Augsburger Allgemeine (Land West)

Seine Welt ist ein Zirkus

Lebenswerk Als Aktivist war Siegfried Stiller bekannt. Den talentiert­en Maler zeigt eine Ausstellun­g

- VON ALOIS KNOLLER

Die meisten kannten Siegfried Stiller als Aktivisten, der sich buchstäbli­ch bis zum letzten Hemd für den Kulturpark West einsetzte. Dabei war der 2016 Verstorben­e vor allem ein Maler von hoher künstleris­cher Qualität. „Er hätte noch viel mehr aus seiner Kunst machen können“, urteilt Hanna Franziska Staudenmai­er, die aus dem Nachlass ihres ehemaligen Ateliernac­hbarn eine Ausstellun­g in der BBK-Galerie im Abraxas formte.

Stiller genoss unübersehb­ar eine gediegene akademisch­e Ausbildung in Berlin und zitiert in seinen Bildern souverän die Kunstgesch­ichte. Buchstäbli­ch versteht er sich als einen freien Künstler, unabhängig von jeglicher Bevormundu­ng. Er selbst positionie­rt sich in der Nähe von Max Beckmann und Max Ernst, aber auch der Comic ist nicht weit. Ein Comic, der die menschlich­en Beziehunge­n und ihre Kommunikat­ion auf archaische Kürzel reduziert, aber gerade dadurch an Dichte und Intensität gewinnt.

Stillers Welt ist oft ein Zirkus mit waghalsige­r Artistik auf dem Pferd, eine Arena voll clowneskem Trubel und der Überwindun­g von Schwerkraf­t. In seinem Totentanz klappern die knochigen Gliedmaßen und führen allem, was im Diesseits würdig und wichtig ist, seine Nichtigkei­t vor. Er führt seine Figuren – mit entwaffnen­d klaren Augen – in den archaische­n Krieg, als stünden sie in einem Drama von Shakespear­e. Stiller liebt die großzügige Geste, er bevorzugt das große Format und setzt gern Diptychen zusammen, die er über den Bildrand hinaus bemalt.

Die Farbe ist sein Metier, seine Palette bestückt Stiller mit Türkis, Knallrot und Zitronenge­lb. Neben Öl und Acryl verwendet er auch Kaffee, Rotwein und das eigene Blut zum Malen. Sein künstleris­cher Weg führte vom Gestischen ins Figürliche. Frühe Akte wirken fast wie Pop-Art. So akribisch Siegfried Stiller Beginn und Abschluss eines Bildes protokolli­erte, so ausschweif­end formuliert­e er seine Titel, etwa den: „Langsam stirbt meine Liebe, aber dafür lerne ich fliegen“(2008). O

geöffnet 14 – 18 Uhr. In der Ausstellun­g steht nichts zum Ver kauf, Interessen­ten können sich bei Stillers Familie vormerken lassen.

Bis 27. April,

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Foto: Stiller „Masterscha­mane“nennt Siegfried Stiller dieses Diptychon.
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Siegfried Stiller

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