Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie man mit harten Bandagen kämpft
Ein Kickbox-Crashkurs mit Weltmeisterin Tina Schüssler wirft nur ein Problem auf
Die Fastenzeit ist vorbei, der Frühling kommt hoffentlich auch bald wieder. Die einzige Konstante ist unsere Serie „Fit wie ein Turnschuh“. Im Selbstversuch testen wir in den kommenden Wochen verschiedene Möglichkeiten, sich fit zu halten, und geben anhand unserer dabei gesammelten Erfahrungen Tipps.
Das kommt davon: Immer wieder habe ich bei verschiedenen Terminen mit der dreifachen Weltmeisterin Tina Schüssler geflachst, dass wir einmal miteinander kämpfen sollten. Der größte Fight seit Stephan Raab gegen Regina Hallmich, der dem TV-Moderator eine gebrochene Nase beschert hat. Bisher war es nur ein Scherz. Jetzt wird es ernst. Für die Serie „Fit wie ein Turnschuh“geben wir alles. Ob beim Buggy Fit oder beim Kickboxen. Ich bin bereit.
Es ist Donnerstagabend, es regnet aus trüben Wolken. Im Hinterhof einer Autowerkstatt mitten in der Augsburger Innenstadt befindet sich der Eingang zum Sportstudio. Schwarz gekleidete, bärtige Sportler stehen vor der Türe. Ich trage einen Hoody mit Kapuze und fühle mich gerade so ein bisschen wie Rocky Balboa in Philadelphia.
„Auf geht’s! Pack mer’s!“Eine gut gelaunte und wie immer energiegeladene Tina Schüssler reißt mich aus meinen Träumen. „Komm mit!“Sie zeigt mir den Weg zur Umkleidekabine im ersten Stock. Eine Mischung aus Schweiß und Massageöl hängt in er Luft. Musik dröhnt aus den Boxen. Gülhan Gürsoy bringt mir eine nagelneue Thai-Box Hose. „XXL. Kann man auch über die Jogginghose anziehen“, lächelt der Inhaber des Champions Gym, dem neuen Geschäftspartner von Tina Schüssler, die im dortigen Leis- tungszentrum seit geraumer Zeit als Trainerin und Coach mitarbeitet.
Zum Aufwärmen drehen wir einige Runden um den Boxring, der den Mittelpunkt des Gyms bildet. Vor dem großen Spiegel an der Wand, indem ich mich zum ersten Mal in meiner schicken Kickbox-Hose sehe, erklärt mir die dreifache Weltmeisterin im Boxen, Kickboxen und K1 die Grundschläge. Es gibt zwei Geraden: Die Führhand „Jab“und die Schlaghand „Punch“. Dann den seitlich ausgeführten Haken und den von unten geschlagenen Uppercut. „Erst sollte man mit dem Boxen vertraut sein, bevor man mit Kickboxen beginnt“, sagt Tina Schüssler. Denn da kommen dann noch die Fußschläge dazu. Beim K1 sind außerdem Schläge mit dem Knie erlaubt, beim Thaiboxen auch mit den Ellbogen.
Nach der Theorie beginnt die Praxis. Dazu werden sorgfältig die Hände bandagiert. „Dadurch werden die Knöchel geschützt und die Finger zusammen gehalten“, erklärt Tina Schüssel während der Prozedur. Erst dann darf ich in die Handschuhe schlüpfen. Während klassische Boxhandschuhe geschnürt sind, werden Kickbox-Handschuhe mit Klettband verschlossen. Sitzt jedenfalls perfekt – ich spüre nichts mehr.
Auch das 1,68 Meter große Energiebündel hat sich mittlerweile Handschuhe übergezogen. Sogenannte Pratzen. Auf die darf ich jetzt in verschiedenen Kombinationsfolgen einschlagen. „Jap, Punch, Jap!“Das wichtigste dabei: Die Hände müssen immer wieder schnellstmöglich als Deckung zurück an den Kopf und man muss den Gegner immer im Auge behalten. Ich habe Mühe, überhaupt die mir entgegen gehaltenen Pratzen in der geforderten Reihenfolge zu treffen. Zumal ich mittlerweile auch meine Brille abgelegt habe. „Boxen ist auch Kopfsache“, grinst Tina Schüssler, während mir der Schweiß in Strömen von der Stirn rinnt.
Und jetzt kommen auch noch die Fußschläge dazu. Autsch! Der erste Tritt gegen den Boxsack fühlt sich an, wie wenn man früher mit einem mit Wasser vollgesogenen Lederball gekickt hat. Auch hier erfordert es die entsprechende Haltung und Konzentration. Rundkick, Frontkick – der Crashkurs geht weiter.
Zum Abschluss ist Bilal Langhans, internationaler deutscher K1-Vizemeister, mein Sparringspartner. Octay Sancak, der Kickbox-Trainer des Champions Gym, beobachtet uns. Wohlwollend, wie mir scheint, obwohl aus den geforderten drei Minuten ständigen Schlagens nur 20 Sekunden werden. Dann bin ich völlig am Ende. Und es gibt noch ein weiteres Problem. Obwohl mich Bilal auffordert „trau dich!“habe ich Hemmungen, gegen den Körper eines anderen Menschen zu schlagen. „Das geht mir genauso“, verrät Tina Schüssler, „erst nach ein paar Minuten ändert sich das dann.“In ihrem nächsten Kampf kann sie sich diese Sentimentalitäten nicht leisten. Am 8. Oktober tritt Schüssler in Berlin gegen die neunfache Weltmeisterin Schahrsad Shahmirzadi an. Und dieser Kampf wird live im Fernsehen übertragen.
Fazit: Brutal schweißtreibend, so ein Kickbox Training. Man kann sich hier in kürzester Zeit auspowern ohne Ende und merkt es gar nicht so rich tig, weil die Anforderungen so vielfäl tig sind. Allerdings: Für mich als friedliebenden Menschen, der keinem anderen weh tun will und auch selbst nicht geschlagen werden möchte, ist diese Sportart in seiner Wettkampf form wohl nicht geeignet.