Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo Stalking Opfer Hilfe finden können
Sicherheit Wer etwa vom Ex terrorisiert wird, muss das nicht alleine durchstehen. Bei der Polizei gibt es Spezialisten
Als er kurz davor war, ein Wohnhaus in Röfingen anzuzünden, hatte die Polizei Anfang Februar einen Mann festgenommen. Ermittelt wird gegen ihn auch wegen mehrerer Brände am Haus, wegen Nachstellens und der Manipulation am Auto seiner dort lebenden früheren Partnerin. Der mutmaßliche Stalker war davor schon einmal fest- und zweimal in Gewahrsam genommen worden. Doch das hielt ihn offenbar nicht davon ab, seine Exfreundin weiter zu bedrohen.
Stalking ist jedoch nicht gleich Stalking, sagt Kriminalhauptkommissarin Dagmar Bethke, die sich beim Präsidium Schwaben Süd/West mit ihrer Kollegin Petra Tebel um dieses Thema kümmert. Es reicht von lästig bis gefährlich. Es gibt unterschiedliche Tätertypen – auch Frauen. Und jeder kann zum Opfer werden. Doch lange war Stalking nicht strafbar, erst 2007 wurde der sogenannte Nachstellungsparagraf geschaffen. Das Gesetz sieht per se eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Wenn es um eine Todes- oder schwere Gesundheitsgefahr geht, können es drei Monate bis fünf Jahre Haft sein. Kommt das Opfer oder eine ihm nahestehende Person durch das Nachstellen zu Tode, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor.
Zwar ist eine Anzeige nach Bethkes Worten wichtig, um aus der Opferrolle herauszukommen. Viele Stalker hören auf, wenn sie nicht mehr im Verborgenen agieren können und die Polizei involviert wird. Im Schnitt liegt die Stalking-Dauer bei knapp zwei Jahren. Auch kann es wie im Röfinger Fall sehr gefährlich sein, gestalkt zu werden. „Beziehungstaten sind für Frauen ein Hochrisikogebiet, die meisten Tötungsdelikte geschehen bei ihnen im Beziehungskontext“, sagt Bethke.
Es steht fest, dass es pro Jahr im Präsidiumsbereich etwa 1200 Fälle von häuslicher Gewalt gibt und darunter kann auch Stalking fallen. Im Kampf gegen Stalker gibt es jetzt eine Änderung. Ein Opfer muss nicht mehr wie bislang in der Lebensführung erheblich beeinträchtigt sein. Nun genügt es, wenn das Verhalten des Täters dazu führen kann, dass die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt wird. „Wichtig ist in jedem Fall, mehrglei- sig vorzugehen“, empfiehlt Bethke. Mit einer Strafanzeige soll Vergangenes geahndet werden. Und durch das Gewaltschutzgesetz kann gegen den Täter ein Kontakt- und Näherungsverbot ausgesprochen werden. Bethke erklärt: „Ein Antrag beim Familiengericht genügt, dafür ist nicht einmal ein Anwalt nötig.“Wer gegen das Verbot verstößt, kann sowohl straf- als auch zivilrechtlich belangt werden. Beim Amtsgericht kann das Verhängen eines Ordnungsgelds und in der Folge auch Ordnungshaft beantragt werden. Diese kann bei mehrfachen Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz für bis zu zwei Jahre ausgesprochen werden, während die Anordnung von Untersuchungshaft oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe rechtlich sehr hohe Hürden haben. Geschädigte, so sagt Bethke, müssen gut aufgeklärt werden, damit sie ihre Möglichkeiten kennen. Allein die Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrecht kennen viele nicht.
Dass parallel bei Polizei und Gericht Anzeige erstattet werden sollte, oder dass im Zivilrecht sich das Opfer um das Beantragen von Ordnungsstrafen kümmert, ist für viele nur schwer verständlich. Bethke betont: „Außerordentlich wichtig ist, dass die verbotene Kontaktaufnahme auch von Geschädigten eingehalten wird. Letzte Versuche der Vermittlung oder Aussöhnung sind da nicht mehr angebracht – was natürlich besonders schwierig ist, wenn aus der Beziehung Kinder hervorgegangen sind und ein Recht auf Umgang vonseiten des Stalkers besteht.“Zwar sind die meisten Täter Männer, doch es gibt auch Frauen, die stalken. Wenn Männer zum Opfer werden, zeigen sie die Tat noch seltener an als Frauen, „vermutlich, weil sie das nicht mit ihrem männlichen Rollenbild vereinbaren können“. Die Polizei könne auch schon viel mit der „Gefährderansprache“erreichen, also indem sie einem Stalker signalisiert, dass sie ein Auge auf ihn hat. Der Täter erkenne, dass er sich nicht mehr mit dem Opfer, sondern mit dem Staat anlegt. Das ist laut Bethke meist sehr wirkungsvoll. Wichtig sei auch, dass ein Opfer die Nachbarn und den Arbeitgeber informiert, damit sie aufmerksam sind und keine sensiblen Daten der gestalkten Person preisgeben.
Manche Opfer wollen sich nicht beeinflussen lassen, andere ändern ihr Leben komplett und ziehen weg. Doch durch das Internet wird es immer schwieriger, „abzutauchen“. Abgesehen davon, dass die Leute „sehr sorglos mit ihren Daten umgehen“, erklärt Bethke. Irgendwo findet sich dann meistens eine Information. Das gilt nicht nur digital, sondern auch analog, etwa wenn jemand Dokumente ungeschreddert in den Müll wirft.
Wer zum Opfer wird, kann sich an jede Polizeidienststelle wenden. Seit 2002 gibt es bei allen Inspektionen Schwerpunktsachbearbeiter, die sich um häusliche Gewalt und Stalking kümmern. O
Kontakt Beauftragte des Präsidiums Schwaben Süd/West für Kriminalitäts opfer (auch Dagmar Bethke) Tel. 0831/9909 1312 oder 1315 und im Internet unter www.polizei beratung.de.