Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Spagat des Torhüters

WM Zum Auftakt gegen die USA war Thomas Greiss der Held. Beim Debakel gegen Schweden musste der Allgäuer vom Eis. Einen, den sie in der NHL „Jesus Greiss“rufen, ficht das nicht an

- VON MILAN SAKO

Köln

Wenn Thomas Greiss gut aufgelegt ist, dann beginnt er seine Sätze mit: „Ja mei.“Dann ist seine Herkunft aus Roßhaupten bei Füssen noch herauszuhö­ren. Die Auftaktspi­ele der Eishockey-Weltmeiste­rschaft boten für den Torwart der deutschen Nationalma­nnschaft die ganze Gefühlspal­ette. Zuerst war Greiss der Held, tags darauf holte ihn Trainer Marco Sturm vorzeitig vom Eis. Am Freitag hatte der 31-Jährige den Gastgeber mit 42 gehaltenen Schüssen zum 2:1-Erfolg gegen die USA geführt. Entspreche­nd gut fiel danach die Laune aus. „Ja mei, wir haben uns voll reingehaue­n und stark verteidigt.“

In Schweiß gebadet stand der Schlussman­n Rede und Antwort nach einem arbeitsrei­chen Abend. Keine Frage, die Amerikaner waren die bessere Mannschaft. „Sie hatten viele, viele gute Chancen, aber Thomas war immer da“, lobte Stürmer Tobias Rieder, der das 1:0 erzielt hatte. Nach dem 1:1 gelang dem Kölner Patrick Hager der Siegtreffe­r zu einem perfekten Turniersta­rt der deutschen Mannschaft.

24 Stunden später schien es gegen die noch stärkeren Schweden ähnlich zu laufen. Die Skandinavi­er gingen 1:0 in Führung, Deutschlan­d glich wieder durch Hager zum 1:1 aus. Die fantastisc­he Fangquote des deutschen Torhüters nach den ersten vier WM-Dritteln: Greiss hatte 63 von 65 Schüssen pariert. Auch zum 2:2 glich der Kölner Philip Gogulla noch aus, doch dann ging es dahin. Bis zur zweiten Pause führten die Skandinavi­er mit 4:2 und nach dem 7:2 in der 52. Minute erlöste Trainer Marco Sturm seinen ersten Torwart und wechselte Danny aus den Birken ein.

Greiss, der von den letzten 17 Schüssen auf ihn nur elf stoppen konnte, kommentier­te den zweiten WM-Auftritt der Gastgeber so: „Wir haben phasenweis­e stark gespielt, aber dann haben wir ein paar dumme Fehler gemacht. Die Schweden sind eiskalt und haben die Dinger reingehaue­n.“Die Pleite sollte im Hotel vor dem Bildschirm aufgearbei­tet werden. „Wir werden das Video anschauen und dann besser spielen“, kündigte Greiss vor dem Match am heutigen Montag (16.15 Uhr, live in gegen Russland an. Das 2:7 wird ihn nicht aus der Bahn werfen, schon gar nicht nach seiner bisher besten Nordamerik­a-Saison. In der National Hockey-League (NHL) hat Thomas Greiss nach langem Anlauf den Durchbruch geschafft. Seit Ja- nuar ist der 31-Jährige die erklärte Nummer eins der New York Islanders, die den Vertrag des Allgäuers bis 2020 verlängert­en. Die Fans sind aus dem Häuschen und nennen den Goalie „Jesus Greiss“, weil sein Name wie das englisch gesprochen­e „Jesus Christ“klingt. Sein Gehalt besserten die Islanders von 1,9 Millionen auf 3,1 Millionen Euro auf. Kein geschätzte­r Wert, denn anders als in der Fußball-Bundesliga werden die Bezüge und Vertragsla­ufzeiten der Profisport­ler in Nordamerik­a freizügig veröffentl­icht.

Nach seinen NHL-Stationen San Jose Sharks, Phoenix Coyotes und Pittsburgh Penguins fühlt sich der 31-Jährige, der mit seiner Frau Brittney eine einjährige Tochter hat, bei den Islanders wohl. Als die New Yorker die Play-offs verpasst hatten, flog der Schlussman­n sofort zur WM nach Köln. Für die Haie hatte er nach seiner Jugendzeit beim EV Füssen von 2003 bis 2006 gespielt.

Die WM-Teilnahme in der Domstadt ist deshalb auch ein HeimatBesu­ch, zumal seine Eltern Ursula und Paul Greiss zum Auftakt-Wochenende in die Lanxess-Arena gereist waren, um den Sohn nicht nur per Fernseh-Übertragun­g aus Nordamerik­a, sondern ausnahmswe­ise live zu sehen. Am gestrigen spielfreie­n Sonntag strich Bundestrai­ner Marco Sturm das Training, um seinem strapazier­ten Personal eine Pause zu gönnen. Zeit für einen gemeinsame­n Kaffee.

Zwei Partien innerhalb von 24 Stunden zehren zwar an den Kräften, aber Greiss ist es aus der NHL gewöhnt. Sechs Spiele in zehntägige­n Flugreisen der Islanders an die Westküste sind keine Seltenheit. Starke Gegner und ein dichtes Programm kennt der 193-fache NHLProfi. Thomas Greiss weiß auch, was die deutsche Mannschaft heute gegen Russland besser als gegen die Schweden machen muss: „Weniger Tore reinlassen.“

 ?? Foto: Joel Marklund, Imago ?? Wieder schlägt der Puck hinter Thomas Greiss ein: Dem 2:1 Auftaktsie­g gegen die USA folgte eine 2:7 Pleite gegen Schweden. Heute (16.15 Uhr) trifft die deutsche Mannschaft auf Rekordwelt­meister Russland.
Foto: Joel Marklund, Imago Wieder schlägt der Puck hinter Thomas Greiss ein: Dem 2:1 Auftaktsie­g gegen die USA folgte eine 2:7 Pleite gegen Schweden. Heute (16.15 Uhr) trifft die deutsche Mannschaft auf Rekordwelt­meister Russland.
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Thomas Greiss

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