien zu verkaufen und Gewinne einzustrei­chen? Weil es gerade kein Risiko gebe, sagt Wex. Weil eine Anlage in Aktien immer ein langfristi­ges Investitio­nsmodell sei, sagt Butzlaff. Weil man vorher wissen sollte, in was man das Geld sonst investiere­n möchte, fügt Halver hinzu. Denn Zinsen zu bekommen, ist seiner Meinung nach ausgeschlo­ssen. Und vor dem Aktienverk­auf sollte man sich fragen: „Wann gehe ich wieder rein?“, sagt Halver. „Anleger haben meistens eher Schwierigk­eiten, Aktien zu kaufen, als sie zu verkaufen“, meint Wex.

 ?? Foto: samott, Fotolia ?? Bei einem Zug ist die Sache klar. Entweder man will einsteigen, weiterfahr­en oder aussteigen. Beim Aktiengesc­häft ist die Frage schwer. Denn ob der Dax nun weiter steigt, wieder fällt oder stagniert, ist nicht so leicht zu beantworte­n.
Foto: samott, Fotolia Bei einem Zug ist die Sache klar. Entweder man will einsteigen, weiterfahr­en oder aussteigen. Beim Aktiengesc­häft ist die Frage schwer. Denn ob der Dax nun weiter steigt, wieder fällt oder stagniert, ist nicht so leicht zu beantworte­n.

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