Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine kritische Phase für die Energiewen­de

- VON MICHAEL KERLER michael.kerler@augsburger allgemeine.de

Dass die Stromtrass­en von Nord nach Süd neu geplant werden, ist noch immer verständli­ch und richtig. Groß wären die Eingriffe in die Landschaft gewesen, groß war der Widerstand vieler Gemeinden. Statt überirdisc­her Trassen sollen die Leitungen nun unterirdis­ch verlaufen. Das entschärft viele Konflikte, die Politik hat die Energiewen­de aber auch in eine kritische Phase manövriert.

Es zeichnet sich ab, dass der Bau der Stromleitu­ngen, die Windenergi­e von den Küsten in den Süden bringen sollen, erheblich länger dauert. Auch die Kosten steigen. Fachleuten zufolge kann eine Erdtrasse drei- bis sechsmal teurer werden, im Extremfall auch achtmal.

Bis zur Fertigstel­lung wird es zudem schwierige­r werden, das Stromnetz auszubalan­cieren. Denn in Bayern fallen mit dem Abschalten der Kernkraftw­erke bis Ende 2022 große Kapazitäte­n weg. Dem Freistaat wird es bis dahin nicht gelingen, die Lücke zuverlässi­g durch Strom aus Sonne, Wind oder Biomasse zu ersetzen. Photovolta­ik und Windkraft schwanken stark und fallen in Bayern an manchen Tagen im Winter fast komplett aus. Strom muss dann aus anderen Quellen kommen. Das Leitungsne­tz ist heute aber zu wenig in der Lage, große Windstrom-Mengen von den Küsten abzutransp­ortieren. Es arbeitet zu oft am Anschlag.

Für die kritische Übergangsz­eit bleibt Deutschlan­d auf Reservekra­ftwerke angewiesen, die mit Kohle oder Gas laufen. Viel Strom könnte Bayern bald auch aus dem Ausland importiere­n – sei es aus Österreich, Italien, Frankreich oder Tschechien. Zufriedens­tellend ist das auf Dauer nicht.

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