Augsburger Allgemeine (Land West)
Mehr Häuser, weniger Landwirtschaft
Flächenverbrauch Willishausen wächst – doch Landwirt Hubert Fischer gefällt das nicht. Er sieht sich durch den Flächenfraß in seiner Existenz bedroht
Diedorf Willishausen
Im abgelegenen Diedorfer Ortsteil Willishausen bearbeiten seit einigen Wochen Bagger die große Grünfläche, die an den Milchviehbetrieb von Hubert Fischer grenzt. Entlang des Grenzzauns liegt bereits Kies. 15 Reihenhäuser sollen dort in unmittelbarer Nachbarschaft entstehen. Der Landwirt sieht sich in seiner Erweiterungsmöglichkeit eingeschränkt und sagt: „Das bedeutet für mich das Aus.“
Auflagen machen ihm zu schaffen: „Wenn ich die Stallfenster zum Wohngebiet nicht mehr öffnen darf, dann ist das Tierwohl nicht mehr gegeben.“Zudem befürchtet der Landwirt, dass die eigene Stromversorgung mittels Photovoltaikanlagen auf dem Stalldach durch die Höhe der Gebäude nicht mehr in vollem Maß gewährleistet ist.
Tag für Tag verschwindet im gesamten Freistaat ein Stück Natur. Felder, Wiesen und Wälder weichen Neubausiedlungen, Straßen und Gewerbegebieten. Jeden dritten Tag wird in Bayern die Fläche von durchschnittlich zwei landwirtschaftlichen Betrieben verbaut, erklärt Markus Müller, Leiter der Hauptgeschäftsstelle Schwaben des Bayerischen Bauernverbands. 13 Hektar, also rund 19 Fußballfelder, sind das aktuell in Bayern. Im Landkreis Augsburg sind die bebauten Flächen innerhalb des vergangenen Vierteljahrhunderts um 36 Prozent gewachsen.
Der Flächenfraß geht vor allem zulasten der Äcker und Wiesen, die den Bauern zur Verfügung stehen. „Grund und Boden ist aber nicht vermehrbar, daher ist diese Entwicklung auch nicht nachhaltig“, sagt Müller. Innerhalb von zwei Jahren sank die Landwirtschaftsfläche nach Zahlen des Landesamts für Statistik im Landkreis Augsburg um knapp 1900 Hektar.
Verschärft durch die Finanz- und Wirtschaftskrise werde der Kauf solcher Flächen für Investoren interessanter. „Das hat nichts mehr mit einem Dorf zu tun. Hier entsteht eine Stadt mitten im Dorf“, ärgert sich Fischer über die Bebauung auf dem 4400 Quadratmeter großen Areal in Willishausen. 20 Meter soll der Abstand der Wohnhäuser zum Betrieb betragen. Die neuen Garagen rücken bis an seine Grundstücksgrenze heran. Auf dieser Höhe befindet sich der im Jahr 2009 erweiterte Kuhstall von Fischer.
Generell habe er nichts einzuwenden, wenn Baulücken geschlossen werden. Doch die Planungen sehe er als „Betrug für künftige Mieter“, deren Haustüren sich zum Stall hin befinden. Schließlich könne er Gerüche, angestaute Hitze durch die Dunstglocke im Sommer sowie Fliegen nicht verhindern. „Mit diesen Faktoren ist gerade im Sommer immer zu rechnen“, sagt Fischer. Auch die angespannte Parkplatzsituation in der Deubacher Straße werde sich zudem aus seiner Sicht verschlechtern. „Die Entwicklung der Wohngebiete und Bauernhöfe hat bisher immer gut funktioniert“, sagt Fischer. Eine solche Entscheidung der Gemeinde zeige jedoch, dass Diedorf keine Zukunftsvision habe.
Das Landratsamt betont, dass Belange der Landwirtschaft von den Gemeinden genauso berücksichtigt werden wie naturschutzfachliche oder wasserwirtschaftliche Belange. Der Bauernverband sieht die innerörtliche Entwicklung von Gemeinden als Herausforderung. In vielen Häusern sei wegen dem demografischen Wandel die zukünftige Nutzung dementsprechend offen. Der Verband steht dafür ein, bestehende naturschutzfachliche Ausweichflächen aufzuwerten, anstatt neue Flächen auszuweisen.
Landwirt Hubert Fischer setzt sich zur Wehr und möchte schon bald in einen Melkroboter investieren, um den Hof auf dem neuesten Stand zu halten. „Ich will dabei bleiben, denn mir macht der Beruf Spaß. Ich gebe nicht so leicht auf“, sagt Fischer.