Augsburger Allgemeine (Land West)
Starkes Drama im Altenheim
Polizeiruf 110: Nachtdienst
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr
Ein Altenheim als Albtraum. Mit Menschen, die irgendein Horror in den „Johannishof“getrieben hat, wo sie die letzte Phase ihres Lebens an sich vorbeifließen lassen. Es gibt: einen toten Bewohner, von dem keiner weiß, wie er ums Leben gekommen ist. Drei überforderte Pfleger – in einer unendlich langen Nacht, die mit dem eigentlichen Schauplatz München nichts zu tun hat. Eine alte, kunstsinnige Dame, deren Demenz nicht zu übersehen ist – und als Zeugin des offensichtlichen Mordes nicht wahrgenommen wird. Das alles muss man wissen, um „Nachtdienst“aus der Reihe „Polizeiruf 110“zu verstehen.
In diesem provozierenden Stilmix aus Krimi und einem sich zuspitzenden Drama bemüht sich Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) um Aufklärung. Bis an die psychischen Grenzen geht von Meuffels fast zwanghaft, um all die Ungereimtheiten aufzuklären, die ihn eigentlich überfordern. Die krummen Lebensgeschichten der Pfleger und die noch kompliziertere Vergangenheit der oft pflegebedürftigen Bewohner lassen schon ahnen, dass die Geschichte ein extremes, auch blutiges Ende nehmen wird.
Matthias Brandt, der leider demnächst im „Polizeiruf 110“aufhört, agiert hier in der Meuffels-Rolle preisverdächtig. Von Einstellung zu Einstellung wirkt er – alleingelassen von den Kollegen – müder, will aber den Fall in einer Nacht durchziehen. Auch wenn die Nerven mit ihm durchgehen. Und er sieht sich im Traum sogar als heruntergekommenes Pflegeheimopfer. Wer dem Film Ermittlungsfehler nachweisen will und Schlamperei im medizinischen Bereich, kann das. Aber ein TV-Krimi ist nun mal keine Doku über die Missstände in einem Pflegeheim, sondern im besten Fall ein fiktives Drama, das sozialpolitische Wirklichkeit widerspiegelt. Regisseur Rainer Kaufmann hat das erkannt.
Das kann nur funktionieren, wenn die Besetzung stimmt. Jede Nebenrolle ist perfekt besetzt. Von Meuffels hat sogar einen Liebling: die von Elisabeth Schwarz verkörperte demente Dame. „Kommen Sie, Gnädigste“, sagt er mal zu ihr. Ein schöner Satz. Rupert Huber