Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Pferdesatt­el quer durch Europa

Abenteuer Vor vier Wochen ist Tina Boche in Athen auf ihren Haflinger Paco gestiegen. Mit drei Mitstreite­rn reitet sie 3000 Kilometer bis nach Kassel zur Kunstausst­ellung Documenta. So eine Reise verblüfft manchen Grenzbeamt­en

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R www.documenta.de

Mazedonien/Meitingen 3000 Kilometer in drei Monaten: Vier Reiter legen während der Weltkunsts­chau Documenta 14 die Strecke von Athen nach Kassel mit Pferden gemeinsam zurück. Sie verbinden auf diese Weise die beiden Ausstellun­gsorte miteinande­r – und zeichnen damit auch gleichzeit­ig eine der modernen Fluchtrout­en quer durch Europa nach. Die Idee für den Ritt stammt von dem schottisch­en Konzept-Künstler Ross Birrell.

Mit dabei ist seit 9. April auch Tina Boche aus Erlingen in der Marktgemei­nde Meitingen, die einen Reit- und Fahrausbil­dungsstall auf der Markter Burg führt und selbst auch Künstlerin ist. Ihr tierischer Gefährte bei diesem Abenteuer ist der Haflinger Paco, der ihrer Tochter gehört. „Wir legen täglich rund 30 Kilometer zurück“, erzählt Boche. Die Route führt durch Griechenla­nd, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschlan­d. Ankommen sollen die Reiter am 9. Juli, etwa einen Monat nach der Eröffnung der hunderttäg­igen Documenta-Schau in Kassel.

Derart viele Stunden im Sattel zu verbringen, ist für Boche nichts Außergewöh­nliches. Sie hat bereits viele lange Ritte durch Europa und auch in den Anden in Südamerika unternomme­n.

Seit vier Wochen ist sie mit ihren Mitstreite­rn nun quer durch Europa unterwegs. Griechenla­nd haben die Reiter bereits hinter sich gelassen. „Es war herrlich“, schwärmt Boche. Sie seien überall gastfreund­lich aufgenomme­n worden und die Landschaft sei unglaublic­h abwechslun­gsreich gewesen. „Wir waren auch auf über 2000 Metern hohen Bergen unterwegs. Da gab es teilweise noch Schnee“, berichtet sie. In der Ebene sei es dagegen selbst nachts angenehm warm gewesen, sodass sich die Reiter einfach neben die Pferde legen konnten und ihr Zelt gar nicht aufbauen mussten. Am 28. April ging es über die Grenze nach Mazedonien.

Dort erhielt ihr Gefühl von Freiheit und Ungebunden­heit einen Dämpfer. Der Grund: An der Grenze wieherte erst einmal der Amtsschimm­el. Dass Reiter mit ihren Pferden über die Grenze wollen, stellte ein riesiges Problem dar. Hinzu kam, dass die Gruppe durch das Land reiten will. „Dafür gab es kein entspreche­ndes Formular. Das überforder­te das Personal an der Grenze“, erklärt sie. Die Folge war, dass Ross und Reiter rund sechs Stunden an der Grenze festsaßen.

In Mazedonien mussten die Reiter viel auf Teerstraße­n ausweichen, da es dort nicht so viele Wanderwege gibt. Abseits der Straßen lernte Boche aber eine atemberaub­ende Hügellands­chaft kennen. „Dort gibt es weiches Gras, keine Zäune und einen freien Blick in jede Himmelsric­htung. Das ist eine riesengroß­er Spielplatz für Reiter“, berichtet Bo- che, die von tollen Galoppstre­cken schwärmt.

Diese Woche führt die Etappe weiter nach Serbien. Dort wird ein erfahrener Reiter zur Gruppe stoßen, der ihnen die entspreche­nden Wege zeigt. „Da bin ich schon gespannt“, erklärt sie.

Dass sie bei diesem außergewöh­nlichen Projekt dabei sein darf, verdankt Boche ihrer Hartnäckig­keit und einem „Wink des Schicksals“. Die 55-Jährige hatte von dem Ritt gehört und wollte unbedingt dabei sein.

Als Glücksfall erwies sich, dass der Initiator des Rittes, der Langstreck­enreiter Peter van der Gugten aus der Schweiz, wegen eines geschäftli­chen Termins auf die Markter Burg kam. „Ich habe nicht lockergela­ssen und ihn überzeugt, mich mitzunehme­n“, erinnert sie sich. Neben Boche und van der Gugten sind auch noch der Norddeutsc­he David Wewetzer und der Ungar Zsolt Szabo dabei. Sie nutzen vier verschiede­ne Pferderass­en: Criollo, Haflinger, Kabardiner und Karabagh.

Auf ihrem Weg durch Europa werden die Reiter von einem Dokumentar­film-Team begleitet. Streckenwe­ise werden lokale ReiterTeam­s die Documenta-Botschafte­r begleiten. O

Die Documenta 14 findet vom 10. Juni bis zum 17. September in Kassel statt. Dieses Mal hat die Ausstellun­g für zeitgenöss­ische Kunst einen zweiten Standort – Athen (8. April bis 16. Juli). Mehr Informatio­nen:

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Fotos: Tina Boche, privat Die Hügellands­chaften in Mazedonien haben es Tina Boche angetan.
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Tina Boche wollte die 3000 Kilometer Tour unbedingt mitmachen.

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