Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie viel Plärrer soll es sein?
Debatte Es war dieses Mal richtig, dem Volksfest ein paar Tage mehr zu gönnen. Die Stadt sollte sich aber überlegen, wie sie solche Situationen künftig handhabt. Nur nach den Schaustellern kann sie sich nicht richten
Zwei Tage noch, dann ist’s vorbei. Nach drei Wochen statt der üblichen zwei geht der Osterplärrer zu Ende. Es war, bis jetzt, ein in weiten Teilen friedliches und vergleichsweise ruhiges Volksfest; eines auch, das abseits der klassischen Bierzelt-Atmosphäre spektakuläre Attraktionen bot, die bis dahin in Augsburg noch nicht zu sehen waren. Günstig ist ein Plärrer-Besuch nicht (mehr), sofern man nicht nur über das Gelände schlendern, sondern auch etwas essen, trinken und erleben will, aber das ist bei anderen Volksfesten ähnlicher Größe auch nicht anders.
Es war daneben ein zum Teil schlecht besuchtes, da verregnetes Fest. Das miese Wetter riss den Stand- und Karussellbetreibern ein Loch in die Kassen. Wenn Leute Regenjacken anziehen müssen, ehe sie nach draußen gehen, haben sie nun mal wenig Lust, Achterbahn zu fahren oder Zuckerwatte zu naschen. Das Anliegen der Schausteller, das Volksfest verlängern zu lassen, war nachvollziehbar, und es war dieses Mal die richtige Entscheidung der Stadt, diesem Wunsch nachzukommen. Hörbare Gegenstimmen gab es keine, die Statuten geben es her.
Man könnte allerdings meinen, dass es ein schwieriger Vorgang ist, einem solchen Fest vier Tage mehr Zeit einzuräumen. Stattdessen war es eine schnelle und unkomplizierte Entscheidung, deren Grundlage ein kurzer Absatz in der städtischen Satzung über den Frühjahrs- und Herbstplärrer von 2013 ist. „Der Augsburger Plärrer beginnt [...] im Frühjahr am Ostersonntag. Er dauert fünfzehn Tage“, steht dort. Und: „Bei besonders ungünstigen Witterungsverhältnissen [...] oder aus besonderem Anlass kann von dieser Regelung abgewichen werden.“Das war’s.
Das klingt nicht nur schwammig, das ist es auch. Klar: Eine solche Formulierung bietet der Stadt viel Spielraum. Derart beliebige Kriterien werfen aber auch Fragen auf. Etwa, was eigentlich passiert, wenn die besonders ungünstigen Witterungsverhältnisse während der Verlängerungszeit konstant ungünstig bleiben. So abwegig ist das nicht; auch in den vergangenen Tagen war das Wetter oft nicht gerade einladend. Könnte der Plärrer also theoretisch noch einmal verlängert werden? Und: Wie oft und wie lange?
Wenn man den Frühjahrs- und Herbstplärrer zusammennimmt, so dauert das größte Volksfest in der Stadt heuer mehr als fünf Wochen – Stand jetzt. Es dürfte kaum eine andere Stadt im näheren oder weiteren Umfeld geben, in der es Vergleichbares gibt. Die Wiesn, zweieinhalb Wochen lang, ging voriges Jahr auch phasenweise im Regen unter; niemand kam auf die Idee, Tage dranzuhängen. In Bamberg dauert die Sandkerwa nicht mal eine Woche, dieses Jahr findet sie wohl gar nicht statt, aufgrund „der aktuellen Sicherheitslage und der finanziellen Risiken“, wie der Veranstalter mitteilt.
So gesehen haben es die Volksfestliebhaber in Augsburg traumhaft. Für Pendler, die ihre Autos im Normalfall auf dem Plärrer abstellen, gilt das nicht, für die Anwohner noch weniger. Sicher: Jeder, der in die Nähe des Plärrers zieht, weiß, was ihn dort erwartet, und die Pendler werden’s verkraften können. Doch ganz ignorieren kann man ihre Situation nicht. Ebenso wenig, dass sich der Plärrer nun mit anderen Veranstaltungen in der Stadt überschneidet, dem Marktsonntag und dem Kirschblütenfest, was deren Organisatoren im Vorfeld nicht ahnen konnten.
Ein Volksfest lebt eben auch von seinem exklusiven Charakter; davon, dass es ein kurzfristiges Highlight ist, kein Dauerzustand. Und, um einen beliebten Party-Song mal abzuwandeln: Immerhin ist Plärrer nicht nur einmal im Jahr. Wenn das Wetter beim Herbstplärrer erneut nicht mitspielt, sollte sich die Stadt einer möglichen Verlängerung eher verweigern. Zwei Mal zusätzliche Tage braucht es in einem Jahr nicht. Es gehört zum Risiko eines Volksfestes, dass es auch mal schlecht laufen kann. Nächstes Jahr sieht es zu Ostern vielleicht schon wieder anders aus.