Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwischen Teufel, Tod und Trost

Landesauss­tellung Auch Bayern ist Martin Luthers Land geworden. Wie Ritter, Bauern und Bürger vor 500 Jahren lebten, wird auf der Veste Coburg möglichst originalge­treu erzählt

- VON ALOIS KNOLLER

Coburg

Ein feste Burg war Martin Luther allweil lieb. Sei es die Wartburg, die ihm als Gebanntem 1521 Zuflucht gewährte und nun Schauplatz der nationalen Luther-Ausstellun­g ist, oder die Veste Coburg, die ihm einen sicheren Vorposten zum Augsburger Reichstag 1530 bot und jetzt Ort der bayerische­n Landesauss­tellung „Ritter, Bauern, Lutheraner“vom 9. Mai bis 5. November ist. Ganz nah am Menschen dieser Umbruchzei­t will sie sein und ihre Lebenswelt möglichst mit 250 originalen Exponaten plastisch darstellen.

So regte das historisch­e Augsburger Monatsbild zum Herbst die Ausstellun­gsmacher vom Haus der Bayerische­n Geschichte zu einer Reihe kleiner Szenen an. Mit virtuellen Animatione­n und Dialogen erwacht der Markttrube­l von 1531 zum Leben. Die Leute mokieren sich über steigende Preise für Lebensmitt­el, die Ratsherren sorgen sich um zunehmende Armut in der Stadt, sogar über den Zahnbreche­r geifert die Ärzteschaf­t. Vom Landleben hat man in der Stadt das Zerrbild von Tanz, Festen und Völlerei plumper Bauern. Ihre drückenden Abgaben an die Obrigkeit sah man nicht.

Gemeinsam hatten sie alle Angst vor dem allgegenwä­rtigen Tod. Als Knochenman­n auf einem gierigen Löwen schlägt er die Stunden auf einer Turmuhr aus Heilsbronn. Derweil stiften Teufel die Menschen überall zur Übertretun­g der göttlichen Gebote an, um sie listenreic­h in die Hölle zu stürzen. Zum Glück gibt es in Bayern starke Ablässe, wunderkräf­tige Reliquien und tröstliche Wallfahrte­n, um die Seele rein zu halten. Selbst Luther bekommt auf der Veste einen Hedwigsbec­her aus Noppenglas geschenkt, worin sich angeblich Wasser zu Wein verwandelt, weil er Hedwigs Nichte, die heilige Elisabeth von Thüringen, so schätzte.

Ausläufer des schon fernen Mittelalte­rs sind auch die beliebten Ritterturn­iere mit blankem Harnisch auf einem bunt gedeckten Ross. Die Rüstung habe schon mehr der Repräsenta­tion („der Ferrari eines Adligen“) gedient als dem militärisc­hen Zweck, verrät Peter Wolf, der Projektlei­ter der Coburger Schau. Die neuen Schutzpatr­one heißen Reichtum und Einfluss; als Damen personifiz­iert huldigen sie auf einer Miniatur (1545) von Sebastian Laucher dem Kaufmann Jakob Fugger. Die Dreifaltig­keit des neuen Wirtschaft­ens vor 500 Jahren besteht aus Lohnarbeit, Textil- und BergbauTec­hnik sowie Banken-Kapital.

Der Geist wendet sich derweil den alten Quellen zu und bezieht aus der Antike den Mut zur Selbststän­digkeit. Das neue Denken befeuert auch der Mönch Martin Luther aus Wittenberg, der aus der Bibellektü­re direkten Zugang zu Gott schöpft. Auf der Veste Coburg, wo er seinen „Reichstag der Dohlen“abhält, dieweil seine Vertrauten in Augsburg am neuen Bekenntnis zur Vorlage vor Kaiser Karl V. feilen, strotzt er suiten ein zweites Rom und die Universitä­t Ingolstadt ein Hort der alten Glaubensle­hre, malt man ins Augsburger Consulatsb­uch von 1545 sorgsam die Wappen der Patrizierg­eschlechte­r beider Konfession­en und die Herren Frankens schließen sich per gesiegelte­r Urkunde dem Schmalkald­ischen Schutz- und Trutzbund an. Hätten sie nur nicht Moritz von Sachsen, der „Judas von Meißen“, als Evangelisc­her aufseiten des Kaisers 1548 niedergesc­hlagen.

Am Ende findet man sich in einer Welt der Seifenblas­en wieder: Verklärung­en der Reformatio­n („drum tracht, oh lieber Christ, fürwahr / zu werden, wie einst Luther war“) einschließ­lich der Bettstatt Luthers, aus der sich die Frommen ungeniert eine Reliquie schnitzten, und ihre missbräuch­liche Indienstna­hme für das deutsche Heer im Ersten Weltkrieg und durch NS-Gauleiter Hans Schemm. Unten in der Coburger Morizkirch­e erklingt zuletzt lutherisch­e Musik und es zeigt sich, welchen Platz evangelisc­he Kirche heute in der Stadt einnimmt. O

hat die Landesauss­tellung täglich von 9 bis 18 Uhr. Der Katalog kostet 24 Euro. Für Kinder gibt es viel zu entdecken und ein museumspäd­agogisches Programm. Anmeldunge­n zur Führung unter Tel. 0821/45057457.

Geöffnet

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Foto: Michael Reichel, dpa Martin Luthers Zeit wird in der Landesauss­tellung auf der Veste Coburg sicht und erlebbar. Ab morgen ist die Schau geöffnet.

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