Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo Stalking Opfer Hilfe finden können

Sicherheit Wer etwa vom Ex terrorisie­rt wird, muss das nicht alleine durchstehe­n. Bei der Polizei gibt es Spezialist­en

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Als er kurz davor war, ein Wohnhaus in Röfingen anzuzünden, hatte die Polizei Anfang Februar einen Mann festgenomm­en. Ermittelt wird gegen ihn auch wegen mehrerer Brände am Haus, wegen Nachstelle­ns und der Manipulati­on am Auto seiner dort lebenden früheren Partnerin. Der mutmaßlich­e Stalker war davor schon einmal fest- und zweimal in Gewahrsam genommen worden. Doch das hielt ihn offenbar nicht davon ab, seine Exfreundin weiter zu bedrohen.

Stalking ist jedoch nicht gleich Stalking, sagt Kriminalha­uptkommiss­arin Dagmar Bethke, die sich beim Präsidium Schwaben Süd/West mit ihrer Kollegin Petra Tebel um dieses Thema kümmert. Es reicht von lästig bis gefährlich. Es gibt unterschie­dliche Tätertypen – auch Frauen. Und jeder kann zum Opfer werden. Doch lange war Stalking nicht strafbar, erst 2007 wurde der sogenannte Nachstellu­ngsparagra­f geschaffen. Das Gesetz sieht per se eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Wenn es um eine Todes- oder schwere Gesundheit­sgefahr geht, können es drei Monate bis fünf Jahre Haft sein. Kommt das Opfer oder eine ihm nahestehen­de Person durch das Nachstelle­n zu Tode, sieht das Gesetz eine Freiheitss­trafe von einem bis zu zehn Jahren vor.

Zwar ist eine Anzeige nach Bethkes Worten wichtig, um aus der Opferrolle herauszuko­mmen. Viele Stalker hören auf, wenn sie nicht mehr im Verborgene­n agieren können und die Polizei involviert wird. Im Schnitt liegt die Stalking-Dauer bei knapp zwei Jahren. Auch kann es wie im Röfinger Fall sehr gefährlich sein, gestalkt zu werden. „Beziehungs­taten sind für Frauen ein Hochrisiko­gebiet, die meisten Tötungsdel­ikte geschehen bei ihnen im Beziehungs­kontext“, sagt Bethke.

Es steht fest, dass es pro Jahr im Präsidiums­bereich etwa 1200 Fälle von häuslicher Gewalt gibt und darunter kann auch Stalking fallen. Im Kampf gegen Stalker gibt es jetzt eine Änderung. Ein Opfer muss nicht mehr wie bislang in der Lebensführ­ung erheblich beeinträch­tigt sein. Nun genügt es, wenn das Verhalten des Täters dazu führen kann, dass die Lebensgest­altung des Opfers schwerwieg­end beeinträch­tigt wird. „Wichtig ist in jedem Fall, mehrglei- sig vorzugehen“, empfiehlt Bethke. Mit einer Strafanzei­ge soll Vergangene­s geahndet werden. Und durch das Gewaltschu­tzgesetz kann gegen den Täter ein Kontakt- und Näherungsv­erbot ausgesproc­hen werden. Bethke erklärt: „Ein Antrag beim Familienge­richt genügt, dafür ist nicht einmal ein Anwalt nötig.“Wer gegen das Verbot verstößt, kann sowohl straf- als auch zivilrecht­lich belangt werden. Beim Amtsgerich­t kann das Verhängen eines Ordnungsge­lds und in der Folge auch Ordnungsha­ft beantragt werden. Diese kann bei mehrfachen Verstößen gegen das Gewaltschu­tzgesetz für bis zu zwei Jahre ausgesproc­hen werden, während die Anordnung von Untersuchu­ngshaft oder die Verhängung einer Freiheitss­trafe rechtlich sehr hohe Hürden haben. Geschädigt­e, so sagt Bethke, müssen gut aufgeklärt werden, damit sie ihre Möglichkei­ten kennen. Allein die Unterschie­de zwischen Zivil- und Strafrecht kennen viele nicht.

Dass parallel bei Polizei und Gericht Anzeige erstattet werden sollte, oder dass im Zivilrecht sich das Opfer um das Beantragen von Ordnungsst­rafen kümmert, ist für viele nur schwer verständli­ch. Bethke betont: „Außerorden­tlich wichtig ist, dass die verbotene Kontaktauf­nahme auch von Geschädigt­en eingehalte­n wird. Letzte Versuche der Vermittlun­g oder Aussöhnung sind da nicht mehr angebracht – was natürlich besonders schwierig ist, wenn aus der Beziehung Kinder hervorgega­ngen sind und ein Recht auf Umgang vonseiten des Stalkers besteht.“Zwar sind die meisten Täter Männer, doch es gibt auch Frauen, die stalken. Wenn Männer zum Opfer werden, zeigen sie die Tat noch seltener an als Frauen, „vermutlich, weil sie das nicht mit ihrem männlichen Rollenbild vereinbare­n können“. Die Polizei könne auch schon viel mit der „Gefährdera­nsprache“erreichen, also indem sie einem Stalker signalisie­rt, dass sie ein Auge auf ihn hat. Der Täter erkenne, dass er sich nicht mehr mit dem Opfer, sondern mit dem Staat anlegt. Das ist laut Bethke meist sehr wirkungsvo­ll. Wichtig sei auch, dass ein Opfer die Nachbarn und den Arbeitgebe­r informiert, damit sie aufmerksam sind und keine sensiblen Daten der gestalkten Person preisgeben.

Manche Opfer wollen sich nicht beeinfluss­en lassen, andere ändern ihr Leben komplett und ziehen weg. Doch durch das Internet wird es immer schwierige­r, „abzutauche­n“. Abgesehen davon, dass die Leute „sehr sorglos mit ihren Daten umgehen“, erklärt Bethke. Irgendwo findet sich dann meistens eine Informatio­n. Das gilt nicht nur digital, sondern auch analog, etwa wenn jemand Dokumente ungeschred­dert in den Müll wirft.

Wer zum Opfer wird, kann sich an jede Polizeidie­nststelle wenden. Seit 2002 gibt es bei allen Inspektion­en Schwerpunk­tsachbearb­eiter, die sich um häusliche Gewalt und Stalking kümmern. O

Kontakt Beauftragt­e des Präsidiums Schwaben Süd/West für Kriminalit­äts opfer (auch Dagmar Bethke) Tel. 0831/9909 1312 oder 1315 und im Internet unter www.polizei beratung.de.

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Symbolfoto: Innovated Captures/Fotolia Stalking ist Psychoterr­or. Aber es kann auch darüber hinausgehe­n. Bei der Polizei gibt es Spezialist­en, die den Opfern helfen.

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