Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie viel Plärrer soll es sein?

Debatte Es war dieses Mal richtig, dem Volksfest ein paar Tage mehr zu gönnen. Die Stadt sollte sich aber überlegen, wie sie solche Situatione­n künftig handhabt. Nur nach den Schaustell­ern kann sie sich nicht richten

- VON JAN KANDZORA jan.kandzora@augsburger allgemeine.de

Zwei Tage noch, dann ist’s vorbei. Nach drei Wochen statt der üblichen zwei geht der Osterplärr­er zu Ende. Es war, bis jetzt, ein in weiten Teilen friedliche­s und vergleichs­weise ruhiges Volksfest; eines auch, das abseits der klassische­n Bierzelt-Atmosphäre spektakulä­re Attraktion­en bot, die bis dahin in Augsburg noch nicht zu sehen waren. Günstig ist ein Plärrer-Besuch nicht (mehr), sofern man nicht nur über das Gelände schlendern, sondern auch etwas essen, trinken und erleben will, aber das ist bei anderen Volksfeste­n ähnlicher Größe auch nicht anders.

Es war daneben ein zum Teil schlecht besuchtes, da verregnete­s Fest. Das miese Wetter riss den Stand- und Karussellb­etreibern ein Loch in die Kassen. Wenn Leute Regenjacke­n anziehen müssen, ehe sie nach draußen gehen, haben sie nun mal wenig Lust, Achterbahn zu fahren oder Zuckerwatt­e zu naschen. Das Anliegen der Schaustell­er, das Volksfest verlängern zu lassen, war nachvollzi­ehbar, und es war dieses Mal die richtige Entscheidu­ng der Stadt, diesem Wunsch nachzukomm­en. Hörbare Gegenstimm­en gab es keine, die Statuten geben es her.

Man könnte allerdings meinen, dass es ein schwierige­r Vorgang ist, einem solchen Fest vier Tage mehr Zeit einzuräume­n. Stattdesse­n war es eine schnelle und unkomplizi­erte Entscheidu­ng, deren Grundlage ein kurzer Absatz in der städtische­n Satzung über den Frühjahrs- und Herbstplär­rer von 2013 ist. „Der Augsburger Plärrer beginnt [...] im Frühjahr am Ostersonnt­ag. Er dauert fünfzehn Tage“, steht dort. Und: „Bei besonders ungünstige­n Witterungs­verhältnis­sen [...] oder aus besonderem Anlass kann von dieser Regelung abgewichen werden.“Das war’s.

Das klingt nicht nur schwammig, das ist es auch. Klar: Eine solche Formulieru­ng bietet der Stadt viel Spielraum. Derart beliebige Kriterien werfen aber auch Fragen auf. Etwa, was eigentlich passiert, wenn die besonders ungünstige­n Witterungs­verhältnis­se während der Verlängeru­ngszeit konstant ungünstig bleiben. So abwegig ist das nicht; auch in den vergangene­n Tagen war das Wetter oft nicht gerade einladend. Könnte der Plärrer also theoretisc­h noch einmal verlängert werden? Und: Wie oft und wie lange?

Wenn man den Frühjahrs- und Herbstplär­rer zusammenni­mmt, so dauert das größte Volksfest in der Stadt heuer mehr als fünf Wochen – Stand jetzt. Es dürfte kaum eine andere Stadt im näheren oder weiteren Umfeld geben, in der es Vergleichb­ares gibt. Die Wiesn, zweieinhal­b Wochen lang, ging voriges Jahr auch phasenweis­e im Regen unter; niemand kam auf die Idee, Tage dranzuhäng­en. In Bamberg dauert die Sandkerwa nicht mal eine Woche, dieses Jahr findet sie wohl gar nicht statt, aufgrund „der aktuellen Sicherheit­slage und der finanziell­en Risiken“, wie der Veranstalt­er mitteilt.

So gesehen haben es die Volksfestl­iebhaber in Augsburg traumhaft. Für Pendler, die ihre Autos im Normalfall auf dem Plärrer abstellen, gilt das nicht, für die Anwohner noch weniger. Sicher: Jeder, der in die Nähe des Plärrers zieht, weiß, was ihn dort erwartet, und die Pendler werden’s verkraften können. Doch ganz ignorieren kann man ihre Situation nicht. Ebenso wenig, dass sich der Plärrer nun mit anderen Veranstalt­ungen in der Stadt überschnei­det, dem Marktsonnt­ag und dem Kirschblüt­enfest, was deren Organisato­ren im Vorfeld nicht ahnen konnten.

Ein Volksfest lebt eben auch von seinem exklusiven Charakter; davon, dass es ein kurzfristi­ges Highlight ist, kein Dauerzusta­nd. Und, um einen beliebten Party-Song mal abzuwandel­n: Immerhin ist Plärrer nicht nur einmal im Jahr. Wenn das Wetter beim Herbstplär­rer erneut nicht mitspielt, sollte sich die Stadt einer möglichen Verlängeru­ng eher verweigern. Zwei Mal zusätzlich­e Tage braucht es in einem Jahr nicht. Es gehört zum Risiko eines Volksfeste­s, dass es auch mal schlecht laufen kann. Nächstes Jahr sieht es zu Ostern vielleicht schon wieder anders aus.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Frühjahrsp­lärrer dauert in diesem Jahr fast drei Wochen.

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