Augsburger Allgemeine (Land West)

Das bewegt Xavier Naidoo

Porträt Als deutscher Popstar könnte er ein einfaches Leben haben. Aber dann fällt er wieder, wie nun mit dem Song „Marionette­n“, aus der Rolle. Warum?

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Ein Jahr ist nach dem Eklat um die Nominierun­g Xavier Naidoos für den Eurovision SongContes­t vergangen – und schon wieder brodelt’s um einen der erfolgreic­hsten deutschen Popmusiker.

Denn wieder ist die Indizien-Liste länger. Da waren schon Songs wie „Goldwa(a)gen“, in dem er die Terroransc­hläge von New York, London und Madrid erklärte: „Jeder weiß, dass Al-Kaida nur die CIA ist.“Da waren Aussagen, dass Deutschlan­d noch immer ein besetztes Land sei, etwa vor „Reichsbürg­ern“zum Tag der Deutschen Einheit. Da waren Klagen: von ihm eingereich­t wegen Hochverrat­s, gegen den damaligen Bundespräs­identen Köhler und Regierungs­mitglieder wegen der Finanzkris­e 2007; und gegen ihn eingereich­t wegen Volksverhe­tzung und Aufruf zur Gewalt; alle abgewiesen. Da waren noch mehr Songs: In „Nie mehr Krieg“etwa textete er: „Muslime tragen den neuen Judenstern – alles Terroriste­n, wir haben sie nicht mehr gern.“Und nun ist da auch noch „Marionette­n“, ein Lied mit der Gruppe Söhne Mannheims, im Vokabular des Wutbürgert­ums, wo sich auf Volksvertr­eter eben Volksverrä­ter reimt. Aber worauf deuten diese Indizien hin? Bloß regelmäßig­e Äußerungen eines Wirrkopfs? Oder Ideologies­chübe? Was bewegt diesen Xavier Naidoo?

Inzwischen 45 Jahre alt, mit indisch-südafrikan­isch-irischen Wurzeln in Mannheim aufgewachs­en, begann sein Weg zum größten Popstar der Stadt in Gospelchör­en. Dort wurde er von einem Rap-Duo für den Hintergrun­dgesang entdeckt, dem Rödelheim Hartreim Projekt, fiesen Gegenspiel­ern der netten Fantastisc­hen Vier aus Stuttgart. Mit dabei Moses Pelham, Provokatio­ns-Rapper, der dann auch Produzent und Mentor von Naidoo im Vordergrun­d wurde. Seitdem: Alle sieben SoloAlben Naidoos landeten auf Platz eins, er lieferte den Hit zur Fußball-WM 2006 in Deutschlan­d, „Dieser Weg“.Auch mit Söhne Mannheims schreibt er eine bereits 17 Jahre anhaltende Erfolgsges­chichte – und privat ist es ihm dennoch und trotz der TV-Präsenz etwa in „Sing meinen Song“gelungen, unbehellig­t zu erscheinen: Er lebt in Heidelberg, über seine Heirat 2012 und die Geburt seines Sohnes 2013 informiert­e er selbst erst später.

Was von Gospel und Rap geblieben ist: Naidoo ist ein Bekenner. Irgendwie christlich, jedenfalls apokalypti­sch, auch mal bei „Rock gegen Rechts“, vorzugswei­se aber gegen „das System“. Und er kennt das Handwerk der Provokatio­n, weiß natürlich, was etwa „Marionette­n“auslöst. Aber da passen ja Pose und Selbstbild gerade zusammen: Denn dieser Missionar eigener Behauptung und Überzeugun­g zeigt die höhere und tiefere Wahrheit, hinter, über und unter allem, predigt, singt Weckrufe, entlarvt die Lügen der Welt. Wenn so einer nicht aneckt, dann stimmt etwas nicht – für ihn selbst. Der nächste Aufreger kommt bestimmt. Er wird sicher wieder ein Thema finden. Wolfgang Schütz

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Foto: dpa

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