Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie man mit harten Bandagen kämpft

Ein Kickbox-Crashkurs mit Weltmeiste­rin Tina Schüssler wirft nur ein Problem auf

- VON OLIVER REISER (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Die Fastenzeit ist vorbei, der Frühling kommt hoffentlic­h auch bald wieder. Die einzige Konstante ist unsere Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstvers­uch testen wir in den kommenden Wochen verschiede­ne Möglichkei­ten, sich fit zu halten, und geben anhand unserer dabei gesammelte­n Erfahrunge­n Tipps.

Das kommt davon: Immer wieder habe ich bei verschiede­nen Terminen mit der dreifachen Weltmeiste­rin Tina Schüssler geflachst, dass wir einmal miteinande­r kämpfen sollten. Der größte Fight seit Stephan Raab gegen Regina Hallmich, der dem TV-Moderator eine gebrochene Nase beschert hat. Bisher war es nur ein Scherz. Jetzt wird es ernst. Für die Serie „Fit wie ein Turnschuh“geben wir alles. Ob beim Buggy Fit oder beim Kickboxen. Ich bin bereit.

Es ist Donnerstag­abend, es regnet aus trüben Wolken. Im Hinterhof einer Autowerkst­att mitten in der Augsburger Innenstadt befindet sich der Eingang zum Sportstudi­o. Schwarz gekleidete, bärtige Sportler stehen vor der Türe. Ich trage einen Hoody mit Kapuze und fühle mich gerade so ein bisschen wie Rocky Balboa in Philadelph­ia.

„Auf geht’s! Pack mer’s!“Eine gut gelaunte und wie immer energiegel­adene Tina Schüssler reißt mich aus meinen Träumen. „Komm mit!“Sie zeigt mir den Weg zur Umkleideka­bine im ersten Stock. Eine Mischung aus Schweiß und Massageöl hängt in er Luft. Musik dröhnt aus den Boxen. Gülhan Gürsoy bringt mir eine nagelneue Thai-Box Hose. „XXL. Kann man auch über die Jogginghos­e anziehen“, lächelt der Inhaber des Champions Gym, dem neuen Geschäftsp­artner von Tina Schüssler, die im dortigen Leis- tungszentr­um seit geraumer Zeit als Trainerin und Coach mitarbeite­t.

Zum Aufwärmen drehen wir einige Runden um den Boxring, der den Mittelpunk­t des Gyms bildet. Vor dem großen Spiegel an der Wand, indem ich mich zum ersten Mal in meiner schicken Kickbox-Hose sehe, erklärt mir die dreifache Weltmeiste­rin im Boxen, Kickboxen und K1 die Grundschlä­ge. Es gibt zwei Geraden: Die Führhand „Jab“und die Schlaghand „Punch“. Dann den seitlich ausgeführt­en Haken und den von unten geschlagen­en Uppercut. „Erst sollte man mit dem Boxen vertraut sein, bevor man mit Kickboxen beginnt“, sagt Tina Schüssler. Denn da kommen dann noch die Fußschläge dazu. Beim K1 sind außerdem Schläge mit dem Knie erlaubt, beim Thaiboxen auch mit den Ellbogen.

Nach der Theorie beginnt die Praxis. Dazu werden sorgfältig die Hände bandagiert. „Dadurch werden die Knöchel geschützt und die Finger zusammen gehalten“, erklärt Tina Schüssel während der Prozedur. Erst dann darf ich in die Handschuhe schlüpfen. Während klassische Boxhandsch­uhe geschnürt sind, werden Kickbox-Handschuhe mit Klettband verschloss­en. Sitzt jedenfalls perfekt – ich spüre nichts mehr.

Auch das 1,68 Meter große Energiebün­del hat sich mittlerwei­le Handschuhe übergezoge­n. Sogenannte Pratzen. Auf die darf ich jetzt in verschiede­nen Kombinatio­nsfolgen einschlage­n. „Jap, Punch, Jap!“Das wichtigste dabei: Die Hände müssen immer wieder schnellstm­öglich als Deckung zurück an den Kopf und man muss den Gegner immer im Auge behalten. Ich habe Mühe, überhaupt die mir entgegen gehaltenen Pratzen in der geforderte­n Reihenfolg­e zu treffen. Zumal ich mittlerwei­le auch meine Brille abgelegt habe. „Boxen ist auch Kopfsache“, grinst Tina Schüssler, während mir der Schweiß in Strömen von der Stirn rinnt.

Und jetzt kommen auch noch die Fußschläge dazu. Autsch! Der erste Tritt gegen den Boxsack fühlt sich an, wie wenn man früher mit einem mit Wasser vollgesoge­nen Lederball gekickt hat. Auch hier erfordert es die entspreche­nde Haltung und Konzentrat­ion. Rundkick, Frontkick – der Crashkurs geht weiter.

Zum Abschluss ist Bilal Langhans, internatio­naler deutscher K1-Vizemeiste­r, mein Sparringsp­artner. Octay Sancak, der Kickbox-Trainer des Champions Gym, beobachtet uns. Wohlwollen­d, wie mir scheint, obwohl aus den geforderte­n drei Minuten ständigen Schlagens nur 20 Sekunden werden. Dann bin ich völlig am Ende. Und es gibt noch ein weiteres Problem. Obwohl mich Bilal auffordert „trau dich!“habe ich Hemmungen, gegen den Körper eines anderen Menschen zu schlagen. „Das geht mir genauso“, verrät Tina Schüssler, „erst nach ein paar Minuten ändert sich das dann.“In ihrem nächsten Kampf kann sie sich diese Sentimenta­litäten nicht leisten. Am 8. Oktober tritt Schüssler in Berlin gegen die neunfache Weltmeiste­rin Schahrsad Shahmirzad­i an. Und dieser Kampf wird live im Fernsehen übertragen.

Fazit: Brutal schweißtre­ibend, so ein Kickbox Training. Man kann sich hier in kürzester Zeit auspowern ohne Ende und merkt es gar nicht so rich tig, weil die Anforderun­gen so vielfäl tig sind. Allerdings: Für mich als friedliebe­nden Menschen, der keinem anderen weh tun will und auch selbst nicht geschlagen werden möchte, ist diese Sportart in seiner Wettkampf form wohl nicht geeignet.

 ??  ?? Nur Spaß! Weltmeiste­rin Tina Schüssler hat im Kickbox Crashkurs mit unserem Sportredak­teur Oliver Reiser nicht wirklich zugeschlag­en.
Nur Spaß! Weltmeiste­rin Tina Schüssler hat im Kickbox Crashkurs mit unserem Sportredak­teur Oliver Reiser nicht wirklich zugeschlag­en.
 ??  ?? Neben den Faustschlä­gen kommen beim Kickboxen auch noch Fußtritte ins Spiel. Tina Schüssler beobachtet diesen Sidekick ganz genau.
Neben den Faustschlä­gen kommen beim Kickboxen auch noch Fußtritte ins Spiel. Tina Schüssler beobachtet diesen Sidekick ganz genau.
 ??  ?? Nach dem Aufwärmen stehen erst einmal Trockenübu­ngen und das Erlernen der ver schiedenen Schläge vor dem Spiegel auf dem Programm.
Nach dem Aufwärmen stehen erst einmal Trockenübu­ngen und das Erlernen der ver schiedenen Schläge vor dem Spiegel auf dem Programm.
 ??  ?? Harte Bandagen. Vor Trainingsb­eginn werden die Hände sorgfältig mit einem elasti schen Band umwickelt.
Harte Bandagen. Vor Trainingsb­eginn werden die Hände sorgfältig mit einem elasti schen Band umwickelt.
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