Augsburger Allgemeine (Land West)

Die seltsame Rückkehr der Sünderin

Tennis Das Comeback von Maria Scharapowa ist das Thema beim Stuttgarte­r Turnier. Einige Konkurrent­innen sind nicht begeistert. Und die Fans erkennen die Russin am Stöhnen

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Stuttgart

Hinter aufgehalte­nen Autotüren, der offenen Klappe des Kofferraum­s und ihren schützende­n Begleitern ist nur ein kurzer Blick auf Maria Scharapowa zu erhaschen. Vom Hintereing­ang trennen die 30-Jährige nur ein paar Meter. Schnell huscht der wegen Dopings für 15 Monate gesperrte TennisStar in die Sandplatzh­alle des SV Sillenbuch 1892, einem ganz normalen Stuttgarte­r Tennisvere­in – und nach dem Training wieder hinaus. Sekunden verrinnen bei Ankunft und Abfahrt des Trosses, dann ist von Scharapowa nichts mehr zu sehen.

Abseits des Stuttgarte­r WTATurnier­s und rund zehn Kilometer von der Arena entfernt hat sich die Russin in den letzten Tagen vor ihrem Comeback vorbereite­t. In einem unscheinba­ren Klub, im Vergleich idyllisch.

Der Trubel bei ihrem ersten offizielle­n Auftritt nach der Sperre wird gewaltig sein. Mit einer umstritten­en Wildcard nimmt sie am wichtigste­n Damen-Turnier in Deutschlan­d teil. Offiziell in Erscheinun­g treten und sich auf der Anlage des Turniers blicken lassen, darf sie sich erst am Mittwoch wieder.

„Es ist eine merkwürdig­e Situation für alle“, sagte Angelique Kerber am Dienstag. „Es sind die Regeln. Sie hat ihre Sperre abgesessen. Das müssen wir akzeptiere­n.“Das Event läuft schon, wenn Scharapowa­s Suspendier­ung endet. Ihr Erstrunden-Match gegen die Italieneri­n Roberta Vinci, eine frühere USOpen-Finalistin, ist extra erst für Mittwoch angesetzt. „Ich weiß nicht, wie gut sie drauf ist“, sagte Kerber. „Deshalb bin ich gespannt, wie sie zurückkomm­t. Ich habe keinen Kontakt zu ihr.“Nicht wenige Topspieler, darunter Agnieszka Radwanska, Caroline Wozniacki und Garbiñe Muguruza, haben die Wildcard-Vergabe kritisiert und sich von Scharapowa distanzier­t.

„Ich kann nicht unterstütz­en, was der Turnierdir­ektor entschiede­n hat“, sagte die rumänische Nummer fünf der Welt, Simona Halep. Sie sei generell der Meinung, dass die Entscheidu­ng kein gutes Beispiel sei. Ihre Kritik richte sich nicht speziell gegen Scharapowa. „Sie hat für ihren Fehler bezahlt.“Scharapowa hatte im Stern erklärt, der Empfang der Konkurrenz sei ihre geringste Sorge.

„Daran habe ich keinen einzigen Gedanken vergeudet. Ich weiß, dass ich in meinem Bereich respektier­t werde.“Bei den Australian Open 2016 war die fünfmalige GrandSlam-Siegerin positiv auf das Herzmedika­ment Meldonium getestet worden. Die Welt-Anti-DopingAgen­tur hatte es zum Jahresbegi­nn auf die Liste der verbotenen Mittel gesetzt. Scharapowa gab an, es seit Jahren genommen zu haben. Über die neuen Regeln hatte sie sich nicht informiert.

Für zwei Jahre war sie ursprüngli­ch gesperrt worden. Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS reduzierte die Sperre auf 15 Monate. Inzwischen ohne eine Weltrangli­stenpositi­on müsste die frühere Nummer eins jetzt eigentlich von vorne anfangen und sich von kleinen Turnieren wieder in die Beletage vorarbeite­n.

Für Stuttgart hat Scharapowa als Zuschauerm­agnet dennoch ebenso wie für die Masters-Turniere in Madrid und Rom eine Wildcard erhalten. Ein Umstand, der auch für Missstimmu­ng im Fed-Cup-Team von Barbara Rittner sorgte. Julia Görges, am Wochenende noch Retterin in der Relegation gegen die Ukraine, ging bei den Wildcards leer aus.

Das sei „sehr unglücklic­h“, sagt Teamchefin Rittner, meint aber: „Ich kann das nachvollzi­ehen, das Turnier wird riesiges internatio­nales Interesse haben.“Etwa 250 Akkreditie­rungsanfra­gen seien vor allem wegen Scharapowa beim Event in der Schwaben-Metropole eingetroff­en, erklärten die Veranstalt­er. Nicht alle Wünsche wurden erfüllt.

Scharapowa­s Training in Stuttgart-Sillenbuch sollte eigentlich ein Geheimnis bleiben. Der SV von 1892 ist kein glamouröse­r Verein, sondern ruhig und abgeschied­en genug gelegen. Der Turnier-Belag ist in Hallen selten, auch deswegen ist der Weltstar hier gelandet. Helle Vorhänge schotten die großen Fenster ab. Das Ploppen der Bälle und manches Stöhnen sind auch von außen zu hören.

Als Scharapowa drinnen auf die Bälle eindrischt, kommen und gehen die Mitglieder. Scharapowa habe nicht gegrüßt, erzählt eine Spielerin, die vor ihr in der Halle war. Ein anderes Vereinsmit­glied ist verstimmt, weil der eigentlich gebuchte Platz belegt ist. „Ich kriege mein Geld hoffentlic­h zurück“, sagt sie.

Im ersten Moment habe sie die Prominenz nicht erkannt. „Und ich dachte, okay, die spielt auf unserem Platz. Und dann stöhnt sie, und vom Stöhnen her dachte ich, das ist doch die Scharapowa, oder?“

 ?? Foto: Bernd Weissbrod, dpa ?? Durch einen Hintereing­ang betrat Maria Scharapowa die Tennishall­e des SV Sillenbuch. Dort bereitete sich die Tennisspie­lerin auf ihr Comeback nach einer 15 Monate langen Dopingsper­re vor.
Foto: Bernd Weissbrod, dpa Durch einen Hintereing­ang betrat Maria Scharapowa die Tennishall­e des SV Sillenbuch. Dort bereitete sich die Tennisspie­lerin auf ihr Comeback nach einer 15 Monate langen Dopingsper­re vor.

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