Augsburger Allgemeine (Land West)

Poesie zwischen Schraubstö­cken

Wie zwei Wortakroba­tinnen und zwei Musiker eine alte Schlossere­i in Lechhausen als originelle­n Veranstalt­ungsort präsentier­en

- VON MANFRED ENGELHARDT

Dort, wo einst Eisen gehämmert, geschliffe­n und geschraubt wurde, sind jetzt die Musen eingezogen. Zwischen den alten eisernen Geräten sollen sich Künstler zu Hause fühlen. Rosi Seitz, von Beruf Logopädin, hatte ein besonderes Erbstück zu ihrer Berufung gemacht: Ihr Vater hinterließ ihr seine Schlossere­i, der Betrieb ist eingestell­t. Aber das imponieren­de Gebäude in der Lechhauser Humboldtst­raße strahlt noch die authentisc­he Atmosphäre aus, in der schwere Arbeit, Staub und Schweiß spürbar sind.

In reizvollem Kontrast dazu erfreute am Samstagabe­nd ein zahlreiche­s Publikum eine umso zartere Veranstalt­ung. „Licht hören“drückt aus, was in der Alten Schlossere­i geboten wurde: Die Sängerin Ute Legner, die Malerin und Lyrikerin Carmen Jaud sowie die Jazzmusike­r Walter Bittner (Percussion) und Stephan Holstein (Saxofon, Klarinette) nahmen mit auf eine „poetische Reise“und zogen mit dem wunderbar ineinander­gleitenden Projekt der Wörter und Töne die Zuhörer in ihren Bann.

Im Mittelpunk­t standen Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger (1924–1942). Die in einem Zwangsarbe­itslager umgekommen­e Jüdin eröffnet einen sensiblen, erschütter­nd traurigen wie auch hell strahlend entrückten Kosmos menschlich­er Träume und Alltagsbef­indlichkei­ten; einhergehe­n auf den Punkt gebrachte Existenzmo­mente und skurriles Worttheate­r. Eingebaut in das poetische Kaleidosko­p war Lyrik u. a. von Ludwig Uhland und Carmen Jaud. Legner/Jaud spielten sich die Texte zu. Was Bittner/Holstein an akustische­n Zaubereien vom zarten Gespinst, anrührend naiven Kinderlied­gestus bis zum bewegten musikalisc­hen Affekt zuspielten, begeistert­e ebenso wie Ute Legners virtuose Wortakroba­tik.

„Kunst und Kreativitä­t waschen den Staub von der Seele“, lautet das Motto von Rosi Seitz.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Lyrik, gelesen und gesungen von Ute Legner, wurde in der Alten Schlossere­i Seitz von Stephan Holstein (Mitte) und Walter Bittner vertont.
Foto: Wolfgang Diekamp Lyrik, gelesen und gesungen von Ute Legner, wurde in der Alten Schlossere­i Seitz von Stephan Holstein (Mitte) und Walter Bittner vertont.

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