Augsburger Allgemeine (Land West)
Die kostspieligen Gehäuse der Kirche
Religion Die evangelische Kirche im Dekanat Augsburg ist reich an Gebäuden. Doch sie verursachen hohe Kosten und die Bedürfnisse ändern sich. Was ist zu tun?
Gebäude heißen Immobilien, denn sie lassen sich nicht bewegen. Machen sie auch unbeweglich? Danach fragte die Synode des evangelischen Dekanats Augsburg, und Stadtdekanin Susanne Kasch ahnte, dass es „ein absolutes Reizthema“sein wird.
Bald schon könnten die Gemeinden die Kosten für ihre Häuser überfordern – und ihrer zukünftigen Entwicklung im Weg stehen. „Wir schaffen uns nicht die Menschen für die Gebäude, sondern wir müssen auf die Menschen zukommen“, mahnte der Architekt Christof Illig. Deren Bedürfnisse aber wandeln sich rapide, sodass die Kirchen meistens viel zu groß und die Gemeindesäle zu familiär sind für ein Publikum, das erst unverbindlich schnuppern möchte.
Im Münchner Landeskirchenamt ist Illig zuständig für den Baubestand der Protestanten in Bayern. Seine Zahlen sind ernüchternd: „Häuser kosten nicht nur am Anfang“, sagte Illig. Alle 30 Jahre sei vielmehr eine Sanierung fällig, die gleich viel Geld verschlingt – zusätzlich zu den laufenden Kosten für die Nutzung, die der Architekt mit 40 bis 70 Euro je Quadratmeter im Jahr veranschlagte. Im Dekanat Augsburg, das von Langerringen bis Meitingen und von Zusmarshausen bis Aichach reicht, besitzt die evangelische Kirche insgesamt 124 000 Quadratmeter. „Sie sind reich!“, stellte Illig fest. „Aber Sie brauchen auch Reichtum für den Erhalt Ihrer Häuser.“Nämlich sechs bis neun Millionen Euro im Jahr. Lohnt sich die Investition?
Auf der Dekanatssynode forderte Christof Illig „Mut zu sehr radikalen Veränderungen“. Weniger sei in Zukunft häufig mehr. Warum sollte die zu groß gewordene Kirche nicht zugleich auch der Gemeindesaal sein? Warum sollte der Kirchenvorstand in Zukunft nicht transparent in Räumen tagen, in die jeder hineinschauen kann? Illig riet, die kirchlichen Gebäude auszuräumen, sie freizumachen fürs Nachdenken, für Stille, für Begegnung und Anregung. Illig fragte: Ist die Kirche vor Ort sichtbar, ist sie barrierefrei erreichbar? Liegt das Pfarrhaus zu abseits, der Gemeindesaal versteckt im Hinterhof? „Unsere Häuser gehören nicht uns, sie sind nicht unser Wohnzimmer“, mahnte der Architekt.
Der Gersthofener Dekan Stefan Blumtritt untermauerte diese Überlegungen mit dem neuen Konzept der Landessynode. „Profil und Veränderung. „Es ist in unserer Kirche viel mehr möglich, als wir uns gestatten. Wir sind unglaublich strukturkonservativ geworden“, sagte er.
Vorschläge hatte Blumtritt zuhauf: Gottesdienst auch mal im Rathaus feiern, im Schäferkarren zur Jugend aufbrechen, die Nachbargemeinde einbeziehen und auch die Menschen im virtuellen Raum. „Ich will aber nicht die Konfirmanden einer fremden Gemeinde unterrichten“, hörte er auf der Synode als Einwand. An Illig richtete sich die Frage: Sollten wir leichtfertig Immobilien in den besten Lagen abstoßen? Diakonie-Vorstand Fritz Graßmann wies darauf hin, dass sich junge Pfarrer die Sorge um Immobilien nicht antun wollen, sondern mit ganzer Kraft Seelsorge leisten. Im Falle der sogenannten Ertragsobjekte könnten sie in der Tat echte Zeitfresser werden, gab Illig zu. Worauf Jürgen Steinmetz, der Geschäftsführer des Kirchengemeindeamts, anbot: „Lassen Sie sich von uns entlasten!“