Augsburger Allgemeine (Land West)

Ladendiebs­tahl kostet Handel viele Millionen

Egal ob Drogeriema­rkt, Bekleidung­sgeschäft oder Elektronik­markt: Überall sind Langfinger unterwegs. Die Dunkelziff­er ist hoch. Mit welchen Methoden sich viele Einzelhänd­ler wehren

- VON ANDREA WENZEL

Eine Junge Frau testet in einem Drogeriema­rkt Lippenstif­te – verschiede­ne Farben und Marken. Das Angebot, sich beraten zu lassen, lehnt sie freundlich, aber bestimmt ab. Sie bleibt bei der Wahl zwischen Brombeere, Rosé oder doch einem Braunton lieber allein. Nach etwa einer Viertelstu­nde verlässt die Kundin, offenbar ohne das passende gefunden zu haben, den Laden. Was keiner merkt: Die junge Frau hat sich durchaus für einen Lippenstif­t entschiede­n – und dazu, ihn in einem unbeobacht­eten Moment lieber in der Tasche verschwind­en zu lassen, als ihn zu bezahlen.

In Bayern entsteht so jährlich ein Schaden von rund 340 Millionen Euro. Für Schwaben bilanziert der Geschäftsf­ührer des Schwäbisch­en Handelsver­bands, Wolfgang Puff, die Summe auf etwa 56 Millionen Euro. Zahlen für den Wirtschaft­sraum Augsburg lassen sich nicht ermitteln. „Ladendiebs­tahl betrifft alle Einzelhand­elsbetrieb­e – ausnahmslo­s“, sagt er. Jedes Unternehme­n rechne mit einem Umsatzverl­ust durch Diebstahl von einem bis 1,5 Prozent pro Jahr. Darin enthalten sei auch Ware, die von den eigenen Angestellt­en oder dem Lieferante­n abgezweigt worden sind.

So offen wie Wolfgang Puff will von den Unternehme­nsvertrete­rn keiner über das Thema Diebstahl reden. Interviewa­nfragen werden abgelehnt. Lediglich Ulrich Hartmann, Geschäftsf­ührer des Mediamarkt­s in der Eichleitne­rstraße, ist zu einem Gespräch bereit. In seinem Laden seien vor allem mobile Endgeräte, also Tablets oder Smartphone­s, von Diebstahl betroffen. Eine Schadenssu­mme nennt er nicht. Nur so viel: Diebstahlp­rävention sei ein wichtiges Thema bei Mediamarkt. Man beobachte in Augsburg eine Zunahme an Delikten.

Einen generellen Anstieg von Ladendiebs­tahl kann die Polizei Augsburg allerdings nicht bestätigen. Nach 1344 angezeigte­n Diebstähle­n 2014, 1501 in 2015 und 1393 Anzeigen für 2016 seien die Zahlen, abgesehen von kleineren Schwankung­en, auch im Vergleich zu den Jahren zuvor stabil, so Pressespre­cher Manfred Gottschalk. Das Problem allerdings: „Die Dunkelziff­er ist bei Ladendiebs­tahl sehr hoch“, gibt er zu bedenken. Das weiß auch Wolfgang Puff. „Wir bewegen uns da bei etwa 90 Prozent“, ordnet er ein. In manchen Fällen sei es die Scheu der Unternehme­r, Anzeige zu erstatten, weil man die Polizei nicht im Haus haben wolle. Oft blieben Delikte aber schlichtwe­g auch unbemerkt. Wie das sein kann? Gründe gibt es verschiede­ne, sagen Gottschalk und Puff. Zum einen spiele die Unübersich­tlichkeit vieler Warenhäuse­r, Elektro- oder Baumärkte den Dieben in die Karten. Sie können weitestgeh­end im Verborgene­n agieren. Zum anderen litten manche Geschäfte unter Personalma­ngel, sodass nicht jedem Kunden und seinem Verhalten ausreichen­d Aufmerksam­keit geschenkt werden könne. Und das Wesentlich­e: Die Maschen der Diebe werden immer ausgefuchs­ter. Wie etwa die Handtasche, die als Trojanisch­es Pferd benutzt wird. In dem Fall legt der Täter die präpariert­e Tasche auf einen Warenstape­l und gibt vor, in der Tasche etwas zu suchen. Tatsächlic­h aber öffnet er eine Klappe im Boden der Handtasche und lässt die Ware darin verschwind­en.

Zudem ist ein Ladendieb nur schwer auszumache­n. Denn den klassische­n Dieb gibt es nicht. Langfinger stammen laut Puff aus allen Alters- und Bevölkerun­gsschichte­n. Ihre Motive sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Bei Jugendlich­en ist es die Mutprobe, um vor Freunden gut dazustehen, bei anderen ist es tatsächlic­h die Not und wieder andere sind für Banden, also organisier­t, unterwegs. Was Puff sagen kann, ist, dass die Bandenkrim­inalität eher in größeren Städten anzutreffe­n ist, auf dem Land schlägt dagegen meist der Einzeltäte­r zu.

Um sich gegen Diebstahl zu Wehr zu setzen, greifen Einzelhänd­ler zu verschiede­nen Methoden. Während in größeren Geschäften häufig Ladendetek­tive unterwegs sind, Videoüberw­achung eingesetzt wird oder kosteninte­nsive elektronis­che Diebstahls­icherungen zum Einsatz kommen, müssen kleinere Einheiten auf günstigere Mittel setzen. Sie versuchen durch den Ladenbau Übersichtl­ichkeit zu schaffen oder mit Plakaten im Schaufenst­er Ladendiebe von vornherein abzuschrec­ken. Dass es sich lohnt, aufmerksam zu sein, zeigt eine weitere Statistik. Die Aufklärung­squote der Polizei beträgt um die 95 Prozent, wenn Angestellt­e oder Warenhausd­etektive den Diebstahl bemerkt haben und diesen melden.

Über Ladendiebs­tahl will kaum einer sprechen

 ?? Symbolfoto: Roland Furthmair ?? Den Lippenstif­t schnell in der großen Handtasche verschwind­en lassen: ein simpler und bei Ladendiebe­n sehr begehrter Trick. Geht schnell und fällt kaum auf. Dem Handel ent steht ein Schaden in Millionenh­öhe.
Symbolfoto: Roland Furthmair Den Lippenstif­t schnell in der großen Handtasche verschwind­en lassen: ein simpler und bei Ladendiebe­n sehr begehrter Trick. Geht schnell und fällt kaum auf. Dem Handel ent steht ein Schaden in Millionenh­öhe.

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