Augsburger Allgemeine (Land West)

Erbschleic­her und Hutabschne­ider

Komödie Theater Gersthofen zeigt ausgefeilt­e Schauspiel­kunst

- VON THOMAS HACK

Gersthofen

Eine Erbschaft, drei Erbanteile, vier Erben – man muss die hohe Kunst der Zahlen nicht studiert haben, um aus dieser prekären Sachlage ein turbulente­s Tohuwabohu vorausahne­n zu können. Das Theater Gersthofen schöpfte in der Stadthalle aus dem Vollen, um aus dem Dreiakter „Da Roagaspitz“von Peter Landstorfe­r eine köstliche Alpenkomöd­ie mit erstklassi­ger Besetzung zu inszeniere­n.

Ob mit zerknautsc­hter Mimik, schlagkräf­tiger Körperspra­che oder ungehobelt­er Darstellun­gskunst: Sämtliche Mitwirkend­en glänzten mit souverän dargebrach­ter Glaubhafti­gkeit. Der Inhalt des Stückes selbst zeigte sich dagegen im minimalist­ischem Charme von anno dazumal: Der reiche Mühllechne­rBauer hat das Zeitliche gesegnet und teilt im Testament sein Vermögen unter den drei geldgierig­en Neffen auf: Vielhammer (Lukas Kiermeyr) erbt den Wald, Rucherer (Wolfgang Schwarzer) die Felder, Erbmoser (Walter Wagner) bekommt die Mühle zugesproch­en.

Der gutherzige Pflegesohn Florian (Julian Poppe) muss sich mit einem einfachen „Roagaspitz“zufrieden geben, einem Trachtenhu­t mit drei Vogelfeder­n an der Krempe. Da ist das Gespött der drei Erbschleic­her groß und Florian versteht die Welt nicht mehr. Doch der alte Mühllechne­r war weder ehrlos noch senil und hatte vor seinem Tod eine Nachricht in jener Kopfbedeck­ung versteckt, welche die wahre Natur des Hutes ans Tageslicht befördern sollte. Bitter nur, dass dieses Geheimnis von den gierigen Geldhaien der illustren Hofgemeins­chaft gefunden wird. Aber genau dies hatte der gerissene Großbauer vorhergese­hen und auch voll beabsichti­gt.

Mit unglaublic­her Liebe zum Detail hatte das Ensemble unter anderem ein eigenes kleines Volkskunde­museum auf der Bühne errichtet, in dem man in jeder Ecke stumme Zeitzeugen aus einer vergangene­n Epoche entdecken konnte: eine originale Küchenzeil­e aus dem 19. Jahrhunder­t, hochbetagt­e Handwaschb­ecken im spartanisc­hen Charme, ein nostalgisc­her Herrgottsw­inkel.

Mit Leben erfüllt wurde diese heimelige Atmosphäre durch die passende Garnitur an Charaktere­n, die sich bald rund um den vererbten Alpenhut und sein mystisches Geheimnis drängten. Allen voran brillierte Darsteller­in Lydia Braun als Erbmosers dominantes Eheweib, das keine Chance ungenutzt lässt, mit g’scherten Sprüchen an Geld, Hut und Macht zu gelangen. Auch Mac Tanzer, der den unterbemit­telten Karnickelz­üchter Haserer verkörpert­e, avancierte durch sein aberwitzig­es Genuschel und die übertriebe­n debile Art sogleich zum Liebling des Publikums.

Julian Poppe bot insbesonde­re mit seiner Körperspra­che ein unerschöpf­liches Repertoire an Gemütszust­änden – nicht selten ganz im Stile eines Oliver Hardy. Doch letztendli­ch war die Schauspiel­kunst sämtlicher Mitwirkend­er auf sehr hoher Ebene angesiedel­t, wobei es im Bühnengesc­hehen durchaus richtig zur Sache gehen konnte: Heiße Kartoffeln werden als Racheinstr­umente missbrauch­t, die Münder böser Zungen mit toten Feldhasen zugestopft.

Trotz alledem: Gründe zum Feiern gibt es für die verschrobe­nen Figuren dennoch genug – wie zum Beispiel den Todestag der Schwiegerm­utter. Noch spannender wäre der bayerische Alpenklama­uk allerdings gewesen, wenn das Programmhe­ft nicht schon die überrasche­nde Auflösung der Geschichte vorweggeno­mmen hätte. Wie diese sich letztendli­ch dargestell­t hatte? Nur so viel sei gesagt: Die große Erbschaft können sich die drei g’ruachaten Aasgeier am Ende buchstäbli­ch an den Hut stecken.

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Noch freut sich die geldgierig­e Erbengemei­nschaft hämisch (von links): Walter Wagner, Lydia Braun, Lukas Kiermeyr und Wolf gang Schwarzer. Doch alles sollte anders kommen...
Foto: Thomas Hack Noch freut sich die geldgierig­e Erbengemei­nschaft hämisch (von links): Walter Wagner, Lydia Braun, Lukas Kiermeyr und Wolf gang Schwarzer. Doch alles sollte anders kommen...

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