Augsburger Allgemeine (Land West)
Als Tulpen ein Vermögen kosteten
Gärten Im 17. und 18. Jahrhundert war die Blütezeit der Augsburger Gartenkunst. Was von den Anlagen noch übrig geblieben ist, zeigt das Grafische Kabinett
Stellen Sie sich vor, Sie stünden am Augsburger Stadtmarkt, schauten gen Westen und sähen am Horizont den Kobel mit der Loretokapelle! Ein solcher, gleichsam unverbauter Fernblick gehört freilich längst der Vergangenheit an. Doch bewahrt hat ihn ein Gemälde, die „Ansicht des Sulzerschen Gartens nach Westen“von Jakob Christoph Weyermann (1698–1757).
Wir sehen auf dem Gelände des heutigen Stadtmarktes auf einen ornamental angelegten Ziergarten in französischer Manier mit Kübelpflanzen, kegelförmig beschnittenen Bäumen und Tulpen, auf ein geometrisches, mit farbigem Kies ausgelegtes Wegenetz. An den Ziergarten schließt ein Nutzgarten mit Gemüse und Kräutern an, zudem ein Baumgarten, der Holz abwirft zum Kochen und Heizen. Links auf dem Bild ragt die Rückfront des Anna-Gymnasiums und der früheren Stadtbibliothek auf, rechts erheben sich die Türme des alten Einlasses, der Klinkertors, der beiden HeiligKreuz-Kirchen und des Kreuztores. (Der Sulzer’schen Anlage war übrigens die des Reichsgrafen Karl Anton von Oettingen-Wallerstein benachbart.)
ergeht sich just zu dieser Jahreszeit nicht gern im Garten? Wenn dieser Gang verbunden ist mit einem Blick in Augsburgs blühende Vergangenheit, umso schöner. Also hineinspaziert ins Grafische Kabinett, vorbei an rund 40 Kupferstichen aus dem 17., vor allem 18. Jahrhundert, von einem barocken Naturstück zum anderen. Christoph Nicht hat die 46 000 Blätter der Grafischen Sammlung nach einschlägigen Motiven durchforstet und aus alten Bildquellen eine historisch aufschlussreiche, kurzweilige Schau erstehen lassen.
Augsburg hat eine lange Gartentradition, im Stadtinneren wie vor den Mauern. Der Plan von Jörg Seld (1521), in der Ausstellung in Kopie zu sehen, gibt aus der Vogelschau einen Überblick über die vielen Nutzflächen und über große Grünflächen in der Jakobervorstadt, zudem über die von Hecken und Zäunen umrandeten Anlagen vor der Stadt. Obst und Gemüse waren gefragte Güter, man verweilte aber auch gerne im Gartenhaus – der Erholung wegen.
Meist grenzen Nutz- und Ziergarten aneinander, wobei letzterer doch die aufsichtig angelegten Kupferstiche dominiert. Die geometrische Optik, das überschaubare Weggeviert samt der im Barock hochgeschätzten Diagonale schmeicheln dem Auge. Die meisten Gärten waren den „besseren Kreisen“vorbehalten, Besitzern und ihren Bekannten, Patriziern und Kaufleuten. Sie ergingen sich in den ornamentalen Parzellen, nutzten sie für Festivitäten und erholten sich darin nicht zuletzt von der übel riechenden Innenstadt.
Daneben unterhielten auch Klöster und Kollegiatstifte dekorative Ziergärten mit Blumenbeeten und exotischen Kübelpflanzen, die im Winter in die Gewächshäuser verbracht wurden. Das Schaubild des Kanonikerstifts St. Georg (Stich von 1684) fächert die Facetten auf: Küchengarten, Blumengarten, Baumgarten, wobei die Übergänge zum mit kreuzförmigen Beeten bepflanzten Ziergarten teils fließend sind.
In den barocken Grundrissen verbirgt sich so manche Besonderheit. Der von Carl Remshart um 1725 gestochene Stetten’sche Garten (Bereich Eserwall-/Haunstetter Straße) beherbergt das einzig bekannte Heckenlabyrinth. Der Garten von Heinrich Maurmann (IHK-Gelände) weist auch ein Gelände für die Heugewinnung aus. Eine Wasser-/ Windmühle erzeugt den Druck für die Brunnenfontäne. Im GartenWer prospekt des Johann Caspar Schaur, der mit einem Wunderbalsam einträgliche Geschäfte machte, ist auch ein Hühnerhof zu entdecken – und der noch heute erhaltene Wasserturm (Provinostraße).
Was ist noch von all der Pracht übrig geblieben? Die südliche Ummauerung des Hofgartens mit den Gittern und Schindel-Skulpturen. Der weit überwiegende Rest ist in der Kunst der Grafik und Malerei aufgehoben. Umso mehr empfiehlt sich diese Ausstellung. Sie ruft durch ein Aquarell von Caspar Preiß von 1643 die einst exotische, sündteure Tulpe in Erinnerung. Sie zeigt Bilderbogen mit Kinderspielen sowie die im 18. Jahrhundert bei Groß und Klein begehrten Ausschneidebögen mit Motiven von Martin Engelbrecht, mit denen man Gartenszenarien nachstellen konnte (Kopien liegen zum Mitnehmen auf).
Ebenfalls von Engelbrecht stammt das schöne Kulissenbild in der Hochvitrine. Nebenan kündet ein Pflanzkübel aus grün glasiertem Ton, um 1600 entstanden, 1926 in der Langen Gasse gefunden, von der reichsstädtischen Gartenkunst. O
Bis 9. Juli im Grafischen Kabinett, Maximilianstraße 48; Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr. Eintritt frei.