Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein heikler Tausch
Geschichte Die Staats- und Stadtbibliothek zeigt erstmals ihre französischen Luxusdrucke. Wie sie in den Besitz des Hauses kamen und was für sie einst hergegeben wurde
Frau Seidl, die Staats- und Stadtbibliothek zeigt in dieser Woche erstmals französische Luxusdrucke aus der Sammlung Graf Golowkin, die sich seit 1798 im Besitz der Bibliothek befinden. Warum erst jetzt?
Edith Seidl: Die Bücher kamen durch einen Tausch in den Besitz der Bibliothek und gerieten dann in Vergessenheit. Um 1800 waren Drucke dieser Art sehr begehrt, und als die Stadt Augsburg 1806 zum Königreich Bayern kam, interessierten sich die Münchner natürlich auch für diese Schätze in der Stadtbibliothek. Einige der Prachtwerke wurden ausgewählt, um sie nach München zu bringen. Aus unbekannten Gründen wurden sie aber nicht abgefordert und blieben in Augsburg. Da die Drucke vom Zeitgeschmack abhängig waren, hat man sie bald nicht mehr geschätzt. Die eingetauschten Bücher wurden auf das Bibliotheksmagazin verteilt und in die Fächer Geschichte, Kunst oder Literatur eingeordnet. Sie waren als kompletter Bestand nicht mehr sichtbar. Ihre Herkunft und wie sie in den Besitz der Stadtbibliothek kamen, war nicht mehr erkennbar.
Was ist das für ein Tausch gewesen, durch den die Bibliothek in den Besitz der Drucke gelangte?
Seidl: Hergegeben wurden von dem Stadtbibliothekar Hieronymus Andreas Mertens fünf frühe Werke, darunter zwei reich illuminierte Main- zer Inkunabeln von 1466 bzw. 1470 und ein Druck von Aldus Manutius von 1513, alle auf Pergament. Angesichts des Wertes und der Seltenheit dieser Bücher ist das aus heutiger Sicht ein schmerzlicher Verlust.
Wissen Sie, warum man sich auf diesen Tausch eingelassen hat?
Seidl: Der Stadtbibliothekar wusste ganz genau, was er hergab. 1782 hat er diese Werke noch als Schätze mit großem Seltenheitswert dem Papst bei dessen Besuch in Augsburg gezeigt. Aber er war auch ein Aufklä- rer und hat immer wieder angemahnt, dass eine Bibliothek nicht nur das historische Gedächtnis einer Stadt sein darf, sondern auch neue Literatur anschaffen muss. Ich glaube, er hat die Abgabe der alten Bücher als vorteilhaft angesehen. Denn er erhielt ja nicht nur die 22 Luxusdrucke aus der Sammlung Graf Golowkin, die wir jetzt zeigen, sondern er konnte auch 23 neue Titel auf Kosten des Grafen im Buchhandel erwerben. Die Bibliothek bekam somit auf einen Schlag fast 100 Bände, darunter eben auch die reich illustrierten Luxusdrucke, die in ihrer Zeit das Nonplusultra waren.
Was macht die Drucke so besonders? Seidl: Zum einen die Geschichte ihres Erwerbs, vor allem aber die reiche Ausstattung mit Kupferstichen, das hohe technische Niveau der Herstellung auf großformatigem Velin-Papier und die Sorgfalt der Buchverarbeitung: Goldschnitt und Einbände aus rotem Maroquin-Leder mit Goldprägung.
Wie haben Sie diese Besonderheit in den Beständen entdeckt? Seidl: Ich beschäftige mich schon sehr lange mit Georg Wilhelm Zapf, einem Büchersammler und Antiquar aus dem 18. Jahrhundert. Der hat in zwei Artikeln über diesen Tausch geschrieben. Auf diese Artikel bin ich gestoßen, weil ich über Inkunabel-Handel und Buchauktionen im 18. Jahrhundert forsche. Die Europawoche zum Thema Frankreich bietet jetzt eine wunderbare Gelegenheit, diese französischen Luxusdrucke komplett zu zeigen.
Warum werden diese Schätze nur in dieser Woche gezeigt und nicht länger?
Seidl: Die Idee zur Ausstellung wurde sehr schnell geboren, ohne langen Vorlauf. Wir probieren das jetzt in der Europawoche aus. Danach soll die Ausstellung weiterhin gezeigt werden, aber in den Unteren Cimeliensaal kann man nur mit Führung hinein. Wir haben in der Bibliothek noch keinen Ausstellungsraum, den man unabhängig vom Bibliotheksbetrieb besuchen kann. Es ist geplant, nach Möglichkeit wöchentlich eine Führung anzubieten, denn die Ausstellung wird bis Anfang August aufgestellt bleiben. Außerdem können interessierte Gruppen und Forscher Anfragen an die Staats- und Stadtbibliothek richten, dann bin ich gerne bereit, bei Bedarf zusätzlich Führungen anzubieten. Mir liegt daran, dass die Schönheit dieser Bücher viele Leute sehen können.
Interview: Birgit Müller-Bardorff O
Führung in der Staats und Stadtbi bliothek (Tel. 0821/71013 2739) bis 12. Mai, täglich jeweils um 15.30 Uhr.
● Edith Seidl hat in Augsburg Ge schichte studiert. Im Rahmen der Initiative Staats und Stadtbibliothek Augsburg bringt sie ihr Fachwissen in Vorträgen und Ausstellungen ein.