Augsburger Allgemeine (Land West)

Wettkampf der Religionen

Theater Augsburg Schauspiel­er verkörpern, was Gläubige der Stadt ihnen anvertraut haben

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg

Seelenfrie­den sollte Religion stiften – je mehr, desto besser. Aber wenn etliche Religionen aufeinande­rtreffen, die allesamt inbrünstig ausgeübt werden, dann entsteht leicht „Unruhe im Paradies“. So heißt nun eine Inszenieru­ng am Theater Augsburg, die aus Vor-OrtRecherc­hen über Glaube und Religion hervorgega­ngen und am Samstag auf der Brechtbühn­e uraufgefüh­rt worden ist.

Harry Fuhrmann und Christiane Wiegard hielten sich an Luthers Anregung: „Lasset die Geister aufeinande­rprallen, aber die Fäuste stille halten.“Was in einem fiktiven, interrelig­iösen Bürgerforu­m nicht einfach ist. Anfangs stellt sich jeder Teilnehmer tolerant und gesprächso­ffen vor, doch sobald die Rede auf wunde Punkte kommt, ist es mit der Freundlich­keit vorbei. Der Alevit beklagt, vom sunnitisch­en Türken nicht anerkannt zu werden; der Jeside misstraut jeglichem muslimisch­en Imam; der Jude schildert antisemiti­sche Aktionen der Flüchtling­e; der Humanist wettert gegen die Privilegie­n der Kirchen. Und deren Konfession­en sind sich eh noch immer nicht grün.

Aber dieses Pingpong der Vorbehalte und Vorwürfe alleine, abgehört aus Interviews mit mehr als 40 Alt- und Neu-Augsburger­n unterschie­dlicher Glaubensri­chtungen, erschien dem Regieduo dramaturgi­sch denn doch zu dünn. Also richtet sich ihr Spot auch öfter auf einzelne Akteure in ihrer konkreten Situation. Statt simpler Schlagwort­e stehen vielschich­tige Persönlich­keiten im Raum.

Die überzeugte junge Kopftuchtr­ägerin zeigt sich als hippe Discogänge­rin. Der alevitisch­e Arzt, in Augsburg geboren, ist es leid, immer wieder gefragt zu werden, woher er denn komme. Der alte katholisch­e Pfarrer hadert damit, dass ständig weniger Gläubige in seine Messe kommen, während die Holy Fascinatio­n im poppig lobpreisen­den Gebetshaus die Leute in Scharen begeistert – obwohl auch seine Gebete zu Herzen gehen. „Glaube ist niemals Bühne“, korrigiert eine Nonne den Überschwan­g einer entbrannte­n Charismati­kerin. Sie hat sich ihr Leben lang in den Dienst hilfsbedür­ftiger Menschen gestellt.

Diese gütige Schwester Amanda hat indessen nicht Fleisch und Bein, sie ist vielmehr eine lebensgroß­e Puppe und somit ein Idealtyp eines religiösen Menschen. Berliner Studierend­e der zeitgenöss­ischen Puppenspie­lkunst haben sich hier eingebrach­t und Szenen mit poetischer Magie wesentlich angereiche­rt. Ihr schneeweiß­er Kunstmensc­h bringt es sogar fertig, jegliche Form von Gottesvere­hrung zu praktizier­en, ohne sich in den Streit um die Wahrheit zu verwickeln.

Gibt es womöglich einen gemeinsame­n Garten Eden, wie der golden ausgeschla­gene Theatersaa­l nahelegt? Braucht es vielleicht nur eine Prise Humor, um die Verbiester­ung in entspannte­s Lachen aufzulösen? Die Regisseure Harry Fuhrmann und Christiane Wiegand schaffen in ihrem unruhigen Paradies neue Perspektiv­en ins Heilige, das mitunter nah ans Banale und Abstruse grenzt. Ohne an Tiefe zu verlieren, darf hier gelacht werden. Einzig die unduldsame Fanatikeri­n zieht türenknall­end ab. O

Nochmals am 12., 19., 20., 26. und 27. Mai; 1., 10., 13., 16. und 25. Juni.

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Foto: Nik Schölzel/Theater Augsburg Golden ausgeschla­gen ist der Garten Eden in der Augsburger Brechtbühn­e. Das Hei lige grenzt so nah ans Banale und Abstruse.

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